Schnellzüge in den USA:Brightline will drei Millionen Autos von der Straße holen

Doch auch anderswo in den USA hat es die Bahn nicht leicht. Der halbstaatliche Amtrak-Konzern verkehrt nur in 46 von 50 Bundesstaaten. Gut ausgebaut ist das Netz vor allem zwischen den Metropolen an der Ostküste. Doch selbst dort stößt das System an seine Grenzen: Anfang Juni wurde die Verbindung zwischen New York und Chicago wegen Reparaturarbeiten auf unbestimmte Zeit gekappt. Die fast 1900 Kilometer lange Strecke gehörte einmal zu den prestigeträchtigsten Routen von Amtrak - heute ist vom einstigen Glanz nicht mehr viel geblieben. Flüge sind oft nicht nur billiger, sondern auch deutlich schneller als der 20-Stunden-Trip mit dem Zug.

Die Brightline-Planer lassen sich von solchen Geschichten nicht unterkriegen. Bis 2021 soll die Linienführung bis Orlando erweitert werden. Sie wäre dann insgesamt 376 Kilometer lang - zu kurz, um zu fliegen, aber lang genug, um das Auto stehen zu lassen. So zumindest die Hoffnung der Geldgeber. "Miami und Orlando sind zwei der meistbesuchten Städte der Welt", sagt Brightline-Sprecherin Ali Soule. "Unser Zug richtet sich nicht nur an Pendler, sondern auch an Urlauber, die mit ihrem Mietwagen nicht länger im Stau stehen wollen." Bis zu drei Millionen Autos könne man mithilfe der Brightline von der Straße holen, sagt Soule.

Bis dahin muss das Unternehmen aber noch viele Hürden nehmen. Mehrere Landkreise und Kommunen schimpfen über das laute Hupen der Züge; einige zogen vor Gericht. Eine Bürgerinitiative will den Ausbau bis Orlando stoppen. Manche Politiker planen, die existierende Zugverbindung komplett einzustellen - der Betrieb sei zu gefährlich, wie die jüngsten Unfälle zeigten. Ganz zu schweigen von den Totalverweigerern, die entweder die Lösung in neuen Autobahnen sehen oder auf komplett andere Verkehrsmittel setzen - etwa die futuristische Hyperloop-Röhre, in der Passagiere im Vakuum reisen würden.

Dass es auch anders geht, zeigt ein Blick in die Geschichte. Nicht nur, dass die USA einen Großteil ihrer Entwicklung der Eisenbahn verdanken. Speziell Florida hätte sich ohne die Schiene nie zu einem Touristen-Ziel entwickelt. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein gab es in der sumpfigen Gegend weder Wasser noch Strom. Erst der Öl-Magnat Henry Flagler brachte den Umschwung. Er investierte Millionen in den Bau einer Eisenbahn, die auf derselben Strecke verkehrte wie die heutige Brightline. Nur dass die damalige Linie bedeutend länger war: 1912 erstreckte sie sich bis nach Key West, einer fast 200 Kilometer vom Festland entfernten Inselgruppe. Die Züge führen über ein Netz von Betonbrücken, eine technische Meisterleistung für die damalige Zeit.

Gekappte Anschlüsse in den Städten

Heute erstreckt sich ein Highway auf der ehemaligen Eisenbahntrasse - der größte Teil der Gleise wurde 1935 in einem Hurrikan zerstört und nie wieder aufgebaut. Ob Florida mit der Brightline an seine Historie anknüpfen kann, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Noch veröffentlicht die Betreiberfirma "All Aboard Florida" weder Passagier- noch Umsatzzahlen.

Der ökologisch orientierte Verkehrsverband "TransitCenter" ist zwiegespalten. "Die Nachfrage nach nationalen Inter-City-Verbindungen ist groß", sagt Verbandssprecher Jon Orcutt. "2017 hatten wir beinahe einen Passagierrekord, obwohl Amtrak unterfinanziert ist und sich viele Zugstrecken mit anderen Anbietern teilt." Der Bedarf sei durchaus da, aber in Florida komme ein anderes Problem hinzu: "In vielen Städten ist der öffentliche Nahverkehr in einem wirklich schlechten Zustand und verliert deshalb viele Passagiere", so Orcutt. "Der Anschluss an die Innenstädte, der eigentlich für die Brightline spricht, ist deshalb nicht wirklich attraktiv."

Doch auch für dieses Problem haben die Brightline-Planer eine Lösung. Vor den neuen Bahnhofsgebäuden stehen nicht nur Leih-Fahrräder, sondern auch Schilder, die aufs gegenüberliegende Parkhaus mit Carsharing-Fahrzeugen zeigen. Das Auto gehört in Florida einfach dazu, ob man nun will oder nicht. Auch im Flagler-Museum, das die Geschichte der Eisenbahn zelebriert, ist das zu spüren. Das Museum liege besonders verkehrsgünstig, wird Anrufern versichert - direkt am I-95.

Korrektur: In einer früheren Version dieses Artikels haben wir das Betreiberunternehmen von "Brightline" als "All Aboard America" bezeichnet. Das ist falsch. Das Busunternehmen "All Aboard America!" hat nichts mit Brightline zu tun. Betreiberfirma ist "All Aboard Florida".

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