Süddeutsche Zeitung

Schifffahrt:Emissionslos um die Welt im Elektro-Schiff

  • Im April startet die Energy Observer zu einer sechsjährigen Weltumrundung.
  • Der Katamaran ist vollkommen autark und treibt seine beiden Elektromotoren durch Sonnen- und Windenergie an.
  • Zusätzlich gewinnt er als Reserve Wasserstoff aus dem Meer.

Von Felix Reek

Während alle Welt von Elektroautos spricht, dominieren auf See noch immer Schweröl- oder Dieselmotoren, die die Luft Jahr für mit Jahr 20 Millionen Tonnen Schwefeloxid verpesten. Allein die 15 größten Schiffe der Welt produzieren laut dem Naturschutzbund Deutschland NABU so viel Schadstoffe wie 750 Millionen Autos. Trotzdem sind bisher umweltfreundliche Antriebe kaum ein Thema in der Seefahrt.

Die beiden Franzosen Victorien Erussard und Jérôme Delafosse wollen das ändern. Im Laufe des Aprils brechen sie mit ihrem Boot "Energy Obeserver" zur Weltumrundung auf. Das Besondere an ihrem Katamaran: Er nutzt die ihn umgebenden Elemente als Antriebsquelle.

130 Quadratemeter Solarzellen bedecken das etwa 30 Meter lange Schiff und speisen per Sonnenenergie vergleichsweise kleine Batterien, die wiederum zwei Elektromotoren antreiben. Alternativ übernehmen zwei Windturbinen. Zusätzlich dazu produziert die Energy Observer Wasserstoff, der statt herkömmlicher Batterien als Energiespeicher dient. Diese Technologie ist bereits aus dem Automobilbau bekannt, doch im Gegensatz dazu muss der Katamaran nie zur Tankstelle. "Wir werden den Wasserstoff an Bord selbst produzieren, direkt aus dem Ozean. Wir säubern das Wasser, elektrolysieren es und speichern es dann komprimiert in einem Tank", erklärte Delafosse der britischen Ausgabe von Wired.

Drei Jahre brauchten sie für den Umbau

Der Franzose ist Dokumentarfilmer und professioneller Taucher und kaufte zusammen mit seinem Partner Erussard, einem Marineoffizier und Wettkampfsegler, vor einigen Jahren für 500 000 Euro den Katamaran, aus dem die Energy Observer hervorgehen sollte. Sie wollen beweisen, dass sich eine solche Strecke ohne fossile Brennstoffe zurücklegen lässt. Denn auch wenn Elektromotoren keine Abgase ausstoßen, kommt die elektrische Energie zu oft aus fossilen und zu selten aus regenerativen Energiequellen.

Zusammen mit ihrem 50-köpfigen Team bauten sie das ehemalige Wettkampfschiff, das unter anderem 1994 die Jules Verne Trophy für eine Non-Stop-Weltumseglung gewann, in dreijähriger Arbeit um. Auf Deck wurden Solarpanele angebracht und der Rumpf um sechs Meter verlängert.

Das Ergebnis ist ein Schiff, das mit einem Gewicht von 30 Tonnen nur ein Drittel so viel wiegt wie das letzte Solarboot, das die Welt von 2010 bis 2012 in fast 585 Tagen umrundete: die MS Turanor PlanetSolar. Deren Batterien allein wogen etwa elf Tonnen. Die Energy Observer ist leichter - und die Wasserstofftanks können zwanzig Mal so viel Energie speichern wie herkömmliche Batterien.

Dafür wird das Schiff der Franzosen nicht ganz so schnell reisen. Mit einer Geschwindigkeit von acht bis zehn Knoten (15 bis 19 km/h) ist der Katamaran eher gemächlich unterwegs. Zwar könnte die Energy Observer mit ihrer Höchstgeschwindigkeit von 78 km/h die Strecke viel schneller zurücklegen, doch darum geht es Erussard und Delafosse nicht. Sie wollen auf ihrer Weltumrundung, die in Saint-Malo in der Bretagne startet und sie dann über den Atlantik in den Pazifik führt, möglichst viele Häfen anlaufen. 101 in 50 Ländern, um genau zu sein. Darunter Stationen auf Kuba, Goa, in Neu Kaledonien oder an der indischen Westküste. So wollen sie das Potenzial erneuerbarer Energien weltweit präsentieren.

Ein Wasserstofftank in jedem Haus

Denn auch ganz normale Haushalte sollen von der Weltumrundung der beiden Franzosen profitieren. Das CEA Grenoble, ein Forschungszentrum der französischen Kommission für Atomenergie, hat überall auf der Energy Observer Sensoren angebracht. So können aus den gewonnenen Erkenntnissen direkt Rückschlüsse auf das alltägliche Leben gezogen werden. Ein Wasserstofftank könnte zum Beispiel auch in Haushalten Energie liefern. Im Sommer wird der Speicher aufgeladen, im Winter als Reserve genutzt.

Doch bis es soweit ist, werden noch sechs Jahre vergehen. So lange haben Victorien Erussard und Jérôme Delafosse für ihre Weltumrundung eingeplant. In dieser Zeit wollen sie fast täglich von ihrer Reise berichten. An Bord ist ein Kameramann, der alles dokumentiert. So kann jeder das Experiment der beiden verfolgen und erleben, ob Seefahrt auch wirklich ohne Emissionen möglich ist.

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