Die Revolution fährt lautlos, aber sie rückt näher. Täglich durchkurvt sie die Straßen von Mountain View, dem Hauptsitz von Google. Gelenkt von einer Maschine, gesteuert von Algorithmen, gebremst von Computerchips: Mehr als 20 Roboter-Automobile betreibt Google in seiner Versuchsflotte. Die Fahrzeuge haben bis heute mehr als zwei Millionen Kilometer im automatischen Betrieb zurückgelegt.
Vor ein paar Wochen aber hat es gekracht. Bei Tempo 30 kollidierte ein Bus mit einem Google-Lexus - das autonome Auto war davon ausgegangen, dass der Bus anhält. Auto gegen Bus, der Mensch nur noch als Zuschauer - ist das die Zukunft? Experten sind sich ziemlich sicher, dass die selbstfahrenden Autos nicht zum letzten Mal eine Kollision verursacht haben.
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Heißen die neuen Autobauer Apple und Google?
Vor allem in der deutschen Autobranche fürchtet man den Frontalaufprall mit der neuen Konkurrenz aus dem Silicon Valley. Und zwar anders als neulich in den USA: In den Chefetagen von Daimler, VW oder BMW wächst die Sorge, dass Konzerne wie Google oder Apple etablierten Herstellern mit Innovationen das Geschäft streitig machen - auch wenn man sich nach außen wie immer selbstbewusst gibt.
Nun aber gehen der Branchenverband VDA und sein Chef Matthias Wissmann in die Offensive. Wissmann sagt im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung einen gravierenden Wandel der Branche voraus: "Die reine Fahrzeugproduktion allein ist nicht mehr das, was die Unternehmen der Zukunft ausmachen wird." Es geht um Tausende Arbeitsplätze bei Herstellern und ihren Zulieferern, deshalb ist die Frage wichtig: Heißen die Autobauer von morgen nicht mehr BMW oder Daimler, sondern Apple und Google? "Neue Wettbewerber kann man nie ausschließen", sagt Deutschlands einflussreichster Autolobbyist. Allerdings hätten die Hersteller nicht nur eine lange Geschichte - sondern auch einen "sehr ausgeprägten Selbsterhaltungstrieb".
Schon 2020 könnte die Science Fiction Wirklichkeit werden
In der VDA-Zentrale in Berlin-Mitte sind sich die Vordenker der Branche einig: Intelligente Autos sind kein ferner Hype mehr. "Sie werden kommen. Und zwar schon bald", sagt Wissmann voraus. "Ich bin mir sicher: Schon 2020 werden wir in Deutschland die ersten Parkhäuser haben, in denen sich Autos ihre Parkplätze selbst suchen und Kunden per Smartphone einchecken können."
Mit Sensoren hochgerüstete Parkhäuser - noch ist das Science Fiction. Aber an dem Zusammenspiel von Auto, Smartphone und Parkbucht wird in den Konzernen längst gefeilt. Klaus Fröhlich ist Entwicklungsvorstand bei BMW, einem Hersteller, der ständig auf der Suche ist nach neuen Apps. Seit einiger Zeit arbeiten die Münchener mit dem kalifornischen Park-App-Anbieter Park-Now zusammen, und Fröhlich sagt: "Wir wollen der größte Marktplatz für Parkplätze werden."
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Smartphone-Apps, Verträge mit Parkhausbetreibern - die Rechnung ist ganz einfach: Wer die Parkplätze hat, hat die Kunden. Und wer die Kunden hat, verkauft ihnen auch das nächste Auto. Lobbyist Wissmann glaubt, dass große Parkplatzdienstleister erst einmal selbst in neue moderne Häuser investieren werden. "Es wäre übrigens auch möglich, dass Autohersteller selbst so etwas in die Hand nehmen." Autohersteller als Parkhausbetreiber? "Warum nicht - als Mobilitätsdienstleister müssen Sie in alle Richtungen denken", sagt der VDA-Chef.
Noch vor wenigen Jahren hatten Konzerne wie Google und Daimler wenig miteinander zu tun. In Zukunft könnten sie um einen Milliardenmarkt konkurrieren. Einen Markt, in dem es dann vielleicht nur noch am Rande um Autos geht. Es geht um digitale Technologien, um Kommunikation, um Roboterautos, die auch ohne Fahrer auskommen.
Bei den deutschen Herstellern ist längst angekommen, dass die Karten neu gemischt werden. "Unsere Automobilhersteller entwickeln sich zu Mobilitätsanbietern. Ihr Verständnis ist ein ganz anderes als noch vor zehn Jahren", sagt Wissmann. "Mobilitätsdienstleistungen beinhalten alles - vom Autobau bis hin zu gemeinsamen Verkehrskonzepten mit anderen Anbietern wie der Bahn. Anders lassen sich die weltweiten Verkehrsprobleme des 21. Jahrhunderts gar nicht mehr lösen."
Der Druck auf die Autobauer steigt
Für einen Mann, der sein Geld damit verdient, als Verbandschef für die Interessen der Autoindustrie einzutreten, sind das ungewöhnliche Worte. Denn jahrzehntelang war die Autowelt eine eigene, größtenteils abgeschottete. Es ging um PS und Absatz - warum hätte man mit anderen Verkehrsanbietern zusammenarbeiten sollen?
Wenn aber Autos jetzt Teil des großen Ganzen werden, dann steigt auch der Druck. "Wer im Jahre 2030 keine vollautomatischen Autos im Angebot hat, wird kaum eine Perspektive haben", warnt Wissmann.
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Was den Verbandschef besonders besorgt: Alle reden über Elektroautos, alle arbeiten daran - aber ihr Marktanteil liegt in Deutschland bei gerade mal 0,7 Prozent. Zum Vergleich: In Norwegen bewegt er sich gerade in Richtung 20 Prozent. Es ist der Moment der Lobbyisten: Seit Wochen antichambrieren Vertreter der Autoindustrie in Berlin - sie wollen Geld. Geld für eine flächendeckende Ladeinfrastruktur zum Aufladen der Autos. Und Geld für die Autos selbst: Eine Kaufprämie von mehreren Tausend Euro ist im Gespräch, eine Art Konjunkturprogramm, ähnlich wie vor einigen Jahren die Abwrackprämie. Bislang hat sie aber einen mächtigen Gegner: Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU).
Reformbedarf bei Elektroautos
Wissmann ist daher zurückhaltend, wenn er über die Förderung spricht. Klar ist für ihn: "Ohne deutliche Impulse werden wir das Ziel von einer Million E-Autos bis 2020 auf deutschen Straßen nicht erreichen. Das kann eine Kaufprämie sein oder steuerliche Maßnahmen", sagt er. Aber: "Das soll keine Dauereinrichtung sein. Nach drei bis vier Jahren wäre dann wieder Schluss." Flankierend fordert die Industrie ein massives Ladeinfrastrukturprogramm in den nächsten zwei bis drei Jahren. "Wir brauchen 70 000 Ladepunkte bis 2020 in Deutschland, hinzu kommen gut 7000 Schnellladepunkte", so Wissmann.
Mitten in der VW-Affäre räumt die Branche erstmals Probleme bei der Zulassung neuer Modelle ein. "Wir sehen durchaus Reformbedarf - und Reformmöglichkeiten bei der Zulassung neuer Modelle. Wir glauben, dass man das gesamte Typgenehmigungsverfahren in der EU deutlich verbessern kann", sagt Wissmann und stellt mehr Transparenz in Aussicht: "Wir sind bereit, den Prüfbehörden Softwarekonzepte offenzulegen, um Misstrauen zu begegnen. Wir sind auch dafür, die Typprüfaufträge im Wechsel an verschiedene technische Prüfdienste zu geben, damit es keine Abhängigkeiten gibt. So, wie das bei Wirtschaftsprüfern auch läuft."
Auch in eigener Sache geht Wissmann in die Offensive. Ende des Jahres läuft seine Amtszeit als VDA-Chef aus. Der Ex-Verkehrsminister strebt eine weitere an und will sich auf der Mitgliederversammlung im November wieder wählen lassen: "Mein Grundprinzip ist: Man geht nicht von Bord, wenn es stürmt, sondern erst dann, wenn sich die Winde beruhigt haben."