Simson e-Schwalbe:Die Schwalbe fliegt wieder

Der legendäre Simson-Motorroller, der einst die DDR bewegte, wird neu aufgelegt - in Retro-Design, aber mit Elektromotor.

Norbert Meiszies

Man nannte sie liebevoll die Vespa des Ostens, und sie gehört zu den Reminiszenzen an die Deutsche Demokratische Republik - ebenso wie der Trabi, der Rotkäppchensekt oder die Spreewaldgurken: die Simson Schwalbe.

Ein Moped, das in der ehemaligen DDR hunderttausendfach durch Alleen und über Kopfsteinpflaster knatterte, einen hellblauen Zweitakt-Kringel hinter sich herzog und heute längst zum Kult- und Sammlerstück geworden ist.

Jetzt, fast 25 Jahre nach dem Ende der Produktion im thüringischen Suhl, soll es einen Neuanfang an historischem Ort geben: Im nächsten Frühjahr will die efw-Suhl GmbH die e-Schwalbe auf den Markt bringen - ein Moped, das das charakteristische Erscheinungsbild des DDR-Klassikers mit einem modernen Elektroantrieb verbindet.

"Elektromobilität ist die Zukunft", erklärt Thomas Martin, einer der beiden Geschäftsführer des vom Energieunternehmen Entega initiierten Projekts, "allerdings wecken die Fahrzeuge, die bislang angeboten werden, keine Emotionen - und das wollen wir ändern."

War die Ur-Schwalbe noch mit einer Blechkarosse und Hilfsrahmen unterwegs, stützt sich der neue Elektroroller auf einen Gitterrohrrahmen, in den wahlweise eine Blei-Nickel-Batterie oder eine Lithium-Ionen-Batterie eingesetzt werden können. Sie sollen für die notwendige Antriebsenergie sorgen.

Und die wird nicht, wie allgemein üblich, über einen Radnabenmotor im Hinterrad weitergegeben, sondern über eine Kette - genau wie einst beim Original.

Nachhaltigkeit wird versprochen

Drei Leistungsvarianten sollen angeboten werden: Mofa, Mokick und Leichtkraftroller. Bis zu 11 kW (15 PS) Leistung verspricht der Hersteller für den Antrieb, 80 km/h Höchstgeschwindigkeit und maximal 220 Kilometer Reichweite.

Simson e-Schwalbe: Neu-Start: Die e-Schwalbe auf den Spuren des Klassikers, der einst die DDR bewegte.

Neu-Start: Die e-Schwalbe auf den Spuren des Klassikers, der einst die DDR bewegte.

(Foto: XTRONIC GmbH)

Ein entscheidender Unterschied zwischen e-Schwalbe-Konzept und den meist aus China importierten Elektrorollern ist die konsequent umgesetzte Nachhaltigkeit. So soll durch umweltfreundliche Materialauswahl und Recyclingfähigkeit das bei der Produktion unvermeidbar entstehende CO2 kompensiert werden.

Und wer sich im kommenden Jahr für den wiedergeborenen Klassiker entscheidet, bekommt ein Gratiskontingent Ökostrom dazu. Das Basismodell mit Blei-Akkus soll weniger als 3000 Euro kosten, die e-Schwalbe mit Lithium-Ionen-Technik 3500 Euro.

Andere Zeiten, andere Preise: Die letzte originale Simson Schwalbe - Modellkürzel KR51/2 - kostete seinerzeit neu rund 1700 Ost-Mark.

Gebaut im VEB Fahrzeug- und Gerätewerk Simson Suhl, in dem in guten Zeiten bis zu 4000 Mitarbeiter beschäftigt waren, die Jahr für Jahr mehr als 200.000 Mopeds und Motorroller von den Bändern schickten. Und die Schwalbe - internes Kürzel KR51 - war 1964 das erste Fahrzeug der sogenannten Simson-Vogelserie.

Neben den Kleinkrafträdern mit den Modellnamen Spatz, Star, Sperber und Habicht avancierte die Schwalbe schnell zum populärsten Zweirad in der DDR - es gab wohl kaum einen Bürger zwischen Greifswald und Dresden, der nicht wenigstens einmal im Leben auf der schmalen Sitzbank einer Schwalbe gesessen hat.

Auf zwei Rädern auf den Trabi warten

Und viele von denen, die lange Jahre auf einen neuen Trabi warten mussten, überbrückten die Zeit mit dem unkomplizierten Zweirad.

1265 Ost-Mark kostete 1964 die erste Schwalbe; angetrieben wurde sie von einem gebläsegekühlten, 50 Kubik großen Zweitakt-Einzylinder mit schlanken 3,4 PS. In den ersten Jahren gab es noch eine Dreigang-Handschaltung, später kamen dann Fußschaltung sowie ein Vierganggetriebe.

Und das Beste: Der Schwalbe waren schon zu ihrer Zeit ganz offiziell maximal 60 km/h zugestanden worden - ein Umstand, der auch nach der Wende seine Gültigkeit behielt, obwohl sich die 50er-Roller im Westen der wiedervereinigten Republik einem Tempolimit von gerade mal 45 km/h beugen müssen.

Nicht zuletzt das ist einer der Gründe, warum die Schwalbe noch immer ein Objekt der Begierde auf dem Gebrauchtmarkt ist.

Am Grundkonzept hatte sich in den 22 Produktionsjahren bis zur Ablösung der Schwalbe 1986 durch den neuen Simson-Roller SR 50 nichts geändert - das breite Beinschild, der viereckige und in die Verkleidung integrierte Scheinwerfer, der mächtige Kotflügel und der schlanke Sitzbankpanzer sorgen für den typischen Schwalbe-Look. Und den trägt jetzt auch die e-Schwalbe, denn mit dem Namen hat sich die efw-Suhl gleichzeitig auch die Rechte am Design der Schwalbe gesichert.

Auf jeden Fall darf man gespannt sein, ob die neue Schwalbe wieder fliegen lernt und mehr Zukunftschancen haben wird als die bisherigen Versuche, Simson und das Kultmotorrad wiederzubeleben.

Denn seit der Wende erlebte das Unternehmen gleich mehrere Insolvenzen. Auf der Konkursversteigerung im Jahr 2003 kam dann das gesamte Betriebsvermögen unter den Hammer, nach mehr als 106 Jahren war die Zweiradmarke Simson damit endgültig zerschlagen.

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