Saab:Große Klappe

Zum Niedergang von Saab: Die Werkstätten haben es verstanden, Mechanik und Design optimal zu verbinden.

Thomas Steinfeld

Junge Männer in Stockholm, die mit Aktienspekulationen viel Geld verdienen, nennt man auf schwedisch "börsvalpar", "Börsenwelpen". In jüngster Zeit sind sie eher unauffällig geworden, vor zehn Jahren aber fuhren in der schwedischen Hauptstadt, auf die Bevölkerungsmenge bezogen, mehr Porsches herum als in jeder anderen Stadt der Welt. Und vor etwas mehr als 20 Jahren fiel, wenn sich die Welpen für ein Fahrzeug entschieden, die Wahl meist auf das schönste Automobil, das die Firma Saab je baute: auf den alten, eckigen 900er, als Coupé, in der sportlichen Variante, die den Namen "Aero" trägt und an Aluminiumfelgen zu erkennen ist, die an ein Malteserkreuz erinnern. Und schwarz musste das Fahrzeug natürlich sein, so schwarz und gefährlich, wie die Sommernächte in Stockholm nie werden.

Saab: Das schönste Auto, das Saab je gebaut hat: Der 900er war geräumig genug für die Familie - und im Ausland ein Exot für Architekten und Chefredakteure.

Das schönste Auto, das Saab je gebaut hat: Der 900er war geräumig genug für die Familie - und im Ausland ein Exot für Architekten und Chefredakteure.

(Foto: Foto: oh)

Platz genug für zwei Elche beim Liebesspiel

Die frühen achtziger Jahre, als Saab sich von einer mechanischen Werkstatt, die sich in einen Flugzeughersteller verwandelt hatte, zu einem weltbekannten Autoproduzenten entwickelte, müssen die besten Jahre dieses Unternehmens aus Trollhättan gewesen sein. Dreierlei kam dabei zusammen: Zuerst war da die Abhängigkeit von einfachen, aber robusten technischen Lösungen. Der Motor ist von dieser Art, ein schlichter Reihenvierzylinder, der längs eingebaut ist. Und wer je einen Blechschaden mit einem alten Saab erlebte, weiß, was dieses Modell aushielt. Dann war da ein großer Ehrgeiz der Ingenieure. Ihm ist der Turbolader zu verdanken, ein reibungslos funktionierender Heuler, dem einzigartige Fahrerlebnisse zu verdanken sind: zuerst ein müdes Absacken und dann ein geradezu euphorisches Dahinsausen. Auch die große Klappe im Fließheck war von dieser praktisch-genialen Art. Nie war ein Auto einfacher zu beladen. Genauer gesagt: Der Saab Fließheck war eines der wenigen Autos, die man nicht beladen muss, sondern bewerfen kann. Und bei nach vorn geklappter Rückbank war Platz genug für zwei Elche beim Liebesspiel.

Schließlich war da der gute Geschmack: ein Gefühl für klare, angenehme Formen und Farben. Die sanfte, aber energische Keilform der Karosserie, die runden Armaturen, die schlicht geformten Sitze - das alles wirkte aufgeräumt, zurückhaltend und manierlich. Und eines ist nicht zu vergessen: Der Saab 900 war zu seiner Zeit, ein großes, aber sportliches Fahrzeug. Geräumig genug für eine Familie, aber kräftig und schnell. Im Ausland mag dieses Fahrzeug ein Exot gewesen sein, der von Architekten und Chefredakteuren gefahren wurde. In Schweden aber ging es ohne Aufsehen als fast schon betuliches Gerät für Eltern mit den üblichen zwei Kindern durch. Wobei allerdings nicht zu verschweigen ist, dass die Fahreigenschaften etwas von den Welpen hatten, die dieses Auto in seiner radikalisierten Variante fuhren: Zuweilen war schlicht ein bisschen zu viel Motor für die Vorderräder da, und auch in flott gefahrenen Kurven ließ das Auto wenig Zweifel daran, wo es angetrieben wurde.

Große Klappe

Nicht genug zu rühmen aber ist die gewölbte Windschutzscheibe. Gewiss, auch sie hatte ihre Nachteile, vor allem, weil die Scheibenwischer gelegentlich nicht fest genug auf die Scheibe drückten. Aber welcher Blick, welche Rundumsicht, welche Freiheit, die auf das angenehmste begrenzt wurde durch das brauenartig nach vorn gezogene Dach. Diese gewölbte Windschutzscheibe, behauptete die Werbung, sei ein Erbstück des Flugzeugbauers Saab. Aber sie war auch mehr: eine seltene Verbindung von Dynamik und Souveränität.

Es hätte dieses so gelungene Auto nie gegeben, wäre Saab je ein erfolgreicher Autohersteller gewesen. Nein, das Geld fehlte immer, und die Jahre, in denen Saab einen veritablen Gewinn erwirtschaftete, waren wenige im Vergleich mit den Jahren, in denen Saab Geld verlor. Das gilt auch für den Saab 900, der technisch betrachtet, kaum mehr ist als eine Verlängerung und Verstärkung des Saab 99, dem von 1967 an gebauten ersten internationalen Erfolg der Firma. Zusammengerechnet, wurde dieses Auto 26 Jahre lang gebaut, mit fortlaufenden Verbesserungen und Verfeinerungen, mit immer mehr Stil und Geschmack.

Umgekehrt ist deswegen leicht zu verstehen, warum Saab nie in einen internationalen Automobilkonzern mit standardisierten technischen Konzepten und ebenso kurzen wie festen Produktzyklen passte. Jetzt wird man sehen: Es könnte durchaus sein, dass man eines Tages wieder Automobile braucht, die in mechanischen Werkstätten hergestellt werden.

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