Setra S 531 DT:"Unser Ziel ist, den kompletten Motorraum abzuschotten"

Doppeldecker-Reisebus Setra S 531 DT

Riese auf Rädern: Der neue Setra S 531 DT soll bis zu zehn Prozent weniger Sprit verbrauchen als seine Vorgänger.

(Foto: Daimler AG)
  • Nach dem schweren Unglück auf der A 9 bei Münchberg hält die Diskussion um das Sicherheitsniveau von Reisebussen an.
  • Hersteller Setra reagiert bei seinem neuen Modell S 531 DT mit zahlreichen aktiven und passiven Technologien.
  • Es gibt neue elektronische Assistenzsysteme und der Motorraum wurde besser isoliert, sollte es zu einem Feuer kommen.

Von Jörg Reichle

Das Ding ist ein Koloss. 14 Meter misst der neue, vor einigen Tagen vorgestellte Setra-Reisebus S 531 DT in der Länge, er ist vier Meter hoch und 2,55 Meter breit, hat einen Wendekreis von mehr als 23 Metern und sein Reihensechszylinder mit 12,8 Liter Hubraum und 510 PS schlürft den Kraftstoff aus einem Tank mit dem Fassungsvermögen einer Badewanne (540 Liter). Und, einmal angenommen, man gehört nicht zu den 26 Millionen Fahrgästen, die im Jahr 2016 einen Fernbus bestiegen haben, ist man verblüfft, wie sich Optik und Komfort in einem modernen Reisebus inzwischen entwickelt haben - fast wie in der Business-Klasse in einem Mittelstreckenflieger sieht es hier aus, inklusive der Beckengurte für jeden Sitz.

Mit dem hellen Interieur und der modernen Gestaltung wirkt der neue Setra innen recht großzügig, auch wenn Entwicklungschef Gustav Tuschen später betonen wird, dass die Hauptschwierigkeit bei einem Reisebus darin bestehe, "aus beschränktem Raum das Maximum herauszuholen - für Fahrgäste, für Fahrer, für die Technik aber auch für die Komfortausstattung."

Was dem Fahrgast die Bequemlichkeit, ist für den Busunternehmer die Wirtschaftlichkeit. Der neue Doppeldecker verbrauche bis zu zehn Prozent weniger, was bei einer durchschnittlichen Jahresfahrleistung von 100 000 Kilometer immerhin eine Einsparung von bis zu 3000 Liter bedeutete, sagt Hartmut Schick, Leiter von Daimler Buses. Neben Mercedes gehört zum Konzern auch Setra, mit etwas mehr als 40 Prozent Marktanteil führend bei Reisebussen.

Trotzdem stehen weder der Komfort noch die Kosten im Mittelpunkt der Präsentation in Stuttgart. Die Sicherheit ist das beherrschende Thema, denn wenige Tage zuvor waren auf der A 9 bei Hof in einem Reisebus 18 Menschen tödlich verunglückt, das sind auf einen Schlag mehr als drei Mal so viele Opfer, wie sie im gesamten Jahr 2016 durch Busunfälle zu beklagen waren. Bis zu 83 Fahrgäste haben im neuen Setra-Doppeldecker Platz, je nachdem, ob er als komfortabler Reisebus mit reichhaltiger Ausstattung, als sachlicher Fernlinienbus, als Überland- und Ausflugsbus mit Vollbestuhlung, als edler Bistro-Bus mit Lounge oder schlicht als Tourbus genutzt wird.

Die Brandmeldeanlage ist serienmäßig - die Löschanlage nicht

Der Brandschutz spielt beim Thema Sicherheit eine zentrale Rolle. Entwicklungschef Tuschen sagt: "Unser Ziel ist, den kompletten Motorraum abzuschotten." In Isolation und intelligente Schottwände habe man etwa 500 Euro pro Fahrzeug mehr investiert, um dort "maximalen passiven Schutz zu gewährleisten". Und Projektleiter Christoph Glöggler ergänzt: "Wir müssen den Fahrgastraum von Brandquellen wie Kraftstofftank oder Antriebsstrang abkoppeln. Außerdem darf kein Rauchgas in den Innenraum gelangen."

Serienmäßig ist der Setra mit einer Brandmeldeanlage über den gesamten Motorraum ausgerüstet, die sich auf Wunsch mit einer automatischen Löschanlage erweitern lässt. "Wir überlassen das heute noch dem Kunden, weil es eine gewisse zusätzliche Wartung bedeutet", sagt Tuschen. Schick bekräftigt: "In den letzten Jahren hat sich der Brandschutz immer weiter entwickelt, es ist geregelt, welche Materialien eingebaut werden müssen, oder wie der Tank zu lokalisieren ist. Die Regelungen des Gesetzgebers gehen sehr weit und werden immer noch strenger."

Immer mehr Assistenzsysteme an Bord

Das derzeitige Maximum bietet der Setra S 531 DT auch in Sachen aktiver Unfallvermeidung. Wichtigste Neuerung: der aktive Bremsassistent der vierten Generation (ABA 4), eine Weltpremiere für Omnibusse. Er bremst vor stehenden und vorausfahrenden Hindernissen automatisch voll bis zum Stand und kann jetzt auch Fußgänger erkennen, den Fahrer optisch und akustisch vor diesen warnen und dann eine Teilbremsung einleiten. Den Aufprall auf einen vorausfahrenden Lkw, wie er dem Reisebus auf der A 9 gerade zum Verhängnis wurde, hätte solch ein System womöglich verhindert. Das teilautonome Fahren ist also auch im Reisebus auf dem Vormarsch und der Trend ist klar: Die Fehler- und damit Risikoquelle Fahrer soll so weit wie möglich ausgeschaltet werden.

Hinweis der Redaktion:

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

Und noch eine Premiere gibt es: Der Abbiegeassistent soll vor allem die schwächsten Verkehrsteilnehmer schützen, die nicht selten zu Opfern der unübersichtlichen Reiseriesen werden. Ein Radarsensor hinter dem rechten Vorderrad überwacht einen breiten Streifen über die gesamte Länge des Busses und warnt auch vor stehenden Hindernissen wie Lichtmasten und Begrenzungspfosten.

Bleibt in Sachen Sicherheit vor allem die Frage, wie lange es dauert, im Fall des Falles die Oberdeck-Passagiere durch die gerade mal etwas mehr als schulterbreiten Abgänge in Sicherheit zu bringen - eine Herausforderung im Doppeldecker, wie sich Bus-Chef Schick bewusst ist. "Im Endeffekt ist es sicher nicht lebensbedrohlich, wenn man aus dem Oberdeck durch die vorgesehenen Notausstiege durch die Scheiben das Fahrzeug verlässt," sagt Projektleiter Glöggler, im Regelfall sei aber die kontrollierte Räumung über die Aufstiege möglich. Wie lange das dauert? Das komme, so Glöggler, auf die Fahrgäste und ihr Alter an. Durchgespielt habe man so etwas noch nicht.

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