Schon gefahren:Schweres Erbe

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Außen und innen größer: Der neue Tiguan wirkt erwachsener. (Foto: Hersteller)

Der neue VW Tiguan muss sich jetzt gegen harte Konkurrenz wehren. Das Zeug dazu hat das kompakte SUV aus Wolfsburg. Es ist außen und innen größer, wirkt erwachsener.

Von Michael Specht

2,8 Millionen Tiguan hat VW in acht Jahren verkauft, das ist beachtlich viel für ein kompaktes SUV. Das Potenzial, ein Bestseller zu bleiben, hat gewiss auch die neue Generation, wie unsere erste Testfahrt offenbarte. Dennoch: Es ist ein schweres Erbe, denn die Konkurrenz ist in den letzten Jahren erheblich härter geworden. "Fast 30 Mitbewerber tummeln sich in diesem Segment", sagt Thomas Treptow, Leiter des Produktmarketings. So gut wie alle nennenswerten Marken sind vertreten.

Der Tiguan ist eine komplette Neukonstruktion. Wie viele andere Modelle von Volkswagen baut er auf der modularen Architektur MQB auf. Damit übernimmt er Vorteile wie ein geringeres Gewicht und eine bessere Raumausnutzung. Besonders im Fond spüren Passagiere die größere Beinfreiheit. Zudem lassen sich die Rücksitze nun 18 Zentimeter längs verschieben, was den Kofferraum von 520 auf 615 Liter vergrößert, ein Plus von 95 Litern. Die Lehnen können senkrecht gestellt und erstmals per Fernentriegelung vom Gepäckraum aus nach vorne gekippt werden, liegen dann allerdings nicht vollständig flach. Maximal schluckt der Tiguan jetzt 1655 Liter Gepäck. Wer gegen Aufpreis noch die umklappbare Beifahrersitzlehne bestellt, kriegt sogar gut 2,50 Meter lange Regalbretter trocken nach Hause. Die Ladekante senkten die Entwickler um einige Zentimeter ab, sie hat jetzt eine Höhe von 722 Millimetern. Zudem kann die Heckklappe per Fußschwenk geöffnet werden. Wichtig für Pferdehalter und Bootsbesitzer: Als einziger seiner Klasse darf der Tiguan 2,5 Tonnen ziehen.

Das Cockpit zeigt sich in typischer VW-Anmutung, übersichtlich, funktional, sauber verarbeitet und qualitativ hochwertig. Allerdings gilt dies nur für den oberen Teil des Armaturenbrettes. Als Türverkleidung und an der Mittelkonsole abwärts trübt Hartplastik das ansonsten ansprechende Ambiente. Nach dem Passat ist der Tiguan das zweite Modell, das sich gegen Aufpreis mit einem Head-up-Display sowie mit virtuellen und umschaltbaren Instrumenten ausrüsten lässt und was man im Alltag schnell nicht mehr missen möchte.

Gegenüber seinem Vorgänger ist der Tiguan um sechs Zentimeter auf 4,49 Meter gewachsen. Auch breiter ist er geworden, wenn auch nur um drei Zentimeter, was im engen Stadtverkehr und im Parkhaus allerdings ein wenig mehr Konzentration erfordert. Kein Wunder, dass VW ein Kamerasystem zur Rundum-Überwachung anbietet. Es hilft auch im Gelände enorm, sollte es den Tiguan mal wirklich dorthin ziehen. Größere Steine und andere Hindernisse lassen sich jedenfalls gut erkennen.

Zum Marktstart am 25. April hat der Kunde die Auswahl zwischen vorerst zwei Motoren. Im Laufe des Jahres sollen es einmal acht werden, vier Diesel und vier Benziner. Deren Leistungsspektrum reicht von 115 bis 240 PS. 2018 soll noch ein Plug-in-Hybrid (GTE) hinzukommen. Einen kompletten E-Antrieb wird es nicht geben.

Fahren konnten wir den bewährten Zweiliter-TDI mit 150 PS, den es mit manuellem Sechsgang- oder mit Siebengang-Doppelkupplungsgetriebe gibt, sowie den Zweiliter-Benziner TSI mit 180 PS. Letzterer ist außerhalb Europas der meistverkaufte Motor. Beide Aggregate harmonieren gut mit dem Tiguan, entwickeln früh ihr Drehmoment und lassen eine entspannte Fahrweise zu. Dies ermöglicht auch, in etwa den Normverbrauch zu erreichen, den Volkswagen beim TSI mit 7,3 Liter und beim TDI mit DSG mit 5,6 Liter angibt.

Natürlich lässt sich der Tiguan aufgrund der modularen Konzern-Architektur - sie gilt ebenso für die Elektronik - mit einer Fülle von Assistenzsystemen ausrüsten, unter anderem mit einem Staupiloten, der einem das nervige Anhalten und Anfahren abnimmt und dem Vordermann selbständig folgt. Ebenso sinnvoll ist die Verkehrszeichenerkennung. Auch beim Thema Konnektivität - manche, vor allem jüngere Kunden legen darauf gesteigerten Wert - haben die Tiguan-Entwickler vorgesorgt. Nahezu jedes Smartphone lässt sich über iOS, Android oder Mirrorlink mit dem Bordsystem vernetzen. Zudem gibt es einen Wlan-Hotspot, diverse Apps und eine induktive Ladestation fürs Handy.

Preislich steigt man in den Tiguan mit 30 025 Euro ein. Allrad kostet 2000 Euro mehr, das DSG ist nochmals 1900 Euro teurer. Das Auto unter 40 000 Euro zu halten, dürfte nur Sparfüchsen gelingen, denn sehr viele Optionen funktionieren nach dem "Wenn-dann-Prinzip". Wenn Offroad-Paket, dann auch Nebelscheinwerfer und Abbiegelicht. Wenn Geschwindigkeitsregelanlage, dann auch Multifunktionslenkrad, um nur zwei Beispiele zu nennen. Auch die Farbstrategie dürfte beim Kunden keinen Jubel auslösen. Lediglich ein grauer Tiguan ist ohne Aufpreis zu haben. Alle anderen Farben kosten extra, selbst Weiß.

© SZ vom 23.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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