Süddeutsche Zeitung

Saab:Der lange Abschied vom Besonderen

Die schwedische Marke Saab, einst von Individualisten verehrt, verkümmerte unter der Regie von General Motors zu einer Randerscheinung im Automobilbau.

Georg Kacher

Saab war als Marke eigentlich schon mausetot, lange bevor das Unternehmen finanziell zugrunde gerichtet wurde. Die Schwedenautos verfielen nämlich bereits in den frühen Jahren des GM-Regimes, als der 900 auf Opel-Vectra-Basis und ein ad infinitum modellgepflegter 9000 den Anfang vom Ende besiegelten. Doch es kam noch schlimmer: Die Ignoranten aus Detroit lancierten in den USA mit dem 9-2 und dem 9-7 zwei Saab-Modelle, die das geschundene Markenimage weiter beschädigten. Der 9-2 war im Grunde ein Subaru Impreza Kombi mit etwas Make-up, der 9-7 ein notdürftig verkleideter GMC Envoy mit schlechten Bremsen und ohne Schamgefühl.

In einem früheren Leben hat der Autor Saab geliebt, gekauft und gefahren. Die erste Versuchung war ein orangefarbenes Combi-Coupé, den werkstatttechnischen Höhepunkt setzte ein 99 Turbo, es folgten zwei aufgeladene 9000er. Dann erkaltete die Liebe zu den Produkten aus Trollhättan, denn die ins Stocken geratene optische und technische Evolution endete 1989 unverhofft in den Armen von GM, wo der damals schon mächtige Bob Lutz nie ein Hehl aus seiner Saab-Antipathie gemacht hat. Folgerichtig startete die lange Talfahrt der entseelten und entmündigten Svenska Automobil AB.

Was bleibt, ist der Blick zurück. Wer noch den rundlichen Saab 96 erlebt hat, vielleicht sogar mit Erik Carlsson am Steuer eines legendären Rallye-Autos, der weiß, was skandinavische Automobilfaszination zu leisten vermochte, trotz fahrdynamisch fragwürdigem Freilauf und importiertem V4-Motor. Wer ein frühes 900 Cabrio besaß, der kennt noch den Trutzburg-Charme des unverwüstlichen Schwedenstahls. Wer sich einen 99, 900 oder 9000 Turbo leisten konnte, als Benzin noch bezahlbar war, der würdigt das Sechs- und Achtzylinder-Establishment noch heute keines Blickes.

Doch dann begann im Jahr 2000 das 100-Prozent-Interregnum von GM. Aus dem unsäglichen 900 wurde ein kaum minder enttäuschender 9-3, aus dem mutigen 9000 Schrägheck und dem bürgerlichen CD wurde der viel zu brave 9-5. Sogar in der Erinnerung überwiegen die dunklen Stunden: der schreckliche Isuzu Diesel mit dem noch schrecklicheren Schaltgetriebe, die immer saftloseren Turbos, der sinnfreie V6-Benziner, die anfangs brustschwachen Vierzylinder-Diesel, der zum Stillstand gekommene technische Fortschritt. Saab wurde mitgeschleift, durchgefüttert, für verloren erklärt und dann prompt doch wieder reanimiert. Kein Wunder, dass die Mutter GM ihre allerschwächsten Manager nach Skandinavien verbannte - darunter Louis Hughes, Dave Herman und Bob Hendry.

Selbst unter schwedischer Führung siechte die Marke weiter vor sich hin, denn die Konzernmutter verweigerte die notwendigen Investitionen und verschlief die noch notwendigere Restrukturierung. Der Effekt: Statt der überlebensnotwendigen 130.000 Autos purzelten 2008 weniger als 95.000 Saab von den Bändern. Andererseits: Hinter den Kulissen ging es mit Saab seit ein paar Jahren ganz still und heimlich wieder bergauf. Als Indiz für die neue Linie und das wiederentdeckte Selbstbewusstsein gelten die Show Cars von Michael Mauer, der mittlerweile zu Porsche gewechselt ist. Der deutsche Designer hat der Marke ein frisches Make-up verpasst, innovative Tür- und Dachkonzepte entworfen, das Steilheck weiterentwickelt und typische Stilelemente neu definiert. Unter der Regie seines Nachfolgers Mark Adams entstanden nicht nur das 9-1 Air-Konzept (Debüt 2008), sondern auch die Serienautos, die zwischen Ende 2009 und Anfang 2012 auf den Markt kommen soll(t)en.

Die neue Saab-Generation im Schnelldurchlauf: 9-5-Ersatz als Limousine und Kombi mit Genen des Opel Insignia, Ablöse für den 9-3 mit Opel-Astra-Technik, ein 9-1 mit Corsa-DNS, 9-4X Crossover als Schwestermodell des neuen Cadillac SRX. Die Zukunft dieser Autos steht jetzt in den Sternen, und das ist schade, denn in der 72-jährigen Firmengeschichte hat es zu keinem Zeitpunkt ein überzeugenderes Produkt-Portfolio gegeben.

Andererseits reicht es eben nicht, den Premium-Anspruch nur über hübsche Formen und ein paar Mehr-PS zu definieren. Vor allem dann nicht, wenn man wie Saab einst den Turbo-Benziner hoffähig gemacht hat und vor Jahren eine Vorreiterrolle in Sachen Komfort und Sicherheit gespielt hat. Aktuell beschränkt sich der technische Vorsprung der Schweden auf die E85-BioPower-Motoren - keine Weltsensation, aber in Verbindung mit den GM-Hybridmodulen vielleicht doch ein kleines Licht am Ende des Tunnels. Eine staatlich geförderte Rettung unter der Regie von Opel ist zwar noch denkbar, doch sinnvoll ist diese Aktion nur, wenn es den Geldgebern gelingt, die ausgelaugte Marke wieder mit eigenständigen Inhalten zu füllen.

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SZ vom 23.2.2009/gf
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