Rolls-Royce-Museum:Emily im Wohnzimmer

Das wohl spektakulärste Rolls-Royce-Museum liegt versteckt in einem Städtchen im Rhein-Main-Gebiet. Im Fundus: der berühmteste Rolls aller Zeiten. Ein Besuch.

Sebastian Viehmann

"Na, dann kommen Sie mal mit." Hans-Günter Zach öffnet die schwere Metalltür, die den Weg in eine große Halle freimacht. Die Lichter an der Decke flammen auf. Was nun zum Vorschein kommt, verschlägt wohl jedem Autofan den Atem: Ein Rolls-Royce Wraith von 1938 parkt neben einer Reihe von Edelholz-Schränken, auf dem Dach des Wagens steht ein Schaukelstuhl. Schräg gegenüber stehen weitere Autos mit der geflügelten Emily auf dem Kühler Spalier. Sogar von der Decke hängt ein Rolls herab. Dazwischen glänzt ein Bentley Mark VI, was übrigens kein Stilbruch ist - schließlich gehörte die Marke Bentley einst zu Rolls-Royce. Hans-Günter Zachs Sammlung, die versteckt in einigen Hallen in Mühlheim am Main im Kreis Offenbach vor sich hin schlummert, gehört zu den spektakulärsten ihrer Art.

Rolls-Royce-Museum: Der "Stern von Indien": Ein Phantom II Continental Cabriolet von 1934 wurde nach dem größten geschliffenen Sternsaphir der Welt benannt.

Der "Stern von Indien": Ein Phantom II Continental Cabriolet von 1934 wurde nach dem größten geschliffenen Sternsaphir der Welt benannt.

(Foto: Foto: Pressinform)

Es sind nicht nur die Autos selbst, all die Phantoms, Corniches und Silver Ghosts, die den Betrachter in Erstaunen versetzen. Es geht auch um das Ambiente, in dem Werkzeugunternehmer Zach sein exklusives Hobby präsentiert. Die automobilen Schätze parken zwischen antiken Möbeln und handgeknüpften Teppichen, sind umgeben von elektrischen Klavieren oder seltenen Sammlerstücken wie der mannsgroßen "Emily"-Kühlerfigur aus Holz. Man fühlt sich wie in einem überdimensionalen Wohnzimmer.

Auch der berühmteste Rolls-Royce aller Zeiten hat seinen Weg in Zachs Sammlung gefunden: Der "Stern von Indien", ein Phantom II Continental Cabriolet Baujahr 1934, wurde nach dem größten geschliffenen Sternsaphir der Welt benannt.

Das safrangelb und ocker lackierte Gefährt wurde für den Maharadscha von Rajkot angefertigt und diente als repräsentative Staatslimousine. Der Wagen hat sogar bewegliche Frontscheinwerfer, die sich in der Kurve mitdrehen - ein System, dessen Grundprinzip heute als Kurvenlicht bekannt ist und von vielen Herstellern als der neueste Schrei der Technik gefeiert wird. Mit dem "Stern von Indien" nahm Rolls-Sammler Zach sogar an der Parade zum 50. Thronjubiläum der britischen Königin teil.

Jeder Rolls hat seine ganz eigene Geschichte

Nicht nur der Stern von Indien hat eine berühmte Geschichte. Fast jeder Wagen in Zachs Sammlung, die 27 Raritäten umfasst, hat eine ganz besondere Biographie. Zum Beispiel der Silver Ghost Boattail Roadster von 1926, der einst im Besitz von Hollywood-Legende John McCormick war. Oder das "Doctor's Coupé" aus dem Jahr 1934, eine Einzelanfertigung mit immerhin 25 PS unter der Haube - damit konnte der betuchte Besitzer nicht nur stilvoll bei seinen Patienten vorfahren, sondern auch schnell.

Besonders faszinierend ist der grüne Phantom II von 1929, den sich der Maharadscha von Rewa einst zum Jagdwagen umrüsten ließ. Die Fondpassagiere können ihre Häupter auf ein Tigerfell betten, und im Fußraum finden an einer Halterung zwei Jagdflinten Platz.

Hans-Günter Zachs Faszination für die noblen Briten begann während seiner Ausbildungszeit. Als der damals 24-jährige Werkzeugmacher Ende der 60er Jahre auf den Rolls-Royce Silver Shadow seines Chefs blickte, war es um ihn geschehen. Vor allem der mächtige Kühlergrill des Wagens hatte es ihm angetan. "Wie ein klassischer Tempel geformt - Klassizismus in Reinform. Dieses Bild hat sich bei mir eingeprägt", schwärmt Zach noch heute. "Ich habe mir damals gesagt: Du musst so hart arbeiten, dass du dir irgendwann auch einmal so einen Wagen leisten kannst."

An seinem 50. Geburtstag war es schließlich so weit. Ein Rolls-Royce Corniche II Cabrio wurde zum Grundstein von Zachs Sammlung. Die schwarze Nobelkarosse aus den späten achtziger Jahren ist gleichzeitig eines der jüngsten Modelle des Rolls-Panoramas.

Eigentlich will er seine Sammlung verkaufen

Der Sammler hat schon Tausende Menschen durch sein privates Museum geführt und den Erlös sozialen Zwecken gespendet. Dicke Gästebücher zeugen von den begeisterten Reaktionen der Besucher. Doch die Führungen, die oft an Feiertagen und Wochenenden stattfinden, bringen auch viel Arbeit mit sich. "Vor etwa einem Jahr wurde es mir einfach zuviel. Ich hatte praktisch kein Wochenende mehr, das ganze Leben wurde von den Autos bestimmt", berichtet Zach.

Die ganze Arbeit rund um das Museum sei letztlich an ihm hängen geblieben. Im Sommer kündigte er an, seine ganze Sammlung verkaufen zu wollen. Schnell trudelten Anfragen aus aller Welt ein, von Kanada über Saudi-Arabien bis Indien. Noch ist die Sammlung aber an ihrem Platz, und Zach hat es mit dem Verkauf auch nicht eilig.

So sehr sich der Rolls-Enthusiast für seine Nobelkarossen begeistern kann - im Alltag baut der Mann, der sich vom Werkzeugmacher zum Unternehmer hocharbeitete und sein Hobby mit Immobilengeschäften finanzierte, auf Understatement: "Mein Alltagsauto ist eine S-Klasse mit Sechszylinder."

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