Süddeutsche Zeitung

Seenotrettungskreuzer "John T. Essberger":Die letzte Reise

Nach 36 Jahren Einsatz in der Ostsee ist der Seenotrettungskreuzer "John T. Essberger" unterwegs nach Speyer, um dort zum Technik-Denkmal zu werden.

Tobias Opitz

Auf den ersten Blick scheint an Bord der John T. Essberger alles wie immer zu sein. Dienst auf der Brücke und in der Maschine, das Radar und das Fahrwasser im Auge behalten, Wachwechsel im gewohnten Rhythmus.

Tatsächlich aber ist dieser Törn des 44,20 Meter langen Seenotrettungskreuzers aus der Flotte der Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS) seine allerletzte Reise.

Denn das Spezialschiff ist in diesen Tagen mit Kurs Speyer auf dem Rhein unterwegs, um zukünftig und hoch auf dem Trockenen die Schifffahrtsabteilung im dortigen Technik-Museum zu bereichern. Für Vormann Sven-Eric Carl und seine Crew eine Reise, bei der "man zwischendurch doch mal schlucken muss".

Gebaut wurde das Schiff, das seinerzeit das erste der 44-Meter-Klasse der DGzRS war, auf der Schweers-Werft in Bardenfleth (Unterweser). Und lange vor der Taufe am 26. April 1975 durch Taufpatin Liselotte Rantzau-Essberger sorgte der Neubau bereits für Schlagzeilen - die Zeitungen entlang der deutschen Küste berichteten ausführlich über den "größten, schnellsten und modernsten Seenotkreuzer der Welt".

Mächtige 7200 PS, verteilt auf drei Motoren im Maschinenraum sorgten für 26 Knoten (rund 48 km/h), die Ausrüstung des 8,05 Meter breiten Schiffes inklusive vollständig ausgerüstetem Bordhospital, Feuerlöschpumpen, Atemschutz und Tochterboot erwiesen sich seinerzeit als wegweisend für den Bau von Seenotrettungskreuzern.

Stationiert wurde die John T. Essberger im Juli 1975 in der Ostsee - neben dem regulären festen Liegeplatz im Hafen von Grossenbrode an der äußersten Spitze der Lübecker Bucht, besetzte das Schiff bis zu seiner Außerdienststellung vor wenigen Wochen auch eine feste Seeposition vor Burgstaaken. So deckte der Kreuzer das Seegebiet rund um die Insel Fehmarn sowie die westlichen Bereiche der Ostsee bis Bornholm ab.

In den 36 Jahren - kein anderes DGzRS-Schiff war bisher so lange auf nur einer Station - fuhr der Rettungskreuzer um die 2000 Einsätze und absolvierte 4500 Kontrollfahrten, zu denen die routinemäßige Beobachtung des Reviers ebenso gehört wie zum Beispiel Krankentransporte. Und: Mehr als 1100 Menschen verdanken der John T. Essberger und ihren Besatzungen durch die Rettung aus unmittelbarer Gefahr auf See ihr Leben.

In den letzten Jahren dann nagte trotz stetiger Überarbeitung und einer Generalüberholung im Jahr 2000 unübersehbar der Zahn der Zeit. "36 Jahre im Dauereinsatz unter oft härtesten Bedingungen gehen auch an einem solchen Schiff nicht spurlos vorbei", sagt DGzRS-Sprecher Christian Stipeldey, "irgendwann standen notwendige Neuerungen und Reparaturen in keinem Verhältnis mehr zur Einsatztauglichkeit."

Für die DGzRS vor allem auch deshalb ein zentrales Argument dafür, die John T. Essberger aufs Altenteil zu schicken, weil sich die deutschen Seenotretter, die modernste Organisation dieser Art weltweit, ausschließlich aus privaten Spenden finanziert. Und so kam es zwischen der DGzRS und dem Technik-Museum Speyer zu einem Schenkungsvertrag, der das außergewöhnliche Schiff am 10. Mai dieses Jahres "mit allen Rechten und Pflichten" in den Besitz des Museums übergehen ließ.

Jetzt ist die John T. Essberger unter der Flagge des Museums auf dem Weg ins Binnenland. Nach einem letzten Besuch bei Hamburger Hafengeburtstag und der Reise über die Nordsee ins Rheindelta bei Rotterdam, wird sie dem Terminplan folgend an diesem Dienstag im Duisburger Hafen erwartet. Ein Weg, den das Schiff unter Vormann Sven-Eric Carl noch auf eigenem Kiel zurücklegt.

In Duisburg schließlich wird der ausgemusterte Seenotrettungskreuzer auf einen Lastenponton verladen werden, um dann vom kommenden Samstag an rheinaufwärts Richtung Speyer geschleppt zu werden.

Sollten die Wasserstände des Flusses und andere Unwägbarkeiten zu keinen Problemen führen, wird die John T. Essberger am 26. Mai im Naturhafen Speyer erwartet - von dort aus stemmt dann am 28. Mai ein Schwertransport die letzten Meter über Land ins nahe Technik-Museum.

An Bord des Schiffes, das komplett ausgerüstet zum Publikumsmagnet werden soll, wird es dann auch Ausstellungen und Informationsveranstaltungen über die Arbeit der DGzRS geben. Christian Stipeldey: "Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit, uns auch tief im Binnenland vorzustellen."

Den Weg der John T. Essberger nach Speyer und die aktuellen Positionen kann man unter www.kurs-speyer.de per Live-Tracking und einer Webcam an Bord des Schiffes in Echtzeit verfolgen.

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Quelle:
SZ vom 16.05.2011/gf
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