Rennrad-Test:Einstiegsdroge für künftige Rennrad-Junkies

Rennrad-Test: Das Scott Addict 30 Disc kostet mindestens 2999 Euro.

Das Scott Addict 30 Disc kostet mindestens 2999 Euro.

(Foto: Scott)

Muss es wirklich ein teures Hightech-Bike sein? Das überzeugende Einsteigermodell Scott Addict 30 Disc lässt selbst verdorbene Rennrad-Snobs an alten Grundsätzen zweifeln.

Von Sebastian Herrmann

Bei Fahrrädern greifen dieselben psychologischen Muster wie in vielen anderen Dingen des Lebens: Das Nächste und Neue muss immer eine Steigerung zum Alten sein, bis man irgendwann im Highend-Bereich der besonders gesalzenen Preise landet. Eine Radler-Biografie beginnt in der Regel im Sattel klapperiger Gefährte, doch schon das nächste Rad wird teurer und schöner als das davor, und das danach muss noch besser, noch feiner und noch kostspieliger sein.

Der Weg zurück ist hingegen versperrt. Günstigere, schlechter ausgestattete Modelle bescheren dummerweise geringere Glücksgefühle beim Kauf - und ja, dass dies absurd ist, darüber herrscht Klarheit.

Wie absurd das ist, beweist der Test eines Rennrads, dass der Hersteller mit dem Prädikat "Einsteigermodell" versehen würde. Das Scott Addict 30 Disc stellt die Einstiegsdroge für den Rennradsüchtigen dar. Oder ist, je nach Interpretation, für diesen Radfahrer-Typ eine Art vernünftige Selbstbeschränkung.

Das Fahrrad ist mit einer Shimano-105-Schaltgruppe ausgerüstet, das Einstiegsmodell des japanischen Komponentenherstellers. Selbst als mittlerweile verdorbener Rennrad-Snob muss man zugeben oder sich selbst eingestehen: Ja, die Shimano 105 tut es auch. Sie schaltet tadellos, nur gelegentlich gibt die Kette auf dem Ritzelpaket beim Schalten ein leicht unangenehmes Geräusch von sich. Das erklärt man sich damit, dass es eben nur die 105-er-Schaltgruppe und nicht die Ultegra oder gar eine Dura Ace ist. Ob es wirklich daran liegt? Wer weiß.

Sportlich gestreckte Sitzposition

Scott hat das Addict-30-Disc-Modell mit einer Kurbel mit 52/36 und am Hinterrad mit einer Kassette mit 11 bis 28 Zähnen ausgestattet. Die Bremsscheiben haben vorne und hinten einen großzügigen Durchmesser von 160 Millimetern. Die hydraulischen Bremsen arbeiten auch bei Nässe griffig und geben höchstens mal die üblichen Katzenjammer-Geräusche von sich, wenn sie feucht sind. Die Hörner der Schalthebel sind lang und lassen sich gut greifen. Zusammen mit dem großen Rahmen und dem langen Vorbau tragen sie dazu bei, dass der Radler sportlich gestreckt auf dem Addict sitzt.

Der mattschwarze Rahmen sieht edel und angenehm zurückhaltend aus - für Farbe muss der Radler selbst sorgen, aber die meisten Trikots sind ja ohnehin krachbunt. Auf die Syncros-Laufräder hat Scott 28-Millimeter-Reifen montiert, also recht breite Exemplare, die die Alltagstauglichkeit verbessern. Die Reifen schlucken mehr Erschütterungen als die 23- oder 25-Millimeter-Mäntel, auf denen Rennräder üblicherweise rollen. Mit dem Scott Addict 30 Disc lässt sich dadurch auch mal durch den Wald oder über einen Schotterweg rumpeln, ohne dass sich sofort Sorge um das filigrane Material einstellt.

Diese Einstiegsdroge ist zu teuer

Mit etwa 8,5 Kilogramm Gewicht zählt das Modell zwar zu den schweren Rennrädern, aber es macht trotzdem ordentlich Spaß, damit durch die Gegend zu rollen. Für den Rennrad-Snob ist das Scott Addict 30 Disc deshalb ein mögliches Rad der Wahl, um damit zum Beispiel zur Arbeit zu pendeln: Obwohl die unvernünftig edlen Räder zu Hause in der Garage warten, macht die Fahrt trotzdem Spaß. Für den Anfänger ist das Modell hingegen tatsächlich eine passende Einstiegsdroge.

Doch auch Einstiegsdrogen haben ihren Preis, das gilt besonders bei Fahrrädern. Seit Radfahren zum Trend und Räder zum Statussymbol geworden sind, steigern die Hersteller nämlich die Dosis: Sie verlangen immer höhere Preise für ihre Produkte. Das Scott Addict 30 Disc kostet 2999 Euro - das ist für ein Rennrad mit dieser Ausstattung enorm happig. Für diesen Betrag gibt es bei anderen Herstellern Modelle, die deutlich besser ausgestattet sind. Im Fall des Scott Addict 30 Disc kostet Selbstbeschränkung schmerzhaft viel Geld. Zu viel Geld.

Hinweis der Redaktion: Das hier vorgestellte Produkt wurde der Redaktion vom Hersteller zu Testzwecken leihweise zur Verfügung gestellt.

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