(SZ vom 11.01.1992) Rein statistisch gesehen ist jeder Personenwagen in Deutschland nur mit 1,5 Personen besetzt - ein häufig beklagtes Faktum, das die Ineffektivität des automobilen Individualverkehrs belegen soll. Daran gemessen nimmt, sich das steigende Interesse der Deutschen an sogenannten Großraum-Limousinen wie dem Renault Espace etwas verwunderlich aus. Wenn doch im Durchschnitt maximal zwei Personen in einem Auto reisen, wie ist dann der angeblich zunehmende Raumbedarf zu erklären? Im Espace dürfen bis zu sieben Personen transportiert werden. Als einer der ersten seiner Kategorie war der Espace, was Raum auf französich bedeutet, vor sieben Jahren noch eine Art Unikat. Er traf den Geschmack der Käufer hierzulande aber so gut, daß Frankreichs Autohersteller Nummer eins nun schon eine überarbeitete Version ins Rennen geschickt hat. Der Espace konkurriert mit beliebten Modellen wie dem neuen VW Caravelle, dem Chrysler Voyager und dem Pontiac Transport. VW arbeitet im Verbund mit Ford derzeit noch an einemsolchen Fahrzeug und Mercedes lädt seine Kunden mit Großraum-Vorstudien zum Träumen ein.
Der neue Espace ist von außen ansehnlicher, weil seine Form bedeutend rundlicher geworden ist. Die Dachträger wurden schmaler, das kommt der Sicht zugute, der Tank faßt jetzt 77 Liter. Außerdem wurden die Außenspiegel so versetzt und ergonomisch richtig positioniert, daß der Fahrer einen besseren Überblick hat.
Der Motor ist vorne in Längsrichtung eingebaut. Das ergibt aus der Sicht von Fahrer und Beifahrer einen langen Vorbau, der indessen gut zu überblicken ist. Die Großraumlimousine verfügt normalerweise über einen Frontantrieb. Sie wird in Verbindung mit dem 79 kW (107 PS) starken 2,2-Liter-Vierzylinder-Aggregat auch mit Allradantrieb angeboten. Die zweite Motorisierungsvariante ist ein V 6- Motor mit 110 kW (150 PS).
Im Fahrbetrieb zeigte sich der V 6 als ausgezeichnete Alternative zum Vierzylinder. Denn der aus dem Renault 25 übernommene,hubraumstarke Motor bietet nur Vorzüge. Er ist durchzugsstark, laufruhig und sparsam. Der durchschnittliche Verbrauch pendelt, je nach Fahrweise, zwischen 9,5 und 10,9 Litern je 100 Kilometer. Leer wiegt der Espace rund 1300 Kilogramm - nutzt der Fahrer die zulässige Zuladung von knapp 800 Kilogramm einmal voll aus, kann dadurch der Kraftstoffverbrauch um zwei bis drei Liter je 100 Kilomter steigen.
Ausgezeichnetes Handling
Das Handling des Espace ist ausgezeichnet: Im Stadtverkehr ermöglichen die hohe Sitzposition, die leichtgängige Lenkung und die exakte Fünfgang-Schaltung ein entspanntes Fahren; außerorts trägt der durchzugsstarke Motor zu einer flotten und komfortablen Fahrweise bei. Weil Renault die Auflage und die Führung der vorderen Einzelsitze verbessert hat, eignet sich der Espace auch vorzüglich zu Langstreckenfahrten.
Die besondere Stärke dieses ungewöhnlichen Fahrzeugs liegt beim ausgefeilten Raumangebot. Dies wird im Vergleich mit einer Mittelklasse-Limousine wie dem Audi 80 deutlich: Der Espace hat zwar die gleiche Karosserielänge, ist aber knapp zehn Zentimeter breiter und fast 20 Zentimeter höher. Der damit gewonnene Raum kommt den Mitfahrern zugute. Wie die übrigen Fahrzeuge dieser Klasse hat auch der Espace eine große Heckklappe, allerdings keine Schiebetür. Die hinteren Sitze sind leicht auszubauen, so daß eine geräumige Ladefläche entsteht, auf der zum Beispiel zwei Fahrräder aufrecht stehend und in Spezialhalterungen verankert transportiert werden können.
Automatikgetriebe fehlt
Vermißt haben wir im Espace-Angebot eineGetriebeautomatik, die zum Beispiel den Mitbewerbern aus den USA so gut zu Gesicht steht. Ansonsten ist alles da, was ein vielseitiges Fahrzeug auszeichnet: unter anderem eine Zentralverriegelung mit Infrarot-Fernbedienung, ein Anti-Blockier-System, Aluminiumräder und drehbare, vordere Einzelsitze, bei denen die Sitzlehnen zudem in Tische verwandelt werden können. Der neue V6-Espace RN wird für 51 530 Mark angeboten, die besser ausgestattete RT-Version kostet 60 350 Mark.
Von Georg Weden