Die Farbe bröckelt von der Karosserie, die abgeblätterten Überreste bilden Muster. Der Pobeda vom Typ GAZ-M-20 hat einen zerschlagenen Scheinwerfer. Die Stoßstange des Autos ist in glänzendem Chrom gehalten und geschwungen wie ein fülliges Lippenpaar. Es scheint, als verberge sich hinter dem Scheinwerferglas ein Funken Leben. Als ob das Licht jeden Augenblick wieder angemacht werden könnte und der Motor noch einmal starten würde. Als hätte das Auto eine Seele und würde sich an seine Fahrgäste erinnern, die es im sowjetischen Imperium herumgefahren hat, zu den Zeiten, als Stalin noch herrschte. Mehr als ein halbes Jahrhundert verging, bevor das Fahrzeug hier auf dem Feld von Michail Krasinez seine ewige Ruhe fand.
Dieses Modell wurde seit 1946 ein Jahrzehnt lang im Gorkowski Awtomobilny Sawod, dem Automobilwerk in Gorki, produziert. "Pobeda" heißt "Sieg" auf Russisch und ist eine Anspielung auf den Ausgang des Zweiten Weltkrieges. Die runden Formen, die das Design definieren, orientierten sich an den ästhetischen Idealen dieser Epoche. Das Auto wurde zum Symbol des Lebens in der Nachkriegszeit der UdSSR.
Freilichtmuseum mit 300 ausrangierten Autos
Egal, wo man sich auf Krasinez' weitläufigem Autofriedhof umsieht, begegnet man dem Blick der Fahrzeugfronten. Krasinez besitzt mehr als 300 ausrangierte Autos. Die Sammlung befindet sich südlich von Moskau am Rand des Dorfes Tschern, tief im russischen Hinterland, irgendwo zwischen den Städten Tula und Orjol. Sie ist offiziell ein Freilichtmuseum.
Die Abteilung für Moskwitsch-Modelle ist besonderes groß, aber Krasinez hat auch eine beträchtliche Anzahl von Wolgas, ZAZs und Izh-Kombis - Automarken, die meist unbekannt im Westen sind, Nationalgut der ehemaligen Sowjetunion. "Hier ist er, ein Tschaika, auch GAZ-13 genannt", sagt Michail Krasinez und zeigt stolz das Hauptstück seiner Sammlung. Einzelheiten in der Gestaltung des stromlinienförmigen Hecks erinnern an die Flügel eines Vogels - "Tschaika" ist das russische Wort für Möwe. Mattschwarzer Lack, silberne Paneele entlang der Seiten - das Modell war für die höheren Mitglieder der Nomenklatura bestimmt und repräsentiert den ultimativen Komfort der 1960er-Jahre. Das Auto war der Favorit des damaligen Generalsekretärs Nikita Chruschtschow, und es ist leicht vorstellbar, wie er, vielleicht von der Kubakrise gestresst, auf dem Rücksitz Platz nahm.
"Dieses Modell ist von 1961", sagt der Gründer des Museums, lässt sich in den Fahrersitz fallen und legt die Hände auf das cremefarbene Lenkrad. In der Mitte prangt ein rotes GAZ-Logo. Die Zahlen auf dem Tacho sind goldfarben. Fast kommt es einem so vor, wenn man das Radio einschalten würde, spielte es die alten Balladen von Wladimir Wyssozki und Bulat Okudschawa. Durchschnittliche Sowjetbürger hatten keine Chance, einen solchen Tschaika zu erwerben, konnten das Auto aber für Hochzeiten mieten. Insgesamt wurden nur rund 3000 "Möwen" hergestellt, sie sind heute begehrte Raritäten.
Michail Krasinez, ein Rennfahrer zu Zeiten der UdSSR, fing an, die Autos zu sammeln, als er noch in Moskau wohnte. Der Parkplatz für die wachsende Kollektion wurde aber schnell zu knapp. Mit seiner Frau Marina entschied sich der Autoliebhaber, aufs Land zu ziehen. 1996 verkauften sie ihre Stadtwohnung. Seit fast 20 Jahren leben die beiden nun schon in einer Datscha - zwischen Hunderten Karossen.
Michail Krasinez' Freilichtmuseums ist das größte seiner Art auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. Wer es besuchen will, muss eine umständliche Anreise auf sich nehmen. Vom Dorf Tschern dauert die Fahrt eine halbe Stunde mit dem Taxi. Die Wege dorthin bestehen praktisch nur aus Furchen und Unebenheiten und sind nicht nur im Winter, sondern schon nach heftigen Regengüssen unpassierbar. Trotzdem fehlt es Krasinez nicht an Besuchern. Sie kommen von weit her, aus 200, 300 Kilometern Entfernung, aus Brjansk, Kaluga, Orjol und natürlich auch aus Moskau.
"Teil des russischen Kulturerbes"
Ihre Hilfe braucht Krasinez dringend, um die Autos vor dem Verfall zu bewahren. Sie stehen ohne Schutz vor den oft extremen Temperaturen unter freiem Himmel. Marina und Michail Krasinez haben nicht viele Möglichkeiten, die Sammlung zu konservieren. Sie betreiben das Museum auf eigene Rechnung und ohne Hilfe oder öffentliche Zuschüsse. Sie erhalten keinen Lohn für ihre Arbeit, nehmen nicht einmal Eintritt. Sie leben sehr bescheiden und ausschließlich von dem, was die Gäste spenden wollen. "Manch einer gibt nichts, ein anderer 100 oder 1000 Rubel", sagt Michail Krasinez - Geld, das er zur Seite legt, um noch mehr Autos für die Sammlung zu kaufen. "Es dauert noch dreieinhalb Jahre, bis ich Rente bekomme", sagt er.
Krasinez hofft, dass die Behörden irgendwann den historischen Wert der Wagen anerkennen und das Museum in irgendeiner Form subventionieren. Dann könnte er auch Mitarbeiter einstellen, die ihm helfen würden. "Die Sammlung hier ist Teil des russischen Kulturerbes", sagt er. Den Kampf darum führt er auch gegen die Natur. Von Mai bis Oktober mäht er zehnmal die riesige Wiese, auf der die Autos stehen.
Es ist harte Arbeit, aber wenn er es nicht tut, wächst Gras über die Relikte der Geschichte.