Süddeutsche Zeitung

Renault Clio:Groß geworden und an die Kleinen gedacht

Der neue Renault Clio ist die Fortsetzung des Minivans Modus mit anderen Mitteln, aber deshalb nicht ohne Reiz.

Michael Harnischfeger

Die Konkurrenz war dem Clio etwas über den Kopf gewachsen. Polo, Punto, Fiesta, Corsa - die einstmals Kleinen schielten unübersehbar in Richtung Kompaktklasse und boten mehr Platz als der Renault, der in zweiter Generation seit 1998 produziert worden war.

Von Oktober an wird nun alles anders, denn die Neuauflage legte in allen Dimensionen kräftig zu. 17 Zentimeter mehr Länge, sieben Zentimeter mehr Breite und sechs Zentimeter mehr Höhe machen den Renault zu einem stämmig dastehenden Kompakten, der sein neues Format auch durch eine neue Formensprache unterstreicht.

War der Vorgänger im Grunde rundlich und etwas feminin, kommt die Neuauflage deutlich voluminöser und auch zugespitzter daher. Gestalterische Wagnisse wie beim grandios exzentrischen Coupé-Van Avantime verkniff sich der "Créateur d'Automobiles" allerdings, selbst das polarisierende Kutschenheck des Mégane kopiert der Clio nicht.

Platz da!

Er folgt der gefällig-verbindlichen Formensprache des kleinen Vans Modus, mit dem er sich auch die Plattform teilt. Kann der kürzere, aber höhere Modus als Angebot für jene gelten, die auf kompaktem Raum Variabilität und die Souveränität einer hohen Sitzposition suchen, gibt der konventioneller gestrickte Clio sozusagen den Sport-Modus. Das bedeutet allerdings nicht, dass Platz ein Fremdwort wäre.

Nicht nur im Vergleich zum Vorgänger hat der Clio hier einen großen Schritt getan. Der um zehn Zentimeter gestreckte Radstand erlaubt einen generös geschnittenen Innenraum. Leben die Vorderleute ihre Körperlichkeit ungeniert aus, stoßen die Knie der hinten Sitzenden zwar an die weich gepolsterten Lehnen. Ein tauglicher Viersitzer ist er trotzdem. Mit 288 Liter Kofferraumvolumen, die sich auf maximal 1026 Liter erweitern lassen, hat er zudem auch in diesem Punkt den Anschluss an den Wettbewerb geschafft.

Auch die Inneneinrichtung folgt dem Stil des Modus. Das ist kein Fehler, denn die Instrumente sind übersichtlich, die Knöpfe, Tasten und Hebelchen sinnvoll platziert. Bei der Materialauswahl bemühte sich Renault erfolgreich um sicht- und fühlbare Qualität. Schön auch, dass sich die Vordersitzlehnen endlich stufenlos justieren lassen. Bisher lag der Wohlfühlbereich immer genau zwischen zwei Positionen der allzu grob gerasterten Verstellmimik.

Gesicherte Kinder

Renault spart nicht mit Clio-Variationen. Es gibt ihn zwei-, es gibt ihn viertürig. Vier Ausstattungsversionen, sieben Motoren und eine Fülle von Extras stehen zur Wahl - vom schlüssellosen Zugang über Abbiegelicht bis zu Bi-Xenonscheinwerfern. Serienmäßig sind in jedem Fall fünf Sterne im EuroNCAP-Crashtest und - darauf ist Renault besonders stolz - ein sehr gutes Resultat im zusätzlich durchgeführten Test zur Kindersicherheit.

Die liegt, so Renault, im Clio auf besonders hohem Niveau, da zum Beispiel der hintere Mittelsitz ein erhöhtes und verkürztes Kissen hat, auf dem Kinder besonders gut geschützt sind. Gegen einen kleinen Aufpreis lässt sich dieser Platz auch mit einer Kopfstütze ausrüsten, deren Rahmen sich nach unten klappen lässt, wo er den Hals eines schlafenden Kindes sanft umgreift und stützt.

Die sonstige Sicherheitsausstattung ist gut, reicht von Front-, Seiten- und Kopfairbags bis hin zu speziellen Luftkissen im Vordersitz des Zweitürers, die verhindern sollen, dass man beim Frontalcrash unter dem Gurt hinwegtaucht. ESP ist ab 74 kW (100 PS) Motorleistung serienmäßig an Bord, sonst mit 500 Euro Aufpreis verbunden und nur in Kombination mit der 48kW (65 PS) starken Basismotorisierung nicht lieferbar.

Motorenvielfalt

Die muss es ersten Fahreindrücken zufolge allerdings nicht sein. Der nächst größere Motor, ein ebenfalls 1,2 Liter großer Vierzylinder mit 55kW (75 PS), verbraucht nämlich laut Herstellerangaben mit 5,9 Liter Super nicht mehr und kostet mit 11.250 Euro in der Basisausstattung Authentique nur 300 Euro mehr.

Großtaten in Sachen Elastizität darf man von diesem Motor natürlich nicht erwarten. Doch laufruhig und drehfreudig wie er ist, passt er sehr gut zu diesem Auto, das sich mit geringem Krafteinsatz bedienen lässt. Im Falle der elektrischen Servolenkung wäre sogar ein etwas handfesteres Wesen wünschenswert. Denn speziell in Kombination mit dem 1,5-Liter-Turbodiesel, den es mit 68, 86 oder gar 106 PS (von 2006 an auch mit Partikelfilter) gibt, berichtet die Lenkung kaum etwas von dem, was sich zwischen Reifen und Fahrbahn tut.

Anspruchsvolle Fahrer kann dies durchaus stören, zumal der Clio sehr wohl für beherzte Fahrweise zu haben ist: Obwohl die langhubige Federung von sanftem Gemüt ist, hat der Kleine nichts gegen forcierte Kurvenfahrt, wobei sich die Seitenneigung in überschaubaren Grenzen hält.

Wer nur kommod durch Stadt und Land reisen will, wird sich sicher an diese Gefühllosigkeit gewöhnen und eher davon schwärmen, dass der Clio ein großer Leisetreter ist, der Abroll- und Windgeräusche weitgehend draußen hält.

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Quelle:
SZ vom 1. 10. 2005
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