Rückrufe bei General Motors:Zweifel an Zahl der Todesfälle

Das Hauptquartier von General Motors

Der US-Autokonzern General Motors sieht sich derzeit massiven Vorwürfen ausgesetzt.

(Foto: Bloomberg)

Laut einer US-Verbraucherschutzorganisation haben die defekten Zündschlösser mehr Tote gefordert, als bislang bekannt war. Zudem habe GM früher als behauptet von den Problemen gewusst. Der Konzern wehrt sich gegen die Vorwürfe.

Die Pannenserie bei General Motors (GM) hat einer US-Verbraucherschutzorganisation zufolge schwerwiegendere Folgen gehabt als gedacht. Neueste Daten des Center for Auto Safety (CAS) bringen mittlerweile 303 Todesopfer mit den fehlerhaften Zündschlössern bei bestimmten GM-Modellen in Verbindung.

Zudem soll der Autokonzern schon früher als bekannt von den technischen Problemen gewusst haben. Wie aus internen Vermerken des Autobauers hervorgeht, gab es schon in der Entwicklung eines Modells Probleme mit dem Zündschloss.

Bereits in der Vorproduktion des Saturn Ion - eines der betroffenen Modelle - hatte das Zündschloss nach GM-Angaben nicht richtig funktioniert. Eine Änderung der Konstruktion habe das Problem aber gelöst, zitierte der Konzern aus einem internen Bericht von 2001. Das Auto kam zwei Jahre später auf den Markt.

"New York Times": Auch NHTSA wusste bescheid

In einem anderen Dokument von 2003 berichtet ein Techniker von einem Wagen, der während der Fahrt von selbst ausgegangen sei. Er notierte, dass der Fahrer mehrere Schlüssel an seinem Schlüsselbund gehabt habe und kam zu dem Schluss, dass dieses Gewicht das Zündschloss ausgeleiert habe. Er ersetzte nach GM-Angaben das Bauteil und die Akte wurde geschlossen.

Laut einem Bericht der New York Times gerät auch die US-Verkehrssicherheitsbehörde NHTSA in den Verdacht, zu lange mit einer Untersuchung gezögert zu haben, obwohl das technische Problem lange bekannt war. In elf Jahren hätten sich 260 Beschwerden bei der Institution angesammelt, so das Blatt. Dem Kongressabgeordneten Barney Frank, der der NHTSA die Zündschlossprobleme seines Chevrolet Cobalt geschildert hatte, antwortete die Behörde im Jahr 2010 folgendermaßen: "Nach Überprüfung unserer Beschwerde-Datenbanken liegen uns keine ausreichenden Beweise vor, die eine Untersuchung rechtfertigen würden." Laut New York Times seien bei der NHTSA zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits 170 Beschwerden eingegangen.

Rückruf von 1,6 Millionen Fahrzeugen

Bis zum Rückruf dauerte es ein Jahrzehnt. General Motors hatte vor rund einem Monat rund 800 000 Besitzer bestimmter Modelle aus den Jahren 2003 bis 2007 aufgerufen, ihre Fahrzeuge in Werkstätten überprüfen zu lassen. Ende Februar hat der Autokonzern seinen Rückruf auf 1,6 Millionen Autos ausgeweitet.

Bei dem Rückruf geht es laut GM vorwiegend um Fahrzeuge der Kompaktklasse aus den Modelljahren 2003 bis 2007, die von den Marken Chevrolet, Pontiac und Saturn stammen. Diese Autos seien vor allem in den USA, Kanada und Mexiko verkauft worden. Modelle des Herstellers Opel, der zum General-Motors-Konzern gehört, sind nicht betroffen.

GM: "Reine Spekulation"

Bei den Autos kann der Zündschlüssel während der Fahrt in die "Aus"-Position zurückspringen - vor allem dann, wenn etwas Schweres am Schlüsselbund hängt oder der Weg holprig ist. Dabei können sich der Motor und elektrische Systeme abschalten. Bei ausgeschalteter Zündung funktionieren in der Regel weder Bremskraftverstärker noch Servolenkung oder Airbags. Fahrer könnten so die Kontrolle über ihre Wagen verloren haben und waren bei einer Kollision schlechter geschützt.

Der US-Kongress, die Verkehrsaufsichtsbehörden und Strafverfolger untersuchen nun, ob der größte Autobauer des Landes zu spät auf die Berichte über die fehlerhaften Zündschlösser reagiert hat.

Mary Barra, Konzernchefin von General Motors.

GM-Konzernchefin Mary Barra hat eine vollständige Aufklärung angekündigt.

(Foto: Bloomberg)

Die Opel-Mutter wies die neuen Daten als reine Spekulation zurück. Der Konzern bringt lediglich 31 Unfälle mit zwölf Toten mit dem Defekt in Verbindung. Zunächst war von dreizehn tödlich verunglückten Unfallopfern die Rede, doch der Hersteller korrigierte seine Angaben nach unten. Ein Toter sei doppelt gezählt worden.

Barra kündigt rückhaltlose Aufklärung an

Der Fall ist die erste Bewährungsprobe für die seit Jahresbeginn amtierende Konzernchefin Mary Barra. Die Firmenveteranin hatte in einem Schreiben an die Belegschaft erklärt, ihr Team habe erst vor einigen Wochen von der Sache erfahren. Sie kündigte eine rückhaltlose Aufklärung an und engagierte dafür den Anwalt Anton Valukas, der schon die Pleite der Investmentbank Lehman Brothers untersucht hatte.

Der Rückruf erinnert an den Fall Toyota vor vier Jahren. Damals standen klemmende Gaspedale und rutschende Fußmatten im Verdacht, für zahlreiche Unfälle mit Todesopfern verantwortlich zu sein. Toyota startete einen weltweiten Rückruf; auf dem wichtigen US-Markt brachen die Verkäufe ein. Der Autobauer musste eine Strafe zahlen, weil er nach Ansicht der US-Aufsichtsbehörde die Probleme nicht rechtzeitig gemeldet hatte. Viele Unfälle stellten sich indes im Nachhinein als Fehler der Fahrer heraus.

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