Schönheitswettbewerb für Motorräder:Opel stiehlt allen die Schau

BMW-Motorrad beim Concorso d´Eleganza Villa D´Este

Ausrichter BMW zeigt beim Concorso d´Eleganza Villa D´Este natürlich auch eigene historische Motorräder.

(Foto: UWE FISCHER; BMW)

Der Concorso d'Eleganza in Como ist berühmt als Parade exklusiver Autos. Doch das Zusammentreffen der historischen Zweiräder ist nicht weniger sehenswert. Über fast jedes Motorrad lassen sich Geschichten erzählen.

Von Eckhard Schimpf

Gemächlich tuckert unser Boot auf dem Comer See dahin. Die Bugwelle trägt Frische und den Duft von Tang heran. Im Dunst der Morgensonne gewinnt am Ufer die Villa Erba an Kontur. Mit seitlichem Turm, gelben Markisen, Steinfiguren und einem kleinen Hafen. All das umrahmt von jahrhundertealten Platanen, Pinien, Blutbuchen. Der Seeweg ist die wohl reizvollste Art, sich der Villa Erba zu nähern. Sie war einst Sommersitz der Familie Visconti, heute dient das riesige Areal kulturellen Ereignissen. Auch der Concorso d'Eleganza gehört dazu.

Das Stichwort bedarf indes der Erläuterung. Seit 1929 ist das benachbarte Hotel Villa d'Este Austragungsort einer grandiosen Gala für Automobile, für Teilnehmer und Gäste gleichermaßen exklusiv: Man muss dazu eingeladen werden. Am Tag danach sind die gleichen Autos auch auf den Rasenflächen der Villa Erba zu sehen. Dann ist die Raritäten-Show öffentlich. 8000 Besucher strömten diesmal herbei. Doch im Blickpunkt dieses Sonntags stand der Wettbewerb für herrliche alte Motorräder. Die Autos boten nun nur noch den Rahmen, einen königlichen allerdings.

Niemand kann von diesem Ort erzählen, ohne die Vergangenheit zu streifen. Hier verlebte Luchino Visconti, einer der bedeutendsten Filmregisseure der Welt, seine Kindheit und viele Sommer seiner späteren Jahre mit seinem Lebensgefährten, dem Schauspieler Helmut Berger. Visconti (1906 - 1976) war der Sohn eines Herzogs und der Erbin aus der Industriellenfamilie Erba. Daher auch der Name der Villa. Visconti-Filme wie "Der Leopard", "Ludwig II", und "Die Verdammten" gelten bis heute als herausragende Kunstwerke.

Eine 500er von Opel? Die gab es. Erst im Jahr 1930 stellte man in Rüsselsheim den Motorradbau ein

Ob er, der Gesellschaftskritiker, sich diese Szenerie hätte ausmalen können? Heute flanieren hier Tausende Eis schleckend über die Rasenflächen, sie sonnen sich in roten Liegestühlen, umlagern die Autos und strecken ihre Handykameras den alten Motorrädern entgegen, die über den roten Teppich knattern.

Auch Motorräder bieten ein Spiegelbild für den steten Wechsel in unserem Leben. Noch vor sechs Jahrzehnten, Anfang der Fünfzigerjahre, rollten Millionen und Abermillionen Zweiräder über unsere Straßen. Dann, mit steigenden Einkommen, wandten sich die Menschen den Autos zu. Das Motorrad, diese anspruchslose Art der Fortbewegung, schien zu verschwinden. Freilich nicht ganz. Motorräder verwandelten sich vom simplen Transportmobil zum hochklassigen Freizeit- und Sportgerät.

"Best of Show" für eine Opel

Opel Motoclub Super Sport 500 ccm von 1928

Eine Opel Motoclub hat beim Concorso d´Eleganza Villa d´Este 2014 den Titel "Best of Show" gewonnen.

(Foto: Adam Opel AG)

Das hatte Folgen. Von den 100 Motorradmarken, die in Deutschland einmal existierten, darunter Adler, DKW, NSU, Horex oder Zündapp - überlebte nur eine: BMW. Dass auch Opel früher Motorräder baute, ist heute kaum noch bekannt. Und eine 500er-Einzylinder vom Typ Motoclub mit Seitenwagen errang nun in Como für ihren Besitzer Matthias Kühn den Titel "Best of Show".

Dieses Rüsselsheimer Dreirad von 1929 glitzerte makellos wie aus einem Juwelierladen. Silbergrau mit roten Reifen, roten Sitzen, roten Streifen auf dem Beiwagen. Es gab die Motoclub als Tourenversion (seitengesteuert) und als Sportvariante mit 22 PS (kopfgesteuert). Das Fahrwerk hatte Ernst Neumann-Neander für die Firma Diamant konstruiert, doch die Opel-Brüder Carl, Wilhelm, Heinrich, Fritz und Ludwig kauften ihm die Rechte ab. Opel stattete die Motoclub zu Versuchszwecken sogar einmal mit Raketen aus. Das brachte Schlagzeilen, doch den Verkaufserfolg der Motoclub vermochte das nicht zu steigern. Opel stellte 1930 den Motorradbau ein, den die Firma seit 1901 betrieben hatte.

In fünf Kategorien stellten sich Motorräder in diesem Jahr in Como der Jury, wobei jeweils ein bestimmtes Motto den Zeitraum prägen sollte. Wie "Der große Gatsby". Jeder kennt den Roman und Kino-Hit des Autors Scott Fitzgerald, der damit ein Porträt der "Roaring Twenties" in New York lieferte.

Wie Gatsby auf Long Island

Nicht schwierig, sich vorzustellen, wie Millionär Gatsby, stilsicher gekleidet, auf einer roten Indian oder einer olivgrünen Harley zur Pool-Party seiner Villa auf Long Island braust. Oder? Nicht ganz. Wenn, dann hätte Gatsby auf einer Henderson gesessen. Die war damals angesagt in den USA. Eine solche Henderson-Vierzylinder siegte jetzt in der Gatsby-Klasse. Henderson? Ja, der deutsche Einwanderer Ignaz Schwinn betrieb seit 1907 eine florierende Motorradfabrik in Chicago. Besonders begehrt war seine Excelsior. 1918 kaufte er den Brüdern William und Tom Henderson ihre fabelhafte Vierzylinder-Konstruktion ab und baute sie bis 1931.

In der Klasse "Eleganz der Seitenwagen", die durch originelle Konstruktionen wie eine cremefarbene Royal Enfield mit zweisitzigem Beiwagen und Dach begeisterte, gewann ein in Willisau bei Luzern entstandenes Universal-Gespann von 1933. Die Klasse "Erste Schritte aus Japan" erinnerte daran, dass in den Fünfzigerjahren die ersten Motorräder aus Japan auftauchten und ruck-zuck den Weltmarkt überschwemmten. Honda, Suzuki, Kawasaki und der ehemalige Orgelbauer Yamaha, dessen 1959er-YDS-1 hier in Como Klassensieger wurde.

Jede Maschine wäre eine Geschichte wert

Die Kategorie "Six Days in den Sechzigern" ehrte speziell die italienischen Offroad-Bikes jener Epoche. Gegen MV Agusta, Gilera, Laverda, Moto Guzzi siegte eine Moto Morini Corsaro Regolarita. Dann gab es ein weiteres Segment namens "Top in ihrer Klasse". Eine blitzsaubere Zweizylinder-Rumi, eine Rennmaschine mit quittegelbem Tank, reizte zwar die Fotografen über alle Maßen, aber der Sieg fiel an eine 3 PS starke Wanderer von 1913 mit V-Motor und Riemenfelge. Ein phantastisches Original. Wer weiß übrigens noch, dass Wanderer 1929 an den tschechischen Waffenfabrikanten Janecek verkauft wurde? Dieser nannte die nun gebauten Motorräder Jawa - eine Kombination aus beiden Namen.

So gut wie jede dieser vielen reizvollen Maschinen im Park der Villa Erba wäre eine Geschichte wert. Da steht Ernst Hennes Rekord-Maschine von 1937, silbern lackiert, voll verkleidet, mit langem Fischschwanz aus Aluminium. Fast 280 km/h fuhr Henne damit. Allein darüber wäre viel zu erzählen. Ebenso über die Brough Superior SS 100. "Rolls Royce der Motorräder" wurde sie zu ihrer Zeit genannt.

Unsterblichkeit gewann der Name Brough durch Colonel T. E. Lawrence, besser bekannt als "Lawrence von Arabien". Sieben Brough-Maschinen besaß der Brite. Mit der achten verunglückte der 46-Jährige Geheimagent 1935 auf einer Landstraße tödlich.

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