Rennstrecke für Hotelgäste:Auf der Überholspur

Markus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff baut die familieneigene Firmengruppe um und plant den Bau einer Auto-Teststrecke.

Stefan Weber

An diesem Morgen hat Markus Graf von Oeynhausen-Sierstorpff wenig Zeit. Christoph, sein jüngster Sohn, feiert den fünften Geburtstag. Im Gräflichen Park zu Bad Driburg ist aus diesem Anlass für die kleinen Gäste eine Schatzsuche organisiert. Da will der Vater nicht fehlen - egal, was an diesem Tag sonst auf seinem Terminkalender steht.

Die Familie steht für den 46-Jährigen ganz oben an. Das war auch der Grund, weshalb er vor zwölf Jahren dem Wunsch seines Vaters folgte und in die Heimat nahe des Teutoburger Waldes zurückkehrte. Nach Studium und Stationen als Unternehmensberater bei Roland Berger sowie Ernst&Young hatte er damals als Vertriebschef Europa für den Hausgerätehersteller Whirlpool in Mailand gearbeitet. "Zurück in die Provinz? Warum tust Du Dir das an, Markus", haben die Freunde gesagt. Und auch seine Frau Annabelle zieht es nach eigenem Bekunden eher dorthin, wo etwa los ist. "Das Landei - das ist eher mein Mann", meint sie schmunzelnd.

Funktionierende Betriebe müssen es sein

Aus Verantwortung für das, was die Familie in mehr als 200 Jahren geschaffen habe, sei er dem Ruf des Vaters gefolgt, erzählt Graf Oeynhausen, wie er gemeinhin genannt wird. "Ich möchte auch der nächsten Generation einen funktionierenden Betrieb weitergeben."

Seine drei Kinder Christoph, Louis, und Alice repräsentieren die neunte Generation des Familienunternehmens. Wie ihr Erbe einmal aussehen wird, lässt sich kaum abschätzen. Denn die aus vier Kurkliniken, einem Mineralwasser-Brunnenbetrieb und einem Hotel bestehende Firmengruppe befindet sich in einem tiefgreifenden Umbau.

Auslöser war die Gesundheitsreform in den neunziger Jahren, die dafür sorgte, dass Kuren plötzlich seltener als früher bewilligt wurden. So blieben auch im Gräflichen Park von Bad Driburg, dem letzten in Privatbesitz verbliebenen deutschen Kurbad, plötzlich viele Betten leer. Die meisten privaten Badbetreiber hatten ihre Anwesen bereits Mitte des vergangenen Jahrhunderts verkauft. "Nur meine Familie hat das offenbar vergessen", erzählt Graf Oeynhausen und er grinst dabei leicht.

Auf der Überholspur

Er entschloss sich, das gräfliche Anwesen mit dem historischen, denkmalgeschützten Gebäudeensemble in ein Top-Hotel umzubauen. "Es gibt in der Hotellerie einen Markt für Wellness und für Veranstaltungen - das wollen wir nutzen", betont der Unternehmer. Etwa 20 Millionen Euro hat die Familie für die in diesem Sommer abgeschlossene Renovierung bezahlt. Bei Zweifeln, ob dies die richtige Entscheidung war, hat sich Graf Oeynhausen daran erinnert, dass auch seine Vorfahren häufig gegen den Trend investiert haben. Zudem seien Zinsen und Baukosten niedrig gewesen. "Wenn nicht jetzt, wann also dann?"

Rennstrecke für Hotelgäste

Mehr als 60 Jahre hätten die Kliniken und der Brunnenbetrieb das Hotel subventioniert, sagt der Firmenchef. Irgendwann müsse damit jedoch Schluss sein.

Jetzt will der Unternehmer zahlungskräftige Gäste nach Bad Driburg zu locken, die das 137-Zimmer umfassende Hotel mitsamt seiner großzügig und edel gestalteten Wellness- und Bade-Landschaft bevölkern. Bei den Überlegungen, die feine Herberge "zu emotionalisieren", ist dem Motorsport-Liebhaber eine ausgefallene Idee gekommen. "Golf und Tennis bieten viele Hotels in ihrer Nachbarschaft. Aber kein Haus hat eine Auto-Rennstrecke vor der Haustür."

Deshalb will er zehn Kilometer von Bad Driburg entfernt auf einer ehemaligen Militärfläche ein Test- und Präsentationsgelände ("Bilster Berg") für die Autoindustrie errichten. Auch Privatleute sollen auf der 4,3 Kilometer langen Strecke die Möglichkeit haben, kräftig aufs Gaspedal zu treten.

Mehr als zwei Jahre hat Graf Oeynhausen am dem Projekt gefeilt. Hat Gutachten erstellen lassen, Genehmigungen eingeholt, Widersprüche abgeschmettert und Geldgeber gesammelt. "Fachleute bestätigen mir, das Projekt sei zu 95 Prozent durch", sagt der Firmenchef. Mitte nächsten Jahres sollen die Bauarbeiten beginnen; zwölf Monate später ist die Eröffnung der Strecke geplant.

Etwa 30 Millionen Euro sind für das in mehreren Etappen zu realisierende Projekt veranschlagt. Die Investitionen werden von etwa 300 Geldgebern getragen, die sich als Kommanditisten an einer eigens gegründeten Gesellschaft beteiligen. Graf Oeynhausen ist als Komplementär in der Verantwortung.

Die Resonanz sei hervorragend, versichert er. Schon jetzt hätten sich 400 Interessenten gemeldet, die die Strecke einen oder mehrere Tage nutzen wollten. Der Graf will das Projekt "Bilster Berg" als Profit-Center führen. Bei entsprechendem Erfolg möchte er das Modell multiplizieren. "In Frankreich gibt es 28 solcher Strecken. In Großbritannien 35, aber in Deutschland gerade einmal fünf."

Handlungsbedarf sieht der Unternehmer aber auch in anderen Bereichen der Firmengruppe. Der Brunnenbetrieb ist nach seiner Meinung mit einem Umsatz von zehn Millionen Euro zu klein, um auf Dauer ohne einen Partner bestehen zu können. "Gut möglich, dass wir die Abfüllung in fremde Hände geben", sagt er. Im Klinikgeschäft denkt der Geschäftsmann dagegen an Verstärkungen. "Wenn ein Objekt zu uns passt und der Preis stimmt, greifen wir zu."

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