Sicherheit im Autotunnel:Licht am Ende des Tunnels

Autoverkehr im Allacher Tunnel bei München

Autoverkehr im Allacher Tunnel bei München

(Foto: Stephan Rumpf)

Vor dem Urlaub kommt der Tunnel. Diese sind meist laut, dunkel und eng - nicht gerade eine angenehme Umgebung. Doch wie sicher sind Autotunnel bei Brandkatastrophen? Und wie verhält man sich dort als Autofahrer richtig ?

Von Steve Przybilla

Das mulmige Gefühl fährt mit. Kaum ein Urlaub ohne Tunneldurchquerung. Plötzlich ist es laut, dunkel und vor allem eng - nicht gerade eine angenehme Umgebung. Bei vielen Autofahrern werden dann unfreiwillig Erinnerungen an die großen Brandkatastrophen um die Jahrtausendwende wach. Innerhalb von wenigen Monaten kam es im Mont Blanc (41 Tote), im Tauerntunnel (zwölf Tote) und im St. Gotthard (elf Tote) zu verheerenden Unfällen. Die Bilder von Asche, Rauch und geschmolzenen Autowracks haben sich ins Gedächtnis gebrannt. Genau wie die Frage: Kann so etwas wieder passieren?

Fest steht, dass heute praktisch kein Tunnel mehr so ausgestattet ist wie vor zehn oder 15 Jahren. Das liegt zum einen am technischen Fortschritt: Moderne Lüftungsanlagen können Rauch absaugen, statt ein Feuer durch Sauerstoffzufuhr weiter anzufachen. Kameras erkennen Brände inzwischen automatisch und schlagen sofort Alarm. Neue LED-Signalanlagen und Fluchtröhren lotsen Menschen bei Zwischenfällen schnell nach draußen. Auch die Politik hat gehandelt. So schreibt die EU-Richtlinie 2004/54/EG vor, dass bis Ende 2013 alle Tunnel über zwei Röhren verfügen müssen, wenn sie mindestens 500 Meter lang sind und von mindestens 10.000 Fahrzeugen am Tag durchquert werden. Europaweit gibt es rund tausend Tunnel, auf die diese Kriterien zutreffen.

"Im Tunnel ist man sicherer als auf normalen Straßen"

"Im Tunnel ist man sicherer als auf normalen Straßen", betont Bernhard Steinauer, Professor am Institut für Straßenwesen der RWTH Aachen. Die Autofahrer konzentrierten sich stärker, da es strenge Tempolimits und weniger Ablenkung als auf freier Strecke gebe. "Wenn aber etwas passiert, dann wird's richtig kritisch", weiß der Tunnelexperte. "Steht ein Lkw mit brennbarem Gut in Flammen, dauert es gerade mal zehn Minuten, bis sich die Umgebung auf 1000 Grad erhitzt." Nur in den wenigsten Fällen kommen die Menschen durch Verbrennen ums Leben. Meist werden sie durch giftige Dämpfe erstickt. "Rauch breitet sich mit sechs Meter pro Sekunde schneller aus, als Menschen rennen können", erklärt Steinauer. "Wenn man ihn sieht, ist es schon fast zu spät."

Wie solche Szenarien in der Realität aussehen, lässt sich in einem Forschungsstollen im ostschweizerischen Flums beobachten. Siemens mischt seit zehn Jahren im hart umkämpften Brandschutzmarkt mit und testet dort seine Brandmeldesysteme sowie Löschanlagen. Im Versuchstunnel setzen die Ingenieure ein Miniaturfahrzeug (Maßstab 1:5) mit fünf Liter Ethanol in Brand. Zu Anschauungszwecken steht direkt daneben ein Tempo-80-Schild.

Doch schon nach wenigen Sekunden sind weder das Schild noch irgendwelche anderen Gegenstände zu erkennen - der Versuchsstollen ist komplett verraucht. Ein lautes Piepsen läutet die zweite Phase der Demonstration ein: Nachdem der lasergestützte Wärmedetektor den Brand erkannt hat, saugt die Lüftung den Rauch automatisch ab. Sofort wird die Sicht klarer, das Atmen wieder leichter. Schließlich das große Finale: Tausende Wassertropfen regnen von der Decke herab. Sie können den Brand zwar nicht löschen, aber spürbar eindämmen - und damit im Ernstfall das Vorrücken der Feuerwehr deutlich erleichtern.

Vollautomatische Systeme sind teuer

Technisch möglich sind solche vollautomatischen Systeme heute schon. Nur kaufen will sie niemand. "Mehr als das, was gesetzlich vorgeschrieben ist, kann man heute kaum an den Mann bringen", gesteht Urs Rufener, Brandschutzexperte bei Siemens. In vielen europäischen Tunneln sind zwar mittlerweile Leit- und Kamerasysteme des Unternehmens verbaut. "Die automatische Löschanlage gibt es aber momentan nur in der Theorie", sagt Rufener. Ein solches System schreibt die EU-Richtlinie bislang nicht vor. "Dabei wäre es die beste Methode, um Katastrophen zu vermeiden", glaubt Tunnelexperte Bernhard Steinauer. "Das Problem ist nur: Wer kann sich so etwas leisten?"

Was eine Sprinkleranlage kostet, will bei Siemens niemand verraten. Lieber macht man die Gegenrechnung auf: Allein im Mont Blanc hätten sich nach dem Unglück die Schäden auf bis zu 450 Millionen Euro summiert - plus 500 Millionen durch den Ausfall des Transportnetzes. "Volkswirtschaftlich lohnt sich also eine Investition", beteuert der Schweizer Vertriebsleiter Patrick Dell'Olivo.

Eine Milliarde Euro für deutsche Tunnel

In Deutschland ist die Tunnelrichtlinie vor sieben Jahren in nationales Recht umgesetzt worden. Die "Richtlinien für die Ausstattung und den Betrieb von Straßentunneln" (RABT) sehen vor, dass bis Ende dieses Jahres alle bestehenden Röhren auf den neuesten Stand gebracht werden. Eine Milliarde Euro hat das Verkehrsministerium bereitgestellt, um alle 253 Autobahn- und Bundesstraßentunnel nachzurüsten.

Doch schon länger zeichnet sich ab, dass die Zeit nicht reichen wird. Das Bundesverkehrsministerium spricht von "erheblichem Zeitaufwand", vor allem dann, wenn eine zweite Röhre angelegt werden müsse. Vor 2016 werde man es wahrscheinlich nicht schaffen. In Baden-Württemberg sieht es besonders mau aus: Von 17 Autobahntunneln erfüllen laut Verkehrsministerium momentan nur sieben die RABT-Anforderungen. Bis 2017 werde man aber fertig sein, versichert ein Sprecher. Als Grund für die Verzögerungen führt er "komplexe Planungsprozesse" an.

Einig sind sich die deutschen Verkehrspolitiker in ihrer Bewertung von Sprinkleranlagen. "Der Aspekt der Rauchausbreitung ist bereits durch die gängige Lüftungstechnik abgedeckt", heißt es aus dem grün regierten baden-württembergischen Verkehrsministerium. Sprinkleranlagen könnten daher höchstens "in begründeten Einzelfällen" in Tunnel eingebaut werden. Auf Bundesebene sieht das der Verkehrsminister - ein CSU-Politiker - offenbar nicht anders: Im Bereich der Bundesfernstraßen sei bisher keine Notwendigkeit für Sprinkleranlagen gegeben, verkündet ein Ministeriumssprecher.

Verzögerung bei Tunnelsanierungen

Dass in Deutschland überhaupt die neueste Technik diskutiert wird, mutet schon fast wie ein Luxusproblem an. In den Alpenländern, die über besonders viele Tunnel verfügen, stehen Milliardeninvestitionen an. Vor allem für die klammen südeuropäischen Länder ist das derzeit kaum zu stemmen. "2014 ist sicher noch nicht mit komplett sanierten Tunneln zu rechnen", schätzt Mady Christ, Tunneltest-Beauftragte beim ADAC. "2019 scheint schon realistischer."

Trotz aller Verzögerungen beurteilt der Verkehrsclub die Lage aber insgesamt als positiv: Beim letzten Tunneltest im vergangenen Jahr erhielten fast alle Tunnel die Note "gut" oder "sehr gut". Rasselten früher die Bauwerke gleich reihenweise durch, gab es zuletzt kein einziges "mangelhaft" oder "bedenklich". "Bedenken habe ich eigentlich bei keinem Tunnel", sagt auch Bernhard Steinauer - obwohl es noch viele Baustellen gebe. Für dringend verbesserungswürdig hält er die Lautsprechersysteme. "Durch den lauten Hall versteht man nichts, das ist wie auf dem Bahnhof."

Wie man sich im Tunnel richtig verhält

Wie aber reagieren Menschen, wenn es zu einer Katastrophe kommt? Bisher mussten sich Unfallforscher fast immer auf die Aussagen von Überlebenden verlassen. Beispiel Gotthardtunnel: In einem Fernsehinterview erzählte ein Autofahrer, wie er sich im dichten Rauch an der Wand entlangtastete, um einen Schutzraum zu finden. Andere blieben zunächst im vermeintlich sicheren Auto, das schnell zur Todesfalle mutierte.

Unter welchen Umständen bringen sich Menschen in Sicherheit, wann zögern sie? Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) wollte dies genauer wissen. Eine Befragung mit 423 Teilnehmern kam zu dem Ergebnis, dass die meisten die Tunnelvorschrift (zum Beispiel Wendeverbot) gut kennen. Allerdings: "42 Prozent überschätzten die Zeit, die bei einer Evakuierung zur Verfügung steht. Sie erleben das Fahrzeug als einen sicheren Schutzraum."

Noch auffälliger war das Ergebnis mehrerer Feldversuche, in dem die Forscher ein Tunnelunglück nachstellten. Eigentlich wollten die Forscher herausfinden, durch welche Licht- und Tonsignale Autofahrer am schnellsten ihr Fahrzeug verlassen. Zu Tage trat aber auch ein Phänomen, das die Experten als "sozialen Einfluss" bezeichnen: Rannte der Beifahrer im Ernstfall schnell zum Notausgang, tat dies der Fahrer in der Regel auch. Verharrte der Beifahrer jedoch im Fahrzeug, machte auch der Proband keine Anstalten, die Gefahrenzone schnell zu verlassen - obwohl bereits deutlicher Rauch zu erkennen war. "Hieraus wird deutlich, dass die Passivität anderer Tunnelnutzer problematisch ist und sich ungünstig auf das eigene Verhalten auswirkt", schlussfolgern die Forscher in ihrem Bericht.

Für Tunnelexperte Steinauer ist daher klar: "Selbst die beste Technik nützt nichts, wenn die Leute nicht schnell genug handeln. Denn die Selbstrettung ist bei einem Unglück das Einzige, auf das man sich verlassen kann."

Richtiges Verhalten im Tunnel

  • Radio einschalten, um gegebenenfalls Durchsagen zu empfangen.
  • Wenn es zum Stau kommt, besonders aufmerksam sein.
  • Rettungsgasse bilden.
  • Sobald Rauch zu sehen ist, sofort zum Notausgang rennen - selbst wenn noch keine Durchsage erfolgt ist.
  • Niemals wenden oder rückwärtsfahren.
  • Bricht ein Feuer am eigenen Fahrzeug aus, möglichst aus dem Tunnel fahren.
  • Gelingt dies nicht, Warnblinker einschalten, rechts ranfahren und Brand mittels Feuerlöscher bekämpfen.
  • Feueralarm an Notrufsäule auslösen (kein Handy benutzen, da dies die Standortbestimmung erschwert).
  • Danach sofort flüchten - aber keinesfalls in ein Notrufhäuschen, da es keinen Schutz vor Rauch bietet - sondern nur in gekennzeichnete Notausgänge/Schutzräume (grünes Hinweisschild).
  • Bei Evakuierung das Gepäck im Auto lassen, Schlüssel nicht abziehen.
  • Bei eingeschränkter Sicht entlang der Tunnelwand zum nächsten Fluchtweg vortasten.

Weitere Informationen: Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) hat einen Film produziert, der ausführlich auf verschiedenste Tunnel-Szenarien eingeht.

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