Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé:Schiff ahoi

Das neue Rolls-Coupé garantiert den Effekt des großen Auftritts. Am Steuer der Luxus-Yacht für die Straße.

Georg Kacher

Vater Staat kassiert für jedes verkaufte Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé 70 300 Euro an Umsatzsteuer. Dazu muss man natürlich noch den Kaufpreis in Höhe von 370 000 Euro addieren. Der Gegenwert entspricht 29 Nissan Micra.

Rolls-Royce Phantom Drophead Coupé

Roter Baron: Das Drophead Coupé ist für 440.300 Euro zu haben. Die Motorhaube aus gebürstetem Edelstahl kostet zusätzlich - dezente 9520 Euro.

(Foto: Foto: Hersteller)

Dieses Beispiel haben wir deshalb gewählt, weil der kleine Nissan exakt 29-mal schneller zu fertigen ist als der große Rolls. Der verbringt nämlich mindestens 350 Stunden in den heiligen Hallen von Dingolfing und Goodwood; der in München vormontierte Motor geht extra.

Sonderwünsche sind die Regel

Obwohl der Farbfächer 43.000 Grund- und Zwischentöne enthält (kein Druckfehler!), lassen sich 80 Prozent der Auftraggeber den Lack, das Leder, die Hölzer oder den Verdeckstoff nach eigenen Vorgaben anfertigen. Diese Aufgabe übernimmt das Bespoke Department, eine Art werkseigener Maßschneiderei.

Nur wenn das Blech betroffen ist und der Kunde zum Beispiel einen etwas längeren Radstand wünscht, muss das Auto in die Gegend von Stuttgart, wo Rolls-Royce mit einem Karosseriebauspezialisten zusammenarbeitet.

Die Bezeichnung Drophead Coupé ist so englisch wie der Afternoon Tea. Statt eines dieser neumodischen versenkbaren Hardtops zu montieren, bestand man bei Rolls auf dem klassischen Stoffverdeck, das sich in fünf Lagen wie ein schallschluckender Baldachin über der Besatzung wölbt.

Zum Kaschmir-Innenhimmel gibt es auf Wunsch eine Außenhaut aus Leder. Wer zusätzlich 14.000 Euro locker macht, bekommt die zwei beliebtesten Extras: eine Motorhaube aus gebürstetem Edelstahl und ein Achterdeck aus Teakholz.

Im Vergleich zu den opulenten Vorgänger-Cabrios setzt das Interieur des neuen Modells auf reduzierte Coolness. Das sparsame Nahtbild der Sitze wirkt beinahe unvollendet, die formatfüllende Metallblende am Armaturenbrett ist materialtechnisch verwechselbar und dem auf Hochglanz lasierten Holz fehlt neben der klassischen Symmetrie auch die spannende Maserung.

Wie belieben? Show-Off oder Cocooning?

Auch dieser Rolls-Royce lebt vom spannenden Dialog aus Innen- und Außenwirkung. Wer ihn kauft, wird nicht enttäuscht sein vom Effekt des großen Auftritts. Man kann offen dahingleiten und das Gesehenwerden genießen, aber man kann auch das Verdeck schließen und totales Cocooning zelebrieren, je nach Laune.

Gewöhnungsbedürftig sind die Dimensionen des Viersitzers. Er ist nochmals 20 Zentimeter länger als ein Azure und fast so breit wie der Schulbus, aus dem uns die Mädels verzückt zuwinken. Um dem Steuermann die Angst zu nehmen, gibt es Kameras für Bug und Heck sowie absenkbare Außenspiegel zum Schutz der polierten 21-Zöller.

Mit 338 kW (460 PS) und 760 Nm ist das DHC nominell völlig ausreichend motorisiert, und man muss auch nicht schneller von null auf 100 km/h beschleunigen als in den angegebenen 5,9 Sekunden. Trotzdem könnten wir uns eine sanft aufgeladene Variante des 6,75-Liter-V12 vorstellen, die ihr maximales Drehmoment nicht erst bei 3500 Touren erreicht.

Schiff ahoi

Mit 16 Liter verbraucht der 2,6-Tonner im Schnitt übrigens weniger als befürchtet. Diesel, Hybrid oder gar Brennstoffzelle sind kein Thema - müssen sie auch nicht, denn mit maximal 250 Autos pro Jahr und durchschnittlichen Laufleistungen von weniger als 10 000 Kilometer schadet der Rolls in toto dem Universum weniger als eine einzige schlecht gewartete Hochhaus-Heizung.

Mehr noch als der optische Eindruck ist das Fahren ein echtes Erlebnis. Das können die BMW-Techniker und ihre Rolls-Royce-Kollegen einfach besser als die Konkurrenz: Autos abstimmen, die Kernkompetenz Komfort bewahren und trotzdem die Dynamik hochleben lassen, die Gewichtung von Lenkung und Bremse perfektionieren, der kritischen Summe aus Masse und Gewicht eine souveräne Straßenlage abtrotzen.

Mit dabei: die Schickeria-Taste

Selbst ein solcher Monolith lässt sich mit zwei Fingern bewegen. Auf langen Geraden ist der Wagen mit den gewöhnungsbedürftigen hinten angeschlagenen Türen ein in sich gefestigter Gleiter, der mit seiner Luftfederung über den Asphalt zu schweben scheint wie ein Hovercraft. In schnellen Kurven dominiert neutrales Handling, das sich über Gas und Lenkung in relativ engen Grenzen modulieren lässt.

Kein Detail vermittelt mehr markentypische Emotionen als das spindeldürre Lenkrad, das sich trotz seiner Leichtgängigkeit stets darüber im Klaren ist, dass ein Zentimeter hin oder her zwischen Glück und Elend entscheiden kann. Die Bremse packt nicht ganz so bissig zu wie erhofft, doch an der Nachhaltigkeit der Verzögerung gibt es nichts auszusetzen.

Das Getriebe lässt man am besten in Ruhe, denn es will nach Großväter Art über einen Lenkstockhebel bedient werden. Als praktische Zugabe entpuppt sich die L-Taste am Volant, die um den jeweils niedrigsten Gang bemüht ist, was bei Bergabfahrt ebenso nützlich ist wie auf den Flaniermeilen der Schickeria.

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