Scheinwerfertechnik fürs Auto:Zwischen Lichtdesign und Energieverschwendung

Moderne Scheinwerfer reagieren dank Computersteuerung perfekt auf die jeweilige Verkehrssituation. Doch neben dem Sicherheitsaspekt sollen sie Fahrzeuge oft einfach nur verschönern. Diese Energieverschwendung werden sich die Autos der Zukunft wohl nicht leisten können.

Joachim Becker

Glühbirnen hinter Milchglas: Besonders hell waren Autoscheinwerfer früher nicht. Ein schwacher Lichtkegel leuchtete uns im Dunkeln heim. Bei einem Käfer mit 6-Volt-Bordnetz reichten die Laternen gefühlte 20 Meter weit. Im Vergleich zu heutigen Systemen wirken die Oldie-Rundscheinwerfer wie Positionslampen im Nebel. Wie bei Kerzen war auch die Farbtemperatur deutlich ins gelb-rötliche Spektrum verschoben. Aber man war ja schon froh, wenn man überhaupt etwas zu sehen bekam. Denn die Funzeln erwiesen sich als Verschleißteile, die gerne mal durchbrannten - wie man an den vielen einäugigen Autos bei Nacht sehen konnte.

LED, Audi, Licht

Lichttechnik dient nicht nur der Sicherheit, sondern auch der Zierde des Fahrzeuges: Im Bild das geschwungene LED-Tagfahrlicht eines Audi A4.

(Foto: obs)

Entscheidend für die Nachtsicht sind nicht nur die Lichtstärke und -verteilung, sondern auch die Sehgewohnheiten des Menschen. Sehen ist ohnehin Schwerstarbeit: Dabei werden ein Viertel aller Energien verbraucht, die der Körper bereitstellt. Kein Wunder, dass wir nach längerer Zeit hinter dem Steuer müde werden. Untersuchungen zeigen, dass künstliches Licht das Auge umso weniger anstrengt, je ähnlicher es dem Tageslicht ist. LED-Scheinwerfer kommen dem Sonnenschein am nächsten. Zudem liegt die Lebensdauer einer Leuchtdiode mit 10.000 Stunden rund fünfmal höher als die einer Xenonlampe. Dieser Typ der Gasentladungslampe ist schon deutlich langlebiger und heller als herkömmliche Halogenleuchten. Das kommt Autofahrern auf Nachtfahrten zugute, denn das Risiko zu verunglücken ist dann doppelt so groß wie tagsüber.

Würden wir mit herkömmlichen Scheinwerfern tatsächlich auf Sicht fahren, dürften wir kaum mehr als 80 km/h schnell sein. Das Abblendlicht darf theoretisch zwar bis zu 150 Meter weit leuchten. Doch der Lichtkegel läuft spitz zu: Bis die ganze Silhouette eines Menschen oder Tieres am Straßenrand zu erkennen ist, vergeht wertvolle Zeit. Nur das Fernlicht und im besten Fall bewegliche Scheinwerfer können den Straßenrand auch bei höherem Tempo und in Kurven weit genug ausleuchten. Dabei dürfen vorausfahrende Fahrzeuge und der Gegenverkehr natürlich nicht geblendet werden. Deshalb sind adaptive Systeme, die den Fernlichtkegel je nach Verkehr variieren können, in der automobilen Oberklasse derzeit der letzte Schrei.

Mercedes hat es 2009 mit dem ersten intelligenten Fernlichtassistenten vorgemacht. Jetzt bekommt der überarbeitete BMW Siebener sogar ein adaptives Fernlichtsystem auf LED-Basis. Für 2500 Euro übernimmt Kollege Computer die Steuerung des blendfreien Lichtkegels. Das Kamerasystem im Fuß des Innenspiegels erkennt vorausfahrende Autos auf eine Distanz von 400 Metern. Die Frontscheinwerfer des Gegenverkehrs werden sogar in einer Entfernung von 1000 Metern wahrgenommen. Der Clou besteht darin, dass andere Fahrzeuge mithilfe eines Abschatters im Scheinwerfer gezielt ausgeblendet werden. Statt dauernd auf- und abzublenden, fließt das Fernlicht also rechts und links um sie herum, was die Sichtweite deutlich verbessert.

Wer noch einmal gut 2000 Euro investiert, bekommt ein Nachtsichtsystem, das die Finsternis gezielt zum Tag machen kann. Personen oder Tiere werden nicht nur automatisch erkannt, sondern mithilfe eines Markierungslichts auch punktgenau angestrahlt. Sollte sich ein Fußgänger oder Fahrradfahrer am Straßenrand auf Kollisionskurs befinden, wird der Fahrer durch ein Symbol optisch und akustisch gewarnt. Gleichzeitig lenken beim BMW bewegliche LED-Strahler in der Frontschürze die Aufmerksamkeit auf den möglichen Kollisionspartner. Künftig könnten Miniaturlaser im Hauptscheinwerfer diese Aufgabe übernehmen, die sich noch variabler auf das Verkehrsgeschehen einstellen lassen. Bis die energieeffizienten Strahler im Auto einsetzbar sind, werden aber noch einige Jahre vergehen.

Lichtdesign ist auch ein Prestigethema

Scheinwerfer könnten dank der Mini-LEDs immer kleiner werden. Stattdessen prangen immer prächtiger behängte "Christbäume" an den Fronten, denn die Lichttechnik soll wie der Chromschmuck das Ansehen erhöhen. Als Audi 2004 die ersten Leuchtdioden beim Tagfahrlicht des A8 W12 einsetzte, war dem Fahrer (und der Marke) die allgemeine Aufmerksamkeit sicher. Mittlerweile lassen sich die Glitzerdinger auch für wenig Geld nachrüsten. In der automobilen Oberklasse wird das alte, punktförmige LED-Design daher zunehmend von scharf geschnittenen Lichtlinien abgelöst. Selbst das LED-Abblendlicht, das bei seiner Premiere 2008 im Audi R8 noch ein echter Hingucker war, ist längst kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Demnächst wird das Extra beim neuen Audi A3 in der Kompaktklasse eingeführt.

Nicht nur die Front- und Hecklichter, sondern auch die Innenräume werden von den Designern aufwendig inszeniert. "Wir setzen Licht zunehmend ein, um in einem Automobil ein bestimmtes Ambiente zu erzeugen. Licht schafft Atmosphäre, und wir verwenden immer mehr LEDs zu diesem Zweck", berichtet Adrian van Hooydonk, Chefdesigner der BMW Group.

Besonders erhellend wird die Licht-Charakteristik im Übergang zur Elektromobilität. Einerseits wird die Energie an Bord dann zu kostbar, um sie mit wenig effizienten Glühwendeln zu verheizen. Andererseits müssen sich die neuen Stromer mit extravaganten Lichtspielen von der Masse absetzen. Wohin die Reise gehen könnte, hat Audi schon mal an einem Prototypen vorgeführt: Rücklichter wie Bildschirme, auf denen Schauer von bunten Sternschnuppen tanzen. Bis solche Lichtbänder die Straßenzulassung erhalten, werden Elektromobile wohl etwas ganz Alltägliches sein. Also noch lange nicht.

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