Selbstfahrende Autos:Selbstfahrende Taxis kommen schon 2019

Autonom fahrender Audi SQ 5 des Zulieferers Delphi.

Mit diesem Audi SQ5 testet Zulieferer Delphi seine Technologien für das autonome Fahren.

(Foto: Reuters)
  • Der amerikanische Zulieferer Delphi will bereits 2019 die nächste Generation selbstfahrender Autos testweise durch Shanghai rollen lassen.
  • Damit schreitet die Entwicklung beim autonomen Fahren schneller voran als gedacht.
  • Das liegt vor allem an den großen Fortschritten, die Mikrochips und künstliche Intelligenz in jüngster Vergangenheit gemacht haben.

Von Joachim Becker, San José

Etwas ruppig, aber smart. Silicon-Valley-Stil eben. "Dieser Spurwechsel war vielleicht wirklich etwas aggressiver. Aber die Leute fahren hier so", rechtfertigt sich Glen De Vos. Mitten im Silicon Valley will der Entwicklungschef des US-Zulieferers Delphi zeigen, was seine Mannschaft draufhat. Deshalb fasst er das Lenkrad während der Testfahrt kein einziges Mal an und lässt auch die Füße von den Pedalen. Der forsche Audi SQ 5 ist Delphis Prototyp für das autonome Fahren, er war auch schon auf der CES in Las Vegas im Einsatz. "Es gibt aus meiner Sicht nur noch einen anderen Zulieferer, der das Gesamtsystem Auto so genau versteht wie wir, und das ist Bosch", sagt der Boss von 20 000 Entwicklern selbstbewusst.

Das englische Wort dafür ist "confident" - genauso nennt De Vos auch den Fahrstil seines Testwagens. Aus gutem Grund: "Wenn autonome Autos zu schüchtern fahren, fühlen sich die Passagiere verunsichert", sagt De Vos. Also wechselt der autonome Audi ganz schön zackig auf die Überholspur.

Noch sind nur Autos mit Assistenzsystemen erlaubt (Level 2). Ein Gesetz für hochautomatisiertes Fahren (Level 3) hat gerade den Bundestag passiert. Doch die Amerikaner wollen schon 2019 mit einem serienreifen Level-4-System an den Start gehen. Im Gegensatz zu Level 3 wird der Fahrer dabei nicht mehr als Rückfalllösung gebraucht. Während sich die Passagiere chauffieren lassen, können sie in aller Ruhe Zeitung lesen, brauchen sie den Straßenverkehr keines Blickes zu würdigen. Und wenn es Probleme gibt? Dann muss das voll automatisierte Fahrzeug selbständig in einen sicheren Zustand kommen - und wenn nötig am Straßenrand anhalten.

Der Kampf um das Zukunftsthema Autonomes Fahren ist voll entbrannt, jetzt entscheidet sich, wie der Markt aufgeteilt wird. In Shanghai sollen sechs solcher fahrerlosen Fahrzeuge schon 2019 zum ersten Mal in den Regelbetrieb gehen: Mit einem moderaten Tempo von bis zu 50 Kilometern pro Stunde sollen sie für den Personen- und Gütertransport auf öffentlichen Straßen genutzt werden. Eine Leitstelle verfolgt die Fahrten über Bordkameras und kann, wenn nötig, per Fernsteuerung eingreifen, zuvor müssen die Straßen noch exakt digital kartiert werden. "Die Nachfrage im Nutzfahrzeugmarkt nach Roboterautos ist riesig", sagt De Vos, "denn die Hälfte der Kosten werden bisher durch die Fahrer verursacht."

Ein Wettbewerb zwischen den Zulieferern, Waymo und Apple

Konkurrent Bosch hat gerade eine Entwicklungspartnerschaft mit Daimler bekannt gegeben: Bis 2022 sollen Robotaxis marktreif sein, so die Planung. Die elektrischen Autos müssen sich im urbanen Umfeld mit bis zu 75 Stundenkilometern ohne Fahrer zurechtfinden. Schon jetzt wird klar, dass die Top-Zulieferer ein neues Selbstbewusstsein an den Tag legen. Sie haben große Entwicklerteams für Software aufgebaut, um das autonome und vernetzte Fahren der Zukunft möglich zu machen. Delphi will die Mannschaft bis 2020 von 5000 auf 10 000 Software-Spezialisten ausbauen, Bosch und Continental verfügen schon heute über eine entsprechende Zahl von Experten.

Sie stehen im Wettbewerb mit der Ex-Google-Firma Waymo. Der Vorreiter bei Roboterautos baut seine Testflotte momentan auf 700 Fahrzeuge aus. In der Umgebung von Phoenix im US-Bundesstaat Arizona können sich Einwohner für Fahrten mit den umgebauten Chrysler-Vans bewerben. Zur Sicherheit ist immer noch ein speziell ausgebildeter Testfahrer dabei. Auch Apple bringt nach einigem Zögern autonome Autos auf die Straße. Die Kalifornier schweigen zwar beharrlich zu ihrer Strategie, haben aber die Erlaubnis für Tests auf öffentlichen Straßen erhalten.

BMW lässt den 7er bald weitgehend selbständig fahren

"Die Geschäftsmodelle kennen wir von Uber, Lyft und Didi", erklärt Elmar Frickenstein, Leiter des autonomen Fahrens bei BMW: "Stellen Sie sich vor, sie hätten eine Flotte von zwei Millionen Fahrzeugen. Eine Minute kostet den Nutzer um die zehn Cent. Bei 20 Fahrten pro Tag mit durchschnittlichen 20 Minuten Fahrtzeit kommt man auf einen Ertrag von 30 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Ist das nicht faszinierend? Das ist der Grund, warum alle an diesem Geschäftsmodell arbeiten."

Vor wenigen Tagen wurden erste Ergebnisse einer Entwicklungskooperation zwischen BMW, Intel und Mobileye erstmals öffentlich präsentiert: Ein eher unauffälliger BMW 7er, der sich keinen Zentimeter aus der Garage des Intel-Entwicklungszentrums in San José heraus bewegt. Noch nicht. Der Münchner Luxustestwagen kann weitgehend ohne Unterstützung eines Fahrers fahren. Er ist kein Einzelstück wie der Delphi-Prototyp, sondern Teil einer Testflotte von 40 Fahrzeugen, die in Deutschland, Israel und den USA Tausende von Testkilometern abspulen werden.

Rechenzentren auf Rädern

Delphi steuert Sensor- und Software-Expertise bei, will aber nicht offizieller Teil der Kooperation sein. Die Gefahr sei zu groß, andere Kunden wie Audi, Ford oder Mercedes zu verprellen, fürchtet Glen De Vos: "BMW wird von unseren Erfahrungen in Shanghai profitieren. Die Systeme für 2019 sind längst in der Serienentwicklung und unsere Technologie-Partnerschaft mit Intel und Mobileye seit vielen Jahren eingespielt. In Shanghai läuft unsere erste Generation, der voll automatisierte BMW iNext wird 2021 schon eine Optimierungsstufe sein."

Das Einführungsszenario für autonomes Fahren verschiebt sich damit ständig weiter nach vorne: Als Daimler 2015 das Forschungsfahrzeug F 015 präsentierte, sprachen die Stuttgarter noch von 2030 als Startpunkt. Doch die Mikrochips und die künstliche Intelligenz haben schnellere Fortschritte gemacht als erwartet. Die Rechner, die jetzt ins Auto kämen, seien so leistungsstark wie die in einem Rechenzentrum, verbrauchten aber viel weniger Strom, sagt Jack Weast, der bei Intel für den Systemaufbau der autonomen Fahrzeuge verantwortlich ist. "Die Computer, die bei der Darpa Challenge vor zehn Jahren (ein Wettbewerb für Roboterautos in der Wüste Nevadas, d. Red.) einen ganzen Kofferraum füllten, werden in der Serie auf Laptop-Größe schrumpfen." Gefordert sind die Rechner nicht nur durch den Datenfluss aus 26 Sensoren, die das Umfeld des Autos im Umkreis bis zu 250 Meter überwachen. Rechenaufwendig ist vor allem die Bilderflut aus bis zu zehn Kameras, die 80 Prozent aller Daten liefern.

Doch die Sensordaten zu verarbeiten, ist nur ein erster Schritt. Weil das System nicht die Erfahrung eines Piloten nutzen kann, müssen alle Phasen des Umfeldverständnisses und der Fahrwegsplanung durch künstliche Intelligenz abgesichert werden. Dafür reicht auch die vielschichtige neue Software-Architektur im Auto nicht aus. Auch extern werden die extrem großen Datenmengen in Rechenzentren ausgewertet. Jason Waxman von Intel erwartet, dass 2030 zehn Prozent aller Rechenzentren weltweit allein für das autonome Fahren gebraucht werden. Wenn's reicht: "Für jedes autonome Fahrzeug fallen momentan rund eine Million Euro an Kosten für die externen Daten-Backends an. Dieser Aufwand muss bis zur Serienreife auf einen Bruchteil schrumpfen", warnt Waxman. Sein Kollege Jack Weast bringt es auf den Punkt: "Vielleicht ist das autonome Auto wirklich die komplexeste Maschine, die Menschen je gebaut haben."

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