Schnellzüge in Japan:Immer der Nase nach

Japans Magnetschwebezug Maglev.

Aerodynamisch ausgefeilt: Die spitze Nase sorgt dafür, dass es bei der Einfahrt in einen Tunnel nicht so laut knallt.

(Foto: Jiji Press/AFP)
  • Japan ist stolz auf seine Schnellzüge. Sie sind sicher, umweltfreundlich und immer pünktlich.
  • Jetzt hat die neue Magnetschwebebahn Maglev einen neuen Geschwindigkeitsrekord für Züge aufgestellt: 603 km/h.
  • Von 2027 an soll diese Bahn zwischen Tokio und Nagoya verkehren und für die 350 Kilometer lange Strecke gerade einmal 40 Minuten brauchen.
  • Die Kosten für das Projekt sind enorm, aber sie könnten sich lohnen. Auch deshalb, weil Japan die Bahn exportieren möchte.

Von Johannes Boie

Anderen Völkern fällt nicht immer Gutes zu Deutschland ein, aber wenn, dann dies: Präzision, Geschwindigkeit, Pünktlichkeit. Außenstehende Beobachter halten Deutschland in diesen Disziplinen für unschlagbar. Bleibt für Deutschland zu hoffen, dass diese Menschen nie nach Japan reisen und dort mit einem der Hochgeschwindigkeitszüge fahren. Die angeblichen deutschen Tugenden sind hier perfektioniert.

Die Züge werden umgangssprachlich als Shinkansen bezeichnet, ein Name, der eigentlich das für sie entwickelte Schienennetz beschrieb. Sie halten auf den Zentimeter und die Sekunde genau. Sie beschleunigen in der Regel aus dem Bahnhof heraus sofort auf ihre Höchstgeschwindigkeit, die je nach Baureihe zwischen 270 und 320 km/h liegt. Während der Zug losdonnert, betritt ein Steward das Abteil, begrüßt die Fahrgäste, verbeugt sich, kontrolliert die Tickets, und dann kehrt, wie in Japan selbst in überfüllten U-Bahn-Waggons üblich, Ruhe ein. Viele der Hightech-Züge sind auch noch leiser als ein deutscher ICE.

Schneller als mit dem Flugzeug

Und jetzt hat ein neues Magnetschwebe-Modell der Zugfamilie, das derzeit noch getestet wird, eine Geschwindigkeit von 603 km/h erreicht. Das ist ein weltweiter Rekord und 153 km/h schneller, als der schnellste deutsche Magnetschwebezug im Testbetrieb je fuhr. Der Zug mit der Bezeichnung Maglev soll im Jahr 2027 zunächst Tokio mit der südwestlich der Hauptstadt gelegenen Stadt Nagoya verbinden, irgendwann dann wohl auch noch mit Osaka. Für die erste Teilstrecke, die etwa 350 Kilometer lang ist, wird der Zug 40 Minuten benötigen, 20 Minuten weniger als ein Flugzeug. Hinzu kommt, dass Japans Züge in aller Regel direkt in den Stadtzentren losfahren.

Mit dem Geschwindigkeitsrekord erreicht auch die Faszination, die japanische Züge seit dem Beginn des Shinkansen-Programms in den Sechzigern bei Technikfans in der ganzen Welt auslösen, einen neuen Höhepunkt. Der Zug erhält als erster Shinkansen nach dem allerersten Modell aus den Sechzigern wieder die Baureihennummer 0, dieses Mal ergänzt um ein "L" für den Linearmotor der Magnetschwebebahn. Ein neuer Start für "L0" also. Die 15 Meter lange, flache Schnauze des Zuges deutet wie bei seinen älteren Vorgängern bereits die kompromisslose Optimierung für höchste Geschwindigkeit an. Tatsächlich verringert sie vor allem die Lautstärke des Knalls, der entsteht, wenn die Züge sehr schnell in enge Tunnel rasen, weil die Luft weniger schlagartig verdrängt wird.

Alles ist auf Höchstgeschwindigkeit ausgerichtet

Um eine Magnetschwebebahn auf über 600 km/h zu beschleunigen, müssen mehr als nur die Weichen an der Strecke korrekt gestellt sein. Japan, Land der aufgehenden Technik, hat einerseits mit dem frühen Fokus auf Züge mit hohen Geschwindigkeiten, aber auch mit der Privatisierung der Eisenbahn Ende der Achtziger wichtige Voraussetzungen geschaffen. Die schnellen Züge fahren auf baulich vom Rest des Netzes getrennten Gleisen. Gleise, die "durch einen vorherfahrenden Zug noch belegt" sind, gibt es schlicht nicht.

Innerhalb der Bahnhöfe trennen oft Zäune und Scheiben die Passagiere von den Zügen. Bleiben sie geschlossen, kann ein Zug mit Höchstgeschwindigkeit durch ein Provinznest donnern. Auf die Idee, jeden ICE in Montabaur anhalten zu lassen, würden Japaner eher nicht kommen. Nichts kostet mehr Zeit als das Abbremsen eines schnellen Zuges, selbst dann, wenn der Halt nur "a brief stop" ist, wie Passagiere im Shinkansen traditionell per Durchsage zur Eile ermahnt werden.

Hohe Kosten, die sich wohl lohnen werden

Was das alles kostet? Lässt sich wohl noch nicht im Detail beziffern. Schätzungen und Planung aus verschiedenen Jahren gehen von Summen zwischen 30 und 70 Milliarden Euro für die Strecke von Tokio nach Nagoya aus. Das klingt nach viel Geld, aber erstens ist Japan nach wie vor die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt, und zweitens sind die Züge der Shinkansen-Baureihen längst zu wichtigen Exportgütern geworden. Weltweit suchen Staaten nach Alternativen zum schmutzigen Flugzeug und zur überlasteten Straße. Davon profitiert Japan, zumal Nationen wie Deutschland die Magnetschwebetechnik vernachlässigt haben.

In Japan ist man stolz auf die Errungenschaften. Die Züge, die zwischen Kyoto und Tokio malerisch vor dem Fuji entlangrasen, schmücken Postkarten und Poster. Tödliche Unfälle gab es noch nie, selbst bei Erdbeben hat die Sicherheitstechnik stets funktioniert.

Der Zug mit den 603 km/h brach den nur ein paar Tage älteren Rekord um 13 km/h. Der wurde vom selben Zug aufgestellt.

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