Segelflieger:Lautlos in den Lüften

Segelflugzeugbau hat eine lange Tradition in Deutschland und bietet die ideale Blaupause für eine effiziente und ökologische Mobilität.

Daniel Hautmann

Von Spitze zu Spitze überspannt der Flügel 20 Meter. Er ist, genau wie der schlanke Rumpf, schneeweiß, hochglanzpoliert und erinnert eher an einen edlen Konzertflügel als an ein Flugzeug. Mit so einem Segelflieger sind Tausende Kilometer weite Flüge möglich - ohne einen Tropfen Sprit zu verbrennen.

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(Foto: Holger Schubert)

"Segelflug ist der sauberste Sport, den man sich vorstellen kann", sagt Tilo Holighaus, Geschäftsführer des traditionsreichen Segelflugzeugbauers Schempp-Hirth in Kirchheim Teck bei Stuttgart.

Schaut Holighaus aus dem Fenster seines holzgetäfelten Büros im ersten Stock der ehrwürdigen Manufaktur, so sieht er das Wahrzeichen des internationalen Segelflugsports: die Teck. Die Gegend um die Burg weist die weltweit höchste Dichte an Segelflugplätzen auf.

Da ist es schon fast selbstverständlich, dass am Fuße der erhabenen Burg die besten Segelflugzeuge der Welt entstehen. "Wenn sie heute auf eine Weltmeisterschaft gehen, sind mehr als 95 Prozent der Flugzeuge aus deutscher Produktion. Die meisten davon kommen von uns", sagt Holighaus, der auch selbst an Weltmeisterschaften teilnimmt.

Neben Schempp-Hirth sind vor allem DG Flugzeugbau in Bruchsal, Lange Aviation in Zweibrücken und Alexander Schleicher in Poppenhausen an der Wasserkuppe im Geschäft. Warum sind ausgerechnet deutsche Unternehmen so erfolgreich im Segelflugzeugbau?

"Der Grund sind die beiden Weltkriege", sagt Holighaus. Nach dem Ersten war das Fliegen mit Motor verboten. Also, dachten sich einige findige Hobbypiloten, fliegen wir halt ohne Motor. Nach dem Zweiten Weltkrieg war alles, was mit Fliegen zu tun hat verboten. Also konzentrierte man sich aufs Entwerfen. Etwa in den Akademischen Fliegergruppen der Universitäten in Stuttgart, Braunschweig oder Berlin.

Erst 1951 wurde der Luftraum für den Segelflug wieder geöffnet. Damals waren die Flugzeuge noch größtenteils aus Holz, bespannt mit hauchdünnem Stoff. Mit den Jahren wurden die profanen Gebilde immer leistungsfähiger. So wurden schon früh Flügelprofile entworfen, die Höchstleistung versprachen.

Alles ist auf Effizienz getrimmt

Schlanke, dünne, dafür lange Flügel, bieten weniger Widerstand und damit mehr Leistung. Blöd nur, dass diese Profile nicht gebaut werden konnten. Es gab schlicht kein Material. Holzflügel hätten den Belastungen nicht Stand gehalten.

In den sechziger Jahren kam dann die Erlösung: Faserverbundwerkstoffe. Jetzt gab es einen ungekannten Leistungsschub. In den Siebzigern kam die Kohlefaser hinzu und machte die Flugzeuge abermals leichter, stabiler und leistungsfähiger. Heute starten Segelflieger mit bis zu 26 Meter Spannweite. Die Profile sind dabei oft nur einige Zentimeter dick.

Alles ist auf maximale Effizienz getrimmt. So werden Gleitzahlen von 1:60 möglich. Heißt: Mit einem Meter Höhe fliegt die Maschine 60 Meter weit. Kurios: Einerseits sind die modernen Maschinen extrem leicht, was im Thermikflug, also beim Nutzen von Aufwinden, von Vorteil ist, andererseits sind sie zu leicht. Um mit hohem Tempo Strecke zu machen, ist Gewicht gefragt. Deshalb nehmen die Piloten an die 200 Liter Ballastwasser in den Flächen mit.

Wo das alles hingeführt hat, lässt sich bei Schempp-Hirth beobachten. In einer Halle stehen 15 Meter lange Formen, in denen die Flügel Schicht für Schicht im Handlaminierverfahren aufgebaut werden. Etwas weiter werden Rudergestänge und Instrumente montiert.

In der Halle daneben ist ein Mitarbeiter dabei, einen Rumpf zu schleifen - von Hand, erst mit grobem Schmirgelpapier und ganz zum Schluss mit 3000er-Körnung. Je glatter die Oberfläche, desto besser die Aerodynamik. Allein am Rumpf schleift er 150 Stunden.

Alles in allem stecken weit mehr als 1000 Arbeitsstunden, anders gesagt: ein Mannjahr, in so einem Flugzeug. Die Akribie hat ihren Preis: An die 100.000 Euro kostet ein flugfertiges Einsteigergerät. Wer Hochleistung und Extras will, zahlt um 300.000 Euro.

Auch Segelflug wird "motorisiert"

Wie leistungsfähig Segelflugzeuge sind, zeigen die Rekorde: So kamen die Segelflieger schon 15.447 Meter hoch, 3009 Kilometer weit, waren 306 km/h schnell und hielten sich im Dauerflug mehr als 56 Stunden in der Luft.

Klaus Ohlmann ist einer dieser Hochleistungspiloten. Fürs Segelfliegen hat er gar seinen Job an den Nagel gehängt: "Ich verdiene vielleicht ein Fünftel des Einkommens, das ich als Zahnarzt hatte. Egal, die Faszination überwiegt."

Doch Spaß ist nicht alles, Forschung und Entwicklung sind seit Beginn ein wichtiger Antrieb. Selbst für die Verkehrsfliegerei sind die lautlosen Flieger Vorbild. "Wir sind der kommerziellen Luftfahrt immer 20 Jahre voraus", sagt Tilo Holighaus. Dazu zählt etwa der Einsatz von Kohlefaser, der bei Boeing und Airbus gerade erst beginnt.

Trotz aller Höchstleistungen wird auch der Segelflug zunehmend motorisiert. Sogenannte Heimweghilfen ermöglichen lange Flüge, ohne Angst haben zu müssen, auf Grund mangelnder Thermik vorzeitig landen zu müssen.

Elektromotoren übernehmen diese Rolle. "Die Symbiose ist äußerst glücklich", sagt Holighaus und erzählt von einem Kunden der sich gleich noch eine Windkraftanlage zum Laden der Akkus gekauft hat.

Tatsächlich bringen diese Antriebe dem Piloten noch mehr Freiheit: Sie können teils sogar eigenständig Starten und brauchen keine Schleppflugzeuge oder Winden mehr, um nach oben zu kommen. Für Holighaus ist das schlicht Evolution: "Wir nutzen die Naturkräfte intelligent."

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