Schiffsmesse "boot 2011":Auf zu neuen Ufern

Nach der Krise zeigt die Branche auf der "boot 2011" wieder Zuversicht: Deutlich mehr Innovationsfreude als im Vorjahr.

Tobias Opitz

Eigentlich ist es der Platz für die nicht zwingend Schönen, aber immer Reichen - die Halle 6 auf dem Messegelände in Düsseldorf, unter deren Dach sich in jedem Jahr zur "boot" die Superyachten versammeln und zuverlässig für werbeträchtige Superlativen gut sind. Aber die, die das Geld zum Beispiel für die 27 Meter lange Sunseeker 88 haben, immerhin 4,7 Millionen Euro, sieht man kaum. Nur ab und an ein erkennbar über Jahre von der Cote d'Azur verwöhnter Teint, hie und da ein dunkelblauer Zweireiher mit goldenen Knöpfen oder ein Designerkleid, aus dem heraus russisch gesprochen wird.

Man bleibt lieber unter sich und plaudert in den teuer verhängten Lounges, während sich auf den Gängen die Schaulustigen drängeln. Einmal ganz aus der Nähe bewundern, was dennoch so weit entfernt bleibt, dass es nicht einmal zu einem Traum werden kann.

Mehr als 240.000 Besucher kamen zur boot 2011, die am gestrigen Sonntag nach neun Messetagen zu Ende ging und insgesamt 1700 große und kleine Schiffe zeigte. Und es wird wohl nicht einen gegeben haben, den es nicht in die Halle 6 gezogen hat, um Überraschendes zu sehen.

Dabei ist die wahre Überraschung der diesjährigen Internationalen Bootsausstellung eine ganz andere: Nach Jahren der Krise, der Werftschließungen, des Klagens der Branche, herrschte spürbar bessere Laune. Denn die Lage hat sich, so zeigen es die Zahlen des Bundesverbandes Wassersportwirtschaft, nach dem Rückgang der Bootsproduktion im Jahr 2009 um knapp 60 Prozent gegenüber dem Spitzenjahr 2006 deutlich erholt.

So konnte die Bootsproduktion 2010 in Deutschland im Vergleich zum Vorjahr um rund 14 Prozent gesteigert werden; unterm Strich hat sich der Umsatz an maritimen Gütern und Dienstleistungen allein auf dem heimischen Markt 2010 um 4,7 Prozent auf 1,72 Milliarden Euro erhöht.

Und es gab noch eine zweite Überraschung, die nach Ansicht vieler Beobachter die eigentlich noch wichtigere für die Zukunft der Branche sein kann: Ganz offensichtlich haben viele der Werften im In- und Ausland die Krise nicht nur beklagt, sondern dafür genutzt, sich Neues für die Zeit danach einfallen zu lassen.

An Bord vieler Segelyachten sind Innovationen wie Joystick-Steuerungen und vermehrt Anleihen an den Regattasport zu finden, bei den Motorbooten finden sich neben klassischer Technik zunehmend Elektro-, Hybrid- oder Solarantriebe. Und auch das Design geht so manch erkennbar neuen Weg.

Es gibt sie noch, die echten Bootsbauer

Einer der Protagonisten dieser Entwicklung und zugleich eine der Weltpremieren am Düsseldorfer Rheinufer war die Sense 43 der französischen Werft Bénéteau. Die 13,20 Meter lange Segelyacht, die am Wind knapp 87 Quadratmeter Segelfläche trägt und 191.240 Euro kostet, bietet ein wahrhaft riesiges Cockpit, verzichtet auf achterliche Kammern und überrascht mit einem für diese Klasse vergleichsweise riesigen Wohnraum, der von Nauta Design entworfen wurde.

Für Aufsehen sorgte auch die nagelneue Bavaria Cruiser 50, die in der Länge 15,57 Meter misst und serienmäßig über eine große, klappbare Badeplattform verfügt. Die Cruiser 50, für die 247.400 Euro aufgerufen werden, gibt es mit fünf, beziehungsweise vier Kabinen, drei Toilettenräumen und separater Dusche. Für das Frühjahr ist eine weitere Variante mit vier Kabinen, vier Toilettenräumen und seperater Dusche angekündigt.

Viel beachtet wurde auch die Weltpremiere der 15,40 Meter langen Hanse 495 mit einhandtauglichem Deckslayout und serienmäßigem Selbstwendefock. Drinnen, das zeigte der Prototyp, bleibt sich die Greifswalder Werft treu: variables Innenraumkonzept und Loft-Atmosphäre. 236.500 Euro werden als Preis genannt.

Die mit einer Länge von knapp 20 Meter größte Yacht unter Segel war die neue Hallberg-Rassy 64. Was neben der gewohnten Qualität überzeugt: Vom Cockpit aus können alle Segelfunktionen per Knopfdruck gesteuert werden. Das alles hat natürlich seinen Preis: 2,36 Millionen Euro.

Aber es waren nicht nur die großen Werften, die der boot 2011 ein Gesicht gegeben haben. Wer sich die Zeit nahm und auch die stilleren Ecken der lauten Messehallen ergründete, konnte das finden, was im marketinggestählten Getöse der Groß- und Serienwerften schnell untergeht: Bootsbauer mit Händen wie Schmirgelpapier, die ihre Arbeiten jedem gerne dann erklären, wenn sie echtes Interesse und Herzblut in ihrem Gegenüber spüren.

Zu ihnen gehörte, stellvertretend für viele, Ralf Wefers. Seine Segelboote, gebaut in Nettetal am Niederrhein, kombinieren aufs Feinste Tradition und Moderne: Kunststoff für einen pflegeleichten Rumpf, feinst verarbeitetes Teak oder Lärche-Mahagoni für Deck und Innenausbau, klassische Takelagen.

Neue Techniken sind eingezogen

Ein vergleichsweise erschwingliches Vergnügen ist die kleinste Baureihe aus Wefers Werft: das offene, gaffelgetakelte Kielboot RW 16, das am Wind 18 Quadratmeter Segel trägt, segelfertig 27.720 Euro kostet und mit dem man am liebsten sofort ablegen würde. Trotz der vielen anderen großen Segler mit viel mehr Komfort und Technik nebenan - oder gerade deshalb.

Auch bei den Motorbooten zieht langsam neue Technik ein, sicherlich auch ein Tribut an wachsendes Umweltbewusstsein. Besonderes Beispiel dafür und auf grünem Rollrasen präsentiert, war der 14 Meter lange Katamaran SunCat 46. Drinnen eine nobel eingerichtete Yacht, die auch für lange Reisen jeden Komfort bietet. Der Clou ist das mit Solarzellen belegte Dach, von dem aus Sonnenenergie in Batterien eingespeist wird. Von hier aus werden dann zwei jeweils acht kW starke Elektromotoren versorgt.

In der Praxis heißt das: unbegrenzte, emissionsfreie Reichweite bei Sonnenschein; ist der Himmel bedeckt, sind, so verspricht es der Hersteller SunWaterWorld, acht Stunden kein Problem. Und dass das Konzept insgesamt funktioniert, hat der SunCat 46 bereits durch eine Atlantiküberquerung bewiesen. Stolz allerdings ist der Preis für das saubere Schiff, das mit nur sieben Knoten, rund 13 km/h, vor allem bei starker Strömung von vorne nach viel Zeit der Besatzung verlangt: 1,065 Millionen Euro.

Zu denen, die sich schon lange Zeit mit alternativen Bootsantrieben erfolgreich beschäftigen, gehört die österreichische Frauscher-Werft. Und so ist es nur konsequent, dass das elegante und 6,50 Meter lange offene Sportboot 650 Alassio mit neuer Batterietechnik vorgestellt wurde. Statt der traditionellen Blei-Akkus kommen nun optional innovative Lithium-Eisen-Phosphat-Batterien zum Einsatz. Aufgrund der Vorteile dieser Batterie - höhere Reichweite, kürzere Ladezeiten - will Frauscher verstärkt auf die Lithiumtechnik setzen. Die Preise für die Frauscher 650 Alassio beginnen bei 46.620 Euro.

Zu den viel beachteten Messepremieren in den Motorboothallen gehörten auch zwei Neuzugänge bei Hanseyachts und Bavaria Yachtbau. Die Greifswalder Werft stellte die 10,80 Meter lange Fjord Open 36 vor, die von zwei bis zu 300 PS starken Einbaudieseln angetrieben wird. Der Preis: wenigstens 218.365 Euro. Und die Bootsbauer aus dem bayerischen Giebelstadt zeigten erstmals die Sport 43HT - die 13,55 Meter lange Motoryacht wurde zusammen mit der BMW Group Designworks USA entwickelt.

Aber auch die Freunde des klassischen Auftritts kamen auf ihre Kosten. Denn neben den immer wieder schönen, aber im besten Sinne bekannten Schiffen aus den Häusern Linssen, Grand Banks & Co. stellten sich zwei Aussteller mit markantem Angebot dem Publikum. Zum einen Adagio Yachts, ein französisches Unternehmen, das sich der Verfeinerung des Trawler-Themas verschrieben hat. Gezeigt wurde die Adagio Europa 51.5, eine in China gebaute und 15,70 Meter lange Motoryacht. Ein Schiff, das technisch und angesichts der Einrichtung für die lange Reisen gemacht ist. Und auch der Preis kann sich sehen lassen: 606.257 Euro.

Zweiter Blickfang für die Klassik-Freunde war zweifelsfrei die Delfino 65 Classic, präsentiert von der holländischen Werft De Alm Jachtbouwers. 21,55 Meter misst die Stahlyacht, deren Linien die gute alte Zeit des Schiffsbaus - hochgezogener Bug, markantes Steuerhaus - überzeugend fortschreiben. 1,8 Millionen Euro sollte man wenigstens zur Verfügung haben; da sich der Innenausbau ganz nach den Eignerwünschen richtet, ist das nur die Basis.

Am Schlusstag der boot 2011 waren sich dann alle, Beobachter und Publikum, einig: Die Internationale Bootsausstellung in Düsseldorf war in diesem Jahr spannender, vielfältiger und innovativer als in manchem Jahr zuvor. Wenn das das Ergebnis der Krise ist, dann hat sie sich wohl gelohnt.

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