Das steht sie nun, die Zukunft: am Rande der Autobahn. Sie trägt die Nummer "1" und sieht doch so aus, als habe man sie auf einen letzten Platz verwiesen. Dorthin, wo jetzt in der Ferienzeit die tosenden Autos und donnernden Lastkraftwagen, die Wohnmobile mit den gelben Kennzeichen und die Mitglieder eines fränkischen Biker-Clubs aus der A 9 zwischen Nürnberg und München eine Autobahn zur Hölle machen. Immer wenn ein großer Lastwagen vorbeirast, als wolle der Fahrer den Highway-to-hell-Sound von AC/DC wörtlich nehmen ("Nobody's gonna slow me down"), scheint die Zapfsäule mit der Nummer "1" ein bisschen zu zittern.
Übrigens fürchtet sie sich zu Recht. Denn diese Zapfsäule bietet ausweislich ihrer Beschriftung über der Zapfpistole, die trotz signalgelber Einfärbung schüchtern wirkt, ausschließlich "Diesel". Ist das die Zukunft? Kaum. Jedenfalls dann nicht, wenn das Umweltbundesamt recht hat. Nach den soeben veröffentlichten Berechnungen des Amtes markieren die Tricksereien der kriminellen Autobranche, die vor drei Wochen während des "Diesel-Gipfels" unverfrorenerweise als Lösungen präsentiert wurden, eben genau nicht den Weg in die Zukunft. Sondern sie illustrieren die Allgegenwart einer Mobilitätskrise, die von den uneingelösten Versprechungen der Vergangenheit erzählen.
Autobahn:Bei München entsteht die "Raststätte der Zukunft"
An Deutschlands modernster Rastanlage soll es sogar Scheibenklar-Flüssigkeit zum Direkttanken geben. Ein Besuch auf der Baustelle an der A 9.
Das gilt auch für die deutsche Mobilitäts-"Leitmesse", die Internationale Automobilmesse IAA, die in Frankfurt am 14. September eröffnet wird. Wobei sie sich ebenfalls nicht der Zukunft, sondern lieber der retroseligen Vergangenheit nähert. Zu sehen wird vor allem das sein, was PS-Freaks und die Verzagten aus den Vorstandsetagen der Autogestrigkeit so heiß begehren: Luxuslimousinen, Sportwagen und SUVs, als Benziner oder als Diesel. Irgendeine Form von Fortschritt muss man auf dieser IAA mit der Lupe suchen.
Schon deshalb ist es an sich sehr erfreulich, wenn kommende Woche die "Tankstelle der Zukunft" an der A 9 eröffnet wird. Wobei der bürgerliche Name so lautet: Fürholzen West. Fürholzen ist ein Dorf, knapp 30 Kilometer nördlich von München. Am 1. September wird dort die futuristische Tanke mit Pomp eröffnet. Man verspricht sich viel. Wenn man sich aber dem gerade noch im Fertigwerden befindlichen, schwungvoll dynamisierten Flugdachgebilde (Entwurf: Allmann Sattler Wappner Architekten) nähert, vorbei am emsigen Staccato der Akkuschlagbohrschrauber, ist die Enttäuschung umso größer. Wo "Zukunft" draufsteht, ist in Wahrheit die bittere Gegenwart drin.
Die Anlage soll energieautark sein
Insofern ist diese alles andere als utopische oder gar visionäre Tankstelle nicht nur ein Prestigeprojekt der in Bonn ansässigen Unternehmensgruppe Tank & Rast, die fast vierhundert Rastanlagen in Deutschland betreibt, sondern in ihrer tatsächlichen Banalität eben das sehr große Fragezeichen einer Gesellschaft, die sich in einer gewaltigen Mobilitätskrise befindet.
Natürlich ist es praktikabel, wenn nun an sehr vielen Zapfsäulen nicht nur Diesel oder Benzin, sondern auch Flüssiggas und sogar Wasserstoff getankt werden kann. Funktional (und sogar umweltbewusst) ist auch die Idee, gleich an der Zapfsäule außer Luft für die Reifen auch Scheibenklar-Flüssigkeit direkt aus einer Zapfpistole anzubieten. Und immerhin: Das Rondell neben der wie mit einem beherzten Malerpinsel hingetupften Dachschleife, die Zapfsäulen und Gastronomie verbindet, ist E-Fahrern vorbehalten. Also, den wenigen. Außerdem soll die Anlage dank Photovoltaikanlage und Blockheizkraftwerk im Idealfall energieautark sein.
Der Lkw-Parkplatz ist an Flächenfraß kaum zu überbieten
Trotzdem ist schon jetzt klar, dass hier einfach die traditionelle Mobilitätsstruktur, die aus Autobahnen so depressiv verstimmte Zwischenorte des Unterwegsseins machen, schlicht ins Gigantische gesteigert wurde. Der Lkw-Parkplatz, fünfzehn Millionen Euro teuer, ist an Flächenfraß kaum zu überbieten. Mehr als 150 Pkw können daneben geparkt werden. Es gibt Stellplätze für Pkw mit Anhänger und Busse. Das ganze Areal hat etwas vom Raumhunger eines kleinen Flughafens. Der Flächenverbrauch ist so grotesk umweltschädlich, dass die paar Photovoltaikelemente auf dem Dach der nach außen hin elegant wirkenden Anlage wie Hohn wirken.
Im Inneren übrigens wurden die Planungen der Architekten übergangen. Zu sehen ist nun der übliche Verhau aus dem Baumarkt-Fundus. Tankstellen sind schon lange Fastfood-Betriebe und Shoppingmalls. In diesem Fall mit dem lichttechnischen Gestaltungsanspruch röhrender Hirsche. Das ist nicht gerade neu. Auf wirklich neue Tankstellen müssen wir also ebenso warten wie auf wirklich neue Formen der Mobilität. Bis dahin ist auch an der A 9 fast alles wie gestern. Nur größer.
Würde die "Tankstelle der Zukunft" abseits von etwas Photovoltaik einen Hinweis auf Lösungen zur Pendlerfrage oder zum Güterverkehr bieten, wäre das zu begrüßen. So steht man vor Multifunktionszapfsäulen, die vom Wasserstoff bis zum Diesel alles bieten. Genau das illustriert die mobile Ratlosigkeit der Gegenwart.