Smart Trust plus:Das Vertrauen wiedergewinnen

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Kritiker attestierten dem Mini-Auto ein unsicheres Fahrverhalten im Winter - es wird nachgebessert

(SZ vom 13.02.1999) Dieses Auto steht irgendwie unter einem unglücklichen Stern: Jüngst waren im Fernsehen und in den Zeitungen Bilder zu sehen von dem Smart, der Männchen machte. Bei winterlichen Straßenverhältnissen war eine Autofahrerin auf der Autobahn ins Schleudern gekommen, und das Miniauto drehte und wendete sich so unglücklich, daß es auf dem Hinterteil landete. Zugegeben, die Autofahrerin war mit Sommerreifen unterwegs gewesen, aber Experten sahen sich in ihrer Meinung bestätigt, daß der Zweisitzer im Winter kein besonders sicheres Fahrverhalten an den Tag legt.

Fachmagazine und TV-Sendungen schickten also ihre Tester in den Winter, wo sich dann bei Fahrversuchen herausstellte, daß das im Smart serienmäßig eingebaute Fahrstabilitätssystem Trust in bestimmten Situationen nicht ausreicht oder - sei es vorsätzlich, sei es versehentlich - überlistet werden kann. Trust arbeitet so: Wenn die Räder Bodenhaftung verlieren, wird automatisch ausgekuppelt, die Räder erhalten Freilauf, das Auto kann sich stabilisieren. Wenn man aber in einer solchen Situation gleich wieder auf das Gaspedal trat, brach der heckgetriebene Wagen plötzlich aus.

Die Verantwortung des Fahrers

"Wir wollten das in die Verantwortung des Fahrers legen", sagt Helmut Wawra, der bei der inzwischen zum DaimlerChrysler-Reich gehörenden Micro Compact Car GmbH für die Entwicklung des Smart zuständig ist. Diese Verantwortung könne dem Fahrer letztendlich kein technisches System abnehmen, meint Warwa. Aber dennoch sahen sich die MCC-Manager angesichts der negativen Schlagzeilen zum Handeln gezwungen. Eine Weiterentwicklung des Fahrstabilitätssystems mit dem Namen Trust plus soll nun helfen, das angeschlagene Vertrauen der Autofahrer zu dem zweisitzigen Winzling wiederzugewinnen.

Ein kurzer Blick zurück: Trust hatten die Ingenieure dem Smart spendiert oder spendieren müssen, damit der 2,50 Meter lange Stadtwagen den Elchtest bestehen konnte. Noch saß ihnen der Schock im Nacken, den das Umkipp-Debakel bei der Mercedes-Benz A-Klasse ausgelöst hatte. Diese wurde mit ESP, dem Elektronischen Stabilitätsprogramm, nachgerüstet, das nicht nur ins Motormanagement eingreift, sondern über einen aktiven Bremseneingriff gezielt einzelne durchdrehende Räder abbremsen kann.

Neue Hardware ist nicht nötig

Eine solche Maximallösung hätte den Smart wohl noch teurer werden lassen - und für den Einbau von ESP ist der Smart auch gar nicht konzipiert worden. Es fehlen zum Beispiel Komponenten wie ein Gierratensensor. Bei der neuen Variante Trust plus handelt es sich im Prinzip um ein Software-Upgrade der Steuerelektronik. "Da braucht man keine neue Hardware, sondern nur Gehirnschmalz", sagt einer der beteiligten Entwickler. Binnen 70 Sekunden kann die neue Software-Version eingespielt werden. Technische Voraussetzung für Trust plus sind vor allem das "elektronische Gaspedal", andere elektronische Systeme und eine entsprechende Sensorik.

Einen aktiven Bremseneingriff in kritischen Situationen wie durch ESP gibt es beim Smart also nicht. "Wir versuchen, es beim Smart erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Bei geringen Instabilitäten wird die Kupplung geöffnet und Gas weggenommen, damit das Auto wieder stabil wird", erläutert Helmut Wawra.

Bei ersten Fahrversuchen in den tief verschneiten Alpen wurden die Neuerungen, die Trust plus bringt, schnell spürbar: Die Software ist so ausgelegt, daß sie - schlicht gesagt - in kritischen Situationen wie bisher auskuppelt, nun aber zusätzlich auch noch das Gas wegnimmt, gleichgültig, ob der Fahrer mit festem Tritt noch mehr Vortrieb fordert oder nicht. Wenn man zum Beispiel auf einer verschneiten Straße in eine Kurve hineinfährt und Gas gibt, obwohl die Reifen keinen richtigen Grip haben, regelt Trust plus die Motorleistung auf ein der Spurhaltung verträgliches Maß herunter. Bei Vergleichsfahrten mit dem bisherigen Trust schwenkte das Heck des Smart bei solchen Manövern plötzlich aus - und auch routinierte Fahrer hatten Probleme, das Auto wieder einzufangen.

Auch beim Anfahren am Berg wird die Veränderung deutlich: Es gibt keine durchdrehenden Räder mehr, was allerdings zur Folge hat, daß man manchmal mit nur zehn Stundenkilometern bergaufwärts kriecht. "Daß man eine Steigung nicht mehr schafft, daß kann mit Smart plus nicht sein", versichert Smart-Antriebsspezialist Hans-Joachim Volkmann, und Helmut Wawra ergänzt: "Einen Berg, den man bisher mit 30 km/h hoch kam, schafft man halt jetzt nur noch mit 25 Stundenkilometern. " Einen Schalter, um Trust plus lahmzulegen, wird es aber wahrscheinlich nicht geben.

Ein nicht schwänzelndes Heck mag der Sicherheit zuträglich sein, aber ein aktives Fahren ist so kaum mehr möglich - und der Fahrspaß reduziert sich ebenfalls deutlich. Dabei hatte es in den Pressetexten noch geheißen: "Die vermittelte Fahrfreude ist nicht mehr zu steigern. " Die Software ist auf jeden Fall die zentrale Stellschraube: Sie kann völlig in Richtung Sicherheit programmiert werden, sie kann aber auch so ausgelegt werden, daß der Smart etwas agiler wirkt. Noch sind die Ingenieure und Entwickler mit der Feinabstimmung beschäftigt.

Nachrüstung in der Werkstatt

Bis zur Jahresmitte soll Trust plus in die Serienproduktion einfließen. Wer jetzt schon einen Smart fährt, sollte nach den Vorstellungen von MCC von Juni an sein Smart-Center aufsuchen, wo in der Werkstatt Trust auf Trust plus aufgefrischt werden kann. Die neue Software wird über den Diagnosestecker eingespielt. Nichts ändert sich durch Trust plus am Fahrverhalten unter normalen Bedingungen: Das Fahrwerk bleibt unkomfortabel.

Die eingangs erwähnte Autofahrerin vertraut ihrem Gefährt übrigens trotz des Unfalls: Sie hat sich gleich einen neuen Smart gekauft - vielleicht waren die Konditionen besonders günstig.

Von Otto Fritscher

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