Selbstfahrende Autos:Zum passiven Beifahrer degradiert

Autonomes Fahren in einem Jeep Cherokee

Autonomes Fahren in einem Jeep Cherokee: Die Technik ist weiter als die Gesellschaft, die sie anwenden soll.

(Foto: Britta Pedersen/dpa)
  • In der Studie "Autonomes Fahren aus Sicht der Autofahrer" haben etwa 1000 Probanden psychologische Fragen zum Thema autonomes Fahren beantwortet.
  • Die Ergebnisse demonstrieren große Vorbehalte gegenüber hochautomatisierten Autos. Die Gründe dafür sind vielfältig.
  • Während in den USA und in Deutschland die selbstfahrenden Autos auf öffentlichen Straßen getestet werden sollen, zeigt die Studie: Die Technik ist weiter als die Gesellschaft, die sie anwenden soll.

Von Joachim Becker

Chaos ist das vorherrschende Prinzip im Stadtverkehr - zumindest aus Sicht einer Maschine. Wer vom automatisierten Fahren träumt, erlebt hier seinen ultimativen Stresstest. Wenn in einer Metropole wie New York oder Tokio die Ampeln auf Grün schalten, bricht die Hölle los. Jeder Schritt will im chaotischen Gedrängel der Fußgängerüberwege choreografiert sein. Sieht uns das Gegenüber und was sind seine Absichten? Die richtige Antwort auf diese Fragen kann auch zwischen Autos und Radfahrern in Sekundenbruchteilen über Wohl und Wehe entscheiden. Mehr als irgendwo sonst zählt hier nicht nur die Physik, sondern auch die Psychologie der Fortbewegung. Maschinen sind mit diesem Gewirr der Bewegungslinien freilich noch heillos überfordert.

Deshalb kommen die Roboterautos jetzt erst einmal in die Fahrschule: Auf der Autobahn A 9 sollen laut Verkehrsminister Alexander Dobrindt schon bald die ersten autonomen Fahrzeuge unterwegs sein. Sie geben selbständig Gas, lenken und überholen nach eigenem Gutdünken. Hinter dem Lenkrad wird zwar ein Computerexperte sitzen, der die Funktionen der gelehrigen Maschine überwacht. Aber der menschliche Begleiter wird sich im freihändigen Fahren üben, während der Autopilot seine Systemgrenzen auslotet: Wenn das System überfordert ist, muss der Mensch blitzschnell ins Lenkrad greifen, um Schlimmeres zu vermeiden.

Die engen Grenzen der Technik

Wer schon mit den Roboterautos unterwegs war, weiß, wie enge Grenzen der Technik noch gesetzt sind: Große Brücken, schmale Häuserschluchten oder dichte Alleebäume können zum Abriss der Satellitenverbindung führen. Ohne diese Orientierungshilfe aus dem All kann der Fahrroboter seine Position nicht genau genug bestimmen, um sie mit hochpräzisen 3D-Karten zu vergleichen: Dann gibt es erste Risse im engmaschigen Datennetz, das die Maschine über die reale Welt legt, um sie nahezu in Echtzeit zu erfassen. Ähnlich blind werden die Sensoren bei schlechtem Wetter und selbst schadhafte Straßenmarkierungen genügen, um Kamerasysteme hinters Licht zu führen - keine schöne Vorstellung bei engen Fahrbahnverschwenkungen in Autobahnbaustellen.

"Nur der Mensch ist in der Lage, sinnvolle Entscheidungen unter unsicheren Bedingungen zu treffen. Darin ist nur er wirklich gut und hier zeigen sich die Grenzen der Technik", sagt Thomas Stieglitz vom Institut für Mikrosystemtechnik der Universität Freiburg. Roboterautos mögen keine Überraschungen, die in den einprogrammierten Gesetzmäßigkeiten nicht vorgesehen sind. Deshalb spricht Minister Dobrindt von einem "Digitalen Testfeld Autobahn" - also von einer begrenzten Strecke, auf der die Testfahrzeuge über alle Verkehrsstörungen wie Tagesbaustellen präzise informiert werden. Ähnlich wie im Flugverkehr geht ohne vorherige Streckenfreigabe einer Leitstelle erst einmal gar nichts, wenn die Autopiloten unsere Straßen sicherer machen sollen.

Mehr als ein Computerabsturz

Und doch bleibt ein mulmiges Gefühl, wenn leistungsstarke Roboter im Verkehrsgewühl mitmischen. "Die Erfahrungen mit Computern, Netzwerken und modernen Personenwagen haben die Anfälligkeit komplexer Elektroniksysteme belegt", bringt Alfred Schmitt die Bedenken seiner Probanden auf den Punkt: "Anders als bei den meisten Computerabstürzen stehen bei autonomen Autos Menschenleben auf dem Spiel", so der geschäftsführende Gesellschafter des Marktforschungsinstituts Impulse. In der Studie "Autonomes Fahren aus Sicht der Autofahrer" hat das Institut rund 1000 Teilnehmern psychologische Fragen zu den Autopiloten gestellt. Die Antworten dokumentieren eine chronische Vertrauenskrise zwischen Mensch und Maschine.

"Pro 100 Programmierzeilen ist mit drei Fehlern zu rechnen, die erst in der Praxis zum Tragen kommen", gibt ein Informatiker zu bedenken. "Warum sitzen in jedem Verkehrsflugzeug mindestens zwei Piloten, obwohl alle relevanten Systeme dreifach gesichert sind?", hakt ein Ingenieur nach und eine Maschinenbaustudentin fragt: "Kann die Elektronik sicher zwischen einem grünen Fahrradhelm und einer grünen Ampel unterscheiden?" Diese Bedenken sind keine Einzelfälle. Etliche Teilnehmer an der Impulse-Studie zeigen psychologische Barrieren vor dem Ausgeliefertsein an eine Maschine.

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