Süddeutsche Zeitung

Schifffahrt:Dreck ahoi!

Lesezeit: 4 Min.

Ein einziges Kreuzfahrtschiff stößt mehr Schadstoffe aus als Hunderttausende Autos zusammen. Das soll sich nun ändern. Erste Reedereien setzen auf verflüssigtes Erdgas.

Von Angelika Slavik

So ein Schiff ist ja schon ein verdammt beeindruckendes Ding. Da macht es keinen Unterschied, ob es Container nach Südamerika bringt oder Touristen durchs Mittelmeer schippert. Es ist riesig, stolz. Wenn man mal beobachtet hat, wie so ein Riesenfrachter wie die MSC Oscar sich an die Kaikante wuchtet, vergisst man es nie wieder. Und wenn man sieht, wie die Passagiere am Hamburger Kreuzfahrtterminal an der Reling stehen und winken, auch wenn es noch Stunden dauert, bis ihr Schiff ausläuft: Dann denkt man, dass es kein schöneres Bild für Fernweh geben kann als das.

So ein Schiff ist aber halt auch ein verdammt dreckiges Ding. Während Deutschland über Fahrverbote für Dieselautos streitet, blasen Schiffe unfassbare Mengen an Dreck in die Luft, meist ungefiltert. Der Schadstoffausstoß eines einzigen Kreuzfahrtschiffs entspricht ungefähr dem von 400 000 Pkws, mindestens. Umweltschutzorganisationen rechnen anders und setzen die Zahl noch deutlich höher an. Die Abgase sind schlecht für Flora und Fauna, sie sind schlecht für Menschen in den Hafenstädten und für die, die auf den Schiffen mitfahren. Und sie sind schlecht für das Image der Branche. Deshalb soll der Schiffsverkehr sauberer werden. Die Frage ist bloß: wie?

In diesen Tagen wird in der Meyer-Werft in Papenburg die Aida Nova fertiggestellt. Sie wird das erste Kreuzfahrtschiff, das vollständig mit LNG betrieben werden kann, also mit flüssigem Erdgas. LNG gilt derzeit als aussichtsreichste Technologie, wenn es darum geht, die Umweltbilanz des Schiffsverkehrs zu verbessern. Der Weg dahin ist allerdings teuer: Der Bau der Aida Nova kostet fast eine Milliarde US-Dollar. 6600 Passagiere werden auf dem Schiff Platz finden, in dessen Bauch lagern zwei riesige LNG-Tanks - und ein Vorrat an Marinediesel. Es ist rechtlich vorgeschrieben, dass das Schiff auch manövrierfähig sein muss, wenn die Versorgung mit LNG nicht gegeben sein sollte", heißt es beim Kreuzfahrtanbieter Aida Cruises. Die Aida Nova muss also herkömmlichen Treibstoff dabei haben, auch wenn das Schiff tatsächlich ausschließlich mit LNG fahren soll. Eine LNG-Füllung reicht für 14 Tage Normalbetrieb, die ersten geplanten Reisen sind kürzer. Die Routen umfassen zudem nur Häfen, in denen die Versorgung mit LNG gewährleistet ist. Die Aida Nova ist bei der neuen Technologie die Pionierin, andere Reedereien haben ebenfalls LNG-Schiffe bestellt, die nun rund um den Globus gebaut werden.

Der Trend setzt auch die Häfen unter Druck, entsprechende Infrastruktur bereitzustellen. Bislang bieten sieben europäische Städte LNG-Versorgung an, darunter Hamburg, Rotterdam und Barcelona. Palma de Mallorca plant die Einführung eines LNG-Angebots im nächsten Jahr, ebenso wie der wichtige Kreuzfahrthafen Kiel.

Der plötzliche Trend zum LNG-Antrieb habe vor allem mit dem öffentlichen Druck zu tun, sagt Daniel Rieger, Referent bei der Umweltschutzorganisation Nabu. Kreuzfahrten boomen. "Aber die Leute haben keine Lust auf schlechtes Gewissen in den Ferien", sagt Rieger. "Die Tourismusbranche will natürlich nicht riskieren, dass dieses Geschäft ein Imageproblem bekommt." Deshalb versuchen die Anbieter, ihre Schiffe so grün wie möglich zu bekommen - während die Containerreedereien sich Zeit lassen. Der Großteil der Frachtschiffe fährt noch heute nicht einmal mit Marinediesel, sondern mit Schweröl. Auf See, wohlgemerkt. In die Häfen kommen die meisten Schiffe mit schwefelarmen Treibstoffen. Ein Frachter der taiwanischen Reederei Yang Ming hat sich vor ein paar Jahren in Hamburg aber vertan und stellte schon im Hafen den Betrieb auf Schweröl um: Der Ausstoß war so heftig, dass im nahegelegenen Pflegeheim die Feuermelder auslösten. In den Fischrestaurants an der Elbe waren die Speisen plötzlich ungenießbar, weil mit schwarzen Ruß überzogen. Das ist der bittere Alltag auf See. Immerhin, in den nächsten Jahren werden die Emissionsvorgaben für Schiffe schrittweise verschärft.

An der neuen LNG-Technologie gibt es aber auch Kritik. Der Nabu etwa erkennt zwar an, dass LNG die Emission von Luftschadstoffen reduziert, bei Treibhausgasen sei die Bilanz aber deutlich schlechter. Schließlich müsse man die gesamte Lieferkette betrachten: Und da sei bei LNG der sogenannte Methan-Schlupf ein Problem, also jener Anteil, der produktionsbedingt verdampft, und das bei jedem Transportschritt: vom Bohrloch zum Gastanker, vom Lkw zum Schiff. "LNG ist immer noch ein fossiler Kraftstoff", sagt Rieger. "Und mit einem fossilen Brennstoff wird man die Schifffahrt nicht dekarbonisiert kriegen."

Die Zukunft der Seefahrt könnte in der Vergangenheit liegen - dank des Flettner-Rotors

Manche glauben, die Zukunft der Seefahrt liege ohnehin in der Vergangenheit: Schließlich wurden Schiffe jahrhundertelang vom Wind angetrieben. Das finnische Unternehmen Norsepower hat basierend auf dieser Idee den Flettner-Rotor weiterentwickelt. Der Ingenieur Anton Flettner hatte Anfang des 20. Jahrhunderts Erkenntnisse aus der Strömungsforschung genutzt: Wie große Segel aus Metall verändern die Rotoren, die direkt an Deck angebracht werden, die Luftströmung und verringern so den Kraftstoffbedarf. Die Konstruktion setzte sich nicht durch, auch weil sie mühsam zu handhaben und der Ölpreis zu niedrig war. Die Weiterentwicklung aus Finnland aber verwendet moderne Materialien, die die Rotoren gleichzeitig leicht und beweglich machen - und die neuen Umweltschutzauflagen steigern den Bedarf der Branche an kreativen Lösungen.

Kreuzfahrtschiffe, Fähren, Massengutfrachter und Tankschiffe könnten sich für Flettner-Rotoren eignen: also alle, die ausreichend Platz an Deck haben, um die Rotoren aufzustellen. Für Containerschiffe gilt das nicht, denn dort sind an Deck ja dicht an dicht die Container gestapelt. Je nach Schiffsgröße und Windbedingungen sollen Flettner-Rotoren zwischen fünf und 20 Prozent Treibstoffersparnis bringen. Das ist ökologisch sinn- und wirtschaftlich reizvoll: Die Reederei Maersk hat bereits erste Schiffe mit der Technologie ausgestattet.

Der Weg zur besseren Umweltbilanz ist jedenfalls hart, das musste auch die Stadt Hamburg feststellen: Sie baute eigens eine Landstromanlage, um die Schiffe im Hafen elektrisch zu versorgen. Die Technologie ist in Nordamerika weit verbreitet, in Europa aber nicht: Die meisten Schiffe haben keinen Stromanschluss, der zu Hamburgs Anlage passt. Ein einziges Schiff nutzt das Angebot in Hamburg bislang - und das zuletzt an nur neun Tagen im Jahr.

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Quelle:
SZ vom 04.08.2018
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