Rover 620 Si:Für den Individualisten

Die Limousinen von der Insel werden oft etwas unterschätzt

(SZ vom 05.01.1994) Es gibt Vorurteile, die haften in den Köpfen vieler Autofahrer wie Formel-1- Slicks auf der Rennstrecke. Eines davon ist die angebliche Tatsache, daß Automobile, die in England gefertigt werden, zwar Noblesse und Eleganz ausstrahlen, dafür aber die Tugend der Alltagstauglichkeit aufgrund von häufigen Macken und Kränklichkeiten vermissen lassen.

Wir kommen an dieser Stelle nicht umhin, über unsere Erfahrungen mit britischen Autos im allgemeinen und mit Fahrzeugen von Rover im besonderen zu berichten: Gleichgültig, ob es sich um die 200er- oder 600er-Baureihe, den Discovery oder den Range Rover handelte - diese Wagen machten einen ausgereiften Eindruck und über Tausende von Kilometern hatten wir keine Probleme mit ihnen.

Das gleiche gilt für die neueste Baureihe von Rover, die sich 600 nennt. Nun sind die britischen Automobilwerker nicht über Nacht zu perfekten Robotern mutiert - sie haben einfach Nachhilfe bekommen und Anleihen genommen, bei den Japanern natürlich. So steckt unter dem recht schnörkellosen Blechkleid des 620 Si die Technik des Honda Accord. Für die Karosserie und das Interieur war Rover zuständig - und herausgekommen ist ein Automobil, das sich wohltuend, aber trotzdem dezent, vom modisch gerundeten Allerweltslook abhebt. Besonders der markante Kühlergrill und die dezenten Holzeinlagen im Armaturenbrett und in den Türen verströmen Eleganz.

Als Antriebsaggregat steht ein 2,0-Liter-Motor zur Verfügung, der 96 kW (131 PS) mobilisiert. Das reicht für eine Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h. Bei Fahrten auf der Autobahn erweist sich der 620 Si als ausgesprochen komfortable Limousine; die Geräuschentwicklung des Motors hält sich auch bei forciertem Tempo in erträglichen Grenzen. Das Fahrwerk zeigt sich dem Leistungspotential angepaßt und tendiert etwas in Richtung sportlich-straff. Ganz erstaunlich zurückhaltend benimmt sich der Brite, wenn es um den Benzinverbrauch geht: 8,8 Liter beträgt er laut Werksangaben im Drittel-Mix, ein Wert, den wir in der Praxis nicht viel überschritten haben.

Zur Serienausstattung des 34 900 Mark teuren 620 Si gehören Servolenkung, elektrische Fensterheber vorne und hinten, eine Zentralverriegelung und eine Alarmanlage. Nicht in diesem Paket enthalten ist leider das Antiblockier-System (ABS), das es unsinnigerweise nur in Verbindung mit einem Automatikgetriebe gegen einen Aufpreis von 4800 Mark gibt. Erst ab der nächsthöheren Ausstattungsversion - 620 Si Lux genannt- ist dieses wesentliche Sicherheitsmerkmal serienmäßig. Dafür ist der Lux-Preis von 40 900 Mark aber kein Sonderangebot mehr.

Ein Airbag ist für den 620 Si derzeit weder für Geld noch für gute Worte zu haben. Der Luftsack bleibt zunächst dem Spitzenmodell, dem 623 Si Lux, vorbehalten, der einen 2,3-Liter-Motor mit 116 kW (158 PS) hat. Diese seltsame Aufpreis- und Ausstattungspolitik muß man wohl als Rest britischer Skurrilität akzeptieren.

Von Otto Fritscher

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