Rechnungshof: Rüffel für Tiefensee:Finanzfiasko an der Autobahn

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Sie sollen modern und effizient sein: Partnerschaften zwischen Staat und Privatfirmen im Autobahnbau. Doch der Rechnungshof räumt mit der Idee auf. Im Blickpunkt: Verkehrsminister Tiefensee.

Es sollten so schöne Piloprojekte des neuen Autobahnbaus in Deutschland werden, Modelle einer wunderbaren Partnerschaft zwischenen Staat und Wirtschaft: "Public Private Partnerships", öffentlich-private Partnerschaften.

Autobahnbau "mit hoher Wirtschaftlichkeit" - doch an der nötigen Effizienz hapert es offenbar. (Foto: Foto: ddp)

Hauptförderer: Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee (SPD). Wird ein neues Projekt gestartet, betont er gerne, dass die Fernstraßen auf diese Art "schneller und effektiver" gebaut werden sollen, mit "hoher Wirtschaftlichkeit".

Doch an der nötigen Effizienz hapert es offenbar. Der Präsident des Bundesrechnungshofes (BRH), der auch als "Bundesbeauftragter für Wirtschaftlichkeit in der Verwaltung" firmiert, hat ein Gutachten zu vier Vorzeigeprojekten mit Öffentlich-Privaten Partnerschaften ("A-Modelle") verfasst. Ergebnis: Die Autobahnen werden kaum schneller oder besser ausgebaut, dafür aber viel teurer.

"Schallende Ohrfeige"

Der Grünen-Verkehrsexperte Anton Hofreiter nennt das Papier "eine schallende Ohrfeige für Herrn Tiefensee". Das Verkehrsministerium betonte, es teile die im Gutachten angeführten Einschätzungen nicht, da für Kernaussagen eine belastbare Datengrundlage fehle.

Bei den vier Projekten handelt es sich um die Autobahnabschnitte zwischen Augsburg-West und München (A8), zwischen Bremer Kreuz und dem Dreieck Buchholz (A1), zwischen Malsch und Offenbach (A5) sowie um die Strecke zwischen Gotha und der Landesgrenze Hessen/Thüringen (A4). Bei ihnen hinterfragt der Bericht besonders hart die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen, auf deren Grundlage die Projekte geplant und angeschoben wurden.

Aufgrund darin enthaltener Kerndaten sehen die Autoren zwei Gefahren: Entweder geraten die beteiligten Unternehmen durch die Projekte in die Insolvenz oder der Staat verschwendet Unmengen an Steuergeldern. "Dabei geht es um Milliardensummen", sagt Grünen-Experte Hofreiter, der Tiefensee einen "skandalös leichtfertigen Umgang mit Steuergeldern" vorwirft.

Die Kritik trifft ein Modell, das sich angesichts knapper Kassen bei vielen Politikern seit Jahren zunehmender Beliebtheit erfreut.Bei Öffentlich-Privaten Partnerschaften im Autobahnbau erhalten Unternehmen in der Regel für 30 Jahre die Konzession für einen bestimmten Streckenabschnitt, den sie ausbauen, betreiben und erhalten müssen.

Im Gegenzug bekommen sie während der Vertragslaufzeit den weitaus größten Teil der auf der Strecke anfallenden Mautgebühren sowie bei einigen Projekten einen Teil der anfallenden Baukosten als Anschubfinanzierung.

Durch diese Konstruktion fallen zunächst relativ geringe Kosten an. Allerdings werden Einnahmen der Zukunft schon heute verpfändet. "Es werden heimlich und versteckt Schulden zulasten künftiger Generationen gemacht. Die verantwortlichen Politiker können jetzt mit Projekten protzen, bezahlen aber müssen das später andere", kritisiert Hofreiter. Er wirft dem Ministerium vor die Projekte schöngerechnet zu haben, damit der Verkehrsminister sie als Erfolge präsentieren kann.

Erlaubt sind solche Modelle nur, wenn Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen ergeben, dass sie für den Bund im Vergleich zu konventionellen Auftragsvergaben über die Behörden vorteilhafter sind. Bei den Pilotprojekten hat der Rechnungshof daran deutliche Zweifel. Er sehe die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen des Ministeriums "kritisch", heißt es.

Ein Grund dafür sind die Annahmen des Bundes zu den Mautgebühren. Die fallen so gering aus, dass es für den Bund scheinbar lukrativer ist, Privatunternehmen einzuschalten. Doch ausgerechnet deren Prognosen gehen von weitaus höheren Einnahmen aus. Die Schätzungen der erfolgreichen Bieter lagen laut Gutachten "zwischen 55 und 75 Prozent über den Mautprognosen des Bundes".

Drei Milliarden Euro für Pilotprojekte

Die Regierung hatte für die Pilotprojekte insgesamt Mauteinnahmen von gut drei Milliarden Euro angesetzt. "Selbst wenn diese Zahl nur um 50 Prozent übertroffen wird, erhalten die Privaten rund 1,5 Milliarden Euro mehr als berechnet. Sie bekommen für ihre Leistung viel mehr Geld als eingeplant", rechnet Hofreiter vor. Die Autobauprojekte würden damit viel zu teuer eingekauft und Steuergelder verschwendet.

Die vorgelegten Zahlen der Unternehmen schätzt das Ministerium laut Gutachten grundsätzlich als solide kalkuliert ein. Es habe, so der Rechnungshof, festgestellt, dass die Anbieter "die zukünftigen Fahrleistungen auf Basis gut begründeter und recherchierter Annahmen seriös und professionell herleiten". Dennoch setzte das Ministerium seine eigenen Zahlen an. Die internen, tatsächlichen Kostenkalkulationen der Privaten seien nicht bekannt, gebe es "nicht gewünschte Gestaltungsmöglichkeiten bei der Angebotslegung".

Mit anderen Worten: Die Privaten könnten zu optimistische Einnahmen kalkuliert haben, um begründen können, warum sie mit einer möglichst geringen Anschubfinanzierung - sie ist das entscheidende Vergabekriterium - auskommen könnten.

Für mit dem Vorgang befasste Insider ist diese Argumentation wenig überzeugend. Zwar sei anzunehmen, dass die Bieter strategisch geboten und etwas überhöhte Zahlen angesetzt hätten. "Aber das", so ein Fachmann, "dürfte nur einen geringen Teil der Kostendifferenzen ausmachen. Die Wahrheit bei den erwartbaren Mauteinnahmen liegt deutlich näher an den Annahmen der Privaten".

Kostenschätzungen bewusst zu hoch angesetzt

Für die Zahlen der Firmen sprechen auch die Feststellungen der Rechnungshof-Experten. Die von den Firmen angesetzten Kosten hätten, so das Gutachten, anhand der Unterlagen zum Bau-, Betriebs- und Erhaltungsaufwand sowie durch die Finanzierungszusagen der Banken zu 80 bis 90 Prozent nachvollzogen werden können. Es sei daran nicht unmittelbar zu erkennen gewesen, dass die Privatfirmen Maut- oder Kostenschätzungen künstlich bewusst zu hoch angesetzt hätten.

Insgesamt hätten die Auswertungen ergeben, dass die Unternehmen bei den Pilotprojekten, falls die Annahmen des Bundes richtig wären, im Durchschnitt nur 69 Prozent ihrer Kosten decken könnten. "Die Schlussfolgerung ist zwingend: Entweder stimmen die hohen Einnahmeschätzungen der Unternehmen, dann verschwendet der Bund Milliarden. Oder der Bund hat recht, dann gehen die Firmen pleite. Auf jeden Fall steuern diese Pilotprojekte geradewegs auf ein finanzielles Fiasko zu", urteilt Hofreiter.

Doch nicht nur wegen der Finanzierung sind die Modelle fragwürdig. Auch die Möglichkeit, dass Private durch Innovationen zu einer Reduzierung der Baukosten beitragen können, sieht der Rechnungshof als "sehr begrenzt" an. Dies würden auch Gutachter des Ministeriums so einschätzen. Ebenfalls skeptisch betrachten die Prüfer die Annahme, Öffentlich-Private Partnerschaften würden die Kosten für den Erhalt und Betrieb der Strecken senken.

Er empfiehlt dem Ministerium, in Zukunft "nur solche Projekte nach dem A-Modell umzusetzen, bei denen die Wirtschaftlichkeit nachgewiesen wurde". Das war bei den bisherigen Milliardenprojekten offensichtlich nicht der Fall.

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