Schiffumbau:Das schweißt zusammen

Weil sie noch viel mehr Betten auf See brauchen, vergrößern und modernisieren viele Kreuzfahrtreedereien ihre Schiffe.

Frank Behling

Wenn es eine Branche gab, die von der Wirtschaftskrise profitiert hat, dann war es die der Schiffsabwracker. Die Strände in Indien, Pakistan und der Türkei sind seit der Wirtschaftskrise voll mit Containerschiffen, Tankern und Massengutfrachtern. Nur einen Schiffstyp bekommen die Abwracker kaum unter die Schneidbrenner: Kreuzfahrtschiffe.

Die Kreuzfahrt und die Containerschifffahrt hatten dabei über Jahrzehnte eines gemein: Zweistellige Wachstumsraten prägten den Kurs. Mit der Krise brach der Markt für Containerschiffe 2008 aber stark ein. Die Folge war ein Ansturm auf die Abwrackwerften. Die alten Schiffe mussten vom Markt und Platz für neue Schiffe machen. Selbst gerade erst 20 Jahre alte, voll intakte Frachter endeten in den Hochöfen der Stahlkocher.

Die Krise hat die Kreuzfahrt zwar auch getroffen, doch die Folgen sind andere. Von Verschrottung spricht in der Branche niemand. Ganz im Gegenteil. Von Umbau ist die Rede. Das Alter eines Schiffes schreckt Passagiere weniger. Deutschlands Marktführer Aida wächst rasant durch die Neubauten von Schiffen. Komfortablere Kabinen, mehr Angebot und modernstes Entertainment bieten die modernen Schiffe der Reederei, die seit 2007 auf der Meyer Werft gebaut werden.

Eigentlich müsste es da für die 1996 gebaute Aidacara schlecht aussehen. Die 193 Meter lange Ur-Aida ist zudem das kleinste Schiff der Flotte. "Aber unsere Passagiere lieben dieses Schiff einfach. Es hat sogar eine eigene Fangemeinde, die regelmäßig an Bord kommt", sagt Kapitän Thomas Mey.

Folge: Die Rostocker Reederei investiert Jahr für Jahr Millionen in den Unterhalt und die Modernisierung des Schiffes. Das reicht von der Verlängerung - durchtrennen, einschieben, zuschweißen - bis hin zum Einbau neuer Kabinen. "Die Passagiere danken uns das aber auch. In diesem Sommer waren wir immer ausgebucht", sagt Mey, der seit 40 Jahren zur See fährt und zu den ersten Offizieren bei der Gründung der Aida-Flotte gehörte.

"Nach dem Alter eines Schiffes frage nie jemand, das sei wie bei einer Frau", sagt Florian Herzfeld. Der Kreuzfahrtdirektor fährt seit Jahren auf der Vistamar. Einem 21 Jahre alten Schiff des Bremer Veranstalters Plantours & Partner. Als er seinen Gästen sagen musste, dass die Vistamar die Flotte 2012 verlassen muss und durch die größere Hamburg abgelöst wird, seien viele traurig gewesen. Im Fall der Vistamar konnten selbst Havarien und Motorschäden die Gäste nicht vergraulen.

Die Verschrottung eines Kreuzfahrtschiffes ist der letzte Weg

Obwohl die Zahl der Kreuzfahrtschiffe in den vergangenen Jahren stark gestiegen ist, gibt es immer noch zu wenig Betten auf den Meeren, so heißt es in der Branche. Eine Bewertung, in der sich Pierluigi Foschi und Pierfrancesco Vago einig sind. "Der Bedarf an Kreuzfahrten ist besonders in Europa weiterhin groß", sagt Vago, Chef der italienisch-schweizerischen Reederei MSC. Sein Konkurrent Foschi trennt sich ebenfalls nur ungern von alten Schiffen. "Wir brauchen jedes Schiff", sagte Foschi im Sommer anlässlich der Taufe des Neubaus Costa Favolosa.

Nur die 41 Jahre alte Costa Marina wird im kommenden Jahr die Costa-Flotte verlassen. Maschinen und Technik sind verbraucht. Ob die Costa Marina aber verschrottet wird, ist noch unklar. Schon melden sich Interessenten aus Asien, die für das Schiff in China noch Perspektive sehen.

Die Verschrottung ist bei einem Kreuzfahrtschiff wirklich der letzte Weg. Nur zwei Kreuzfahrtschiffe wurden 2010 zur Verschrottung verkauft. Die Oldtimer Saga Rose und Flamenco I mit zusammen 1600 Passagierbetten mussten nach 45 beziehungsweise 38 Dienstjahren den letzten Weg zum Abbrecher antreten.

Dieses Tempo wird sich ändern. "Unsere Gruppe benötigt im Schnitt pro Jahr in Zukunft zwei bis drei neue Schiffe", sagt Mickey Arison, Vorstand der mächtigen Carnival Cruise Corporation. 101 Traumschiffe umfasst sein Imperium. Unter der Flagge fahren neben Carnival Cruise Line auch Marken wie Aida, Costa, Cunard, P&O und Holland America Line. Zeitweise war Arison der wichtigste Auftraggeber bei Fincantieri. Seine Schiffe sicherten fast 20.000 Arbeitsplätze und lasteten damit die Werften in Monfalcona, Marghera, Genua und Palermo aus. Jetzt bangen viele Fincantieri-Mitarbeiter um ihre Jobs.

Ganz anders die Situation der Werften, die sich auf den Umbau von Kreuzfahrtschiffen spezialisiert haben. Fast eine Milliarde Dollar, umgerechnet mehr als 70 Millionen Euro, haben Arisons Reedereien allein seit Jahresbeginn in die Modernisierung älterer Schiffe investiert.

Die erste "Aida" hat eine eigene Fangemeinde

Allen voran die Carnival Cruise Line. Sie startete im Oktober ein 500-Millionen-Dollar-Programm. Bis 2015 sollen die 14 älteren Schiffe der Reederei modernisiert werden. Den Anfang macht die Carnival Liberty im Oktober. Der Zeitpunkt kommt exakt 15 Jahre nach der Indienststellung des ersten Mega-Liners. Am 23. Oktober 1996 wurde die Carnival Destiny von Fincantieri als erstes Kreuzfahrtschiff der Welt überhaupt mit einer Vermessung von mehr als 100.000 BRZ in Dienst gestellt.

Damit liegt Carnival genau im Kurs der Schwesterreedereien Costa, Holland America Line und Aida Cruises. Costa schickt die 1993 gebaute Costa Romantica in diesem Winter für ein 90-Millionen-Euro-Lifting in Genua ins Dock. Als Neo Romantica soll sie zur Saison 2012 wieder aufkreuzen. "Das Schiff wird nach dem Umbau eine neue Zielgruppe ansprechen", sagt Heiko Jensen, Geschäftsführer der Reederei Costa, "speziell Paare ohne Kinder - eine Marktlücke." Die 1991 gebaute Costa Classica soll später folgen.

"Der Markt für Reparaturen und Umbauten ist für die deutschen Werften wichtig. Hier sind sie auch stark, da sie Qualität und Termintreue bieten", sagt Werner Lundt, Geschäftsführer des Verbandes für Schiffbau und Meerestechnik in Hamburg. Mit Blohm + Voss in Hamburg und der Lloyd Werft in Bremerhaven gebe es zwei führende Unternehmen auf dem Reparaturmarkt für Kreuzfahrtschiffe, so Lundt weiter.

In der Lloyd Werft waren zuletzt die beiden 15 Jahre alten Schiffe Galaxy und Century für je 50 Millionen Euro zu den Tui-Wohlfühlschiffen Mein Schiff 1 und Mein Schiff 2 umgebaut worden. Bei Blohm + Voss wurden zuvor für die norwegische Fred-Olsen-Reederei zwei Kreuzfahrtschiffe verlängert. Und auch die Queen Mary 2 ist regelmäßig in Hamburg im Dock.

Der Boom der Umbauer löst unter den Abwrackern keine Verunsicherung aus. Im größten europäischen Abwrackzentrum in Aliaga an der türkischen Ägäisküste kamen seit Januar Schiffe mit einem Gesamtgewicht von 390.000 Tonnen unter die Schneidbrenner - ein Rekord, so viel wie noch nie seit 30 Jahren.

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