Radverkehr:Beispiel 3: Modaler Filter

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Best-Practise-Beispiele zu Radverkehrs-Infrastruktur in anderen Ländern für das Projekt "InnoRad"

Ein Bild aus London: Poller fungieren in einer Wohnstraße als „modale Filter“, lassen also nur bestimmte Verkehrsteilnehmer durch.

(Foto: ADFC)

Wie sieht die Idee aus? Stadt- und Verkehrsplaner haben manchmal eine komische (Fach-)Sprache: Was sie "modale Filter" nennen, kennen viele Verkehrsteilnehmer aus dem Alltag als Poller oder Blumenkübel. Die werden so aufgestellt, dass eine Straße oder ein Platz zwar für Fußgänger und Radfahrer sowie Menschen mit Rollatoren, Kinderwägen oder Rollstühlen passierbar bleibt, Autofahrer aber nicht durchkommen - also die verschiedenen Verkehrsarten ("Modi") gefiltert werden. So lassen sich Wohnviertel beruhigen und von Autos und Lkw wenig befahrene Radrouten schaffen. Modale Filter können auch helfen, kleinräumige Fußgängerzonen in Stadtvierteln anzulegen, etwa vor Schulen, Rathäusern, Theatern oder Bibliotheken. Diese Orte ließen sich so aufwerten, Händler und Läden siedeln sich dort unter Umständen (wieder) an, die Nahversorgung wird verbessert - und damit, wenn alles gut läuft, die (Auto-)Fahrt zum weit entfernten Supermarkt am Ortsrand unnötig.

Warum wäre sie sinnvoll für Deutschland? "Einfach und preiswert" seien die modalen Filter, sagt Melissa Gómez vom ADFC. Viele kleine Projekte fänden sich bereits in deutschen Städten und Gemeinden, es könnten aber aus ihrer Sicht noch deutlich mehr werden - vor allem auch in Kommunen im ländlichen Raum.

Wo liegen die Probleme in Deutschland? Noch setzen deutsche Stadtplaner die modalen Filter aus Sicht des ADFC zu zögerlich ein - wenngleich diejenigen Städte und Gemeinden, die es machen, mitunter auch ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. Geschäftsleute zum Beispiel drängen oft darauf, dass ihre Läden weiterhin mit dem Auto erreichbar sein müssen. Und andere Kritiker finden, dass die ungeregelte Freigabe großer Flächen für Fußgänger wie Radfahrer kritisch werden könnte - insbesondere schnelle, auch rücksichtslose Radler könnten querende Fußgänger gefährden.

Beispiel 4: Der Superblock

Wie sieht die Idee aus? Wer die "modalen Filter" in größerem Maßstab einsetzt, kann einen "Superblock" schaffen - damit meinen Stadt- und Verkehrsplaner eine größere Zone oder gar ein ganzes Viertel, aus dem der Kfz-Verkehr weitgehend ausgesperrt wird. Der Durchgangsverkehr wird somit draußen gehalten, es entsteht eine verkehrsberuhigte Zone, in der der öffentliche Raum ganz anders genutzt werden - zum Beispiel für "Pocket Parks", kleine Grünflächen inmitten von urban geprägten Quartieren. In Londen, sagt ADFC-Expertin Melissa Gómez, seien so in manchen Stadtteilen auch ehemals "dunkle Ecken", in denen sich mitunter Drogendealer tummelten, "aufgewertet" worden - und das nur, weil einstige Asphaltflächen bepflanzt oder mit hellem Pflaster umgestaltet wurden.

Warum wäre sie sinnvoll für Deutschland? Unter anderem in Berlin und Hamburg wird bereits über Superblocks diskutiert. Wichtig sei, sagt Gómez, dass deutsche Kommunen eine Art "Ausprobierkultur" entwickeln müssten - also mit wenig Aufwand einfach mal ein Stadtviertel weitgehend autofrei gestalten, etwa indem Blumenkübel als modale Filter aufgestellt werden. So könne man sehen, wie die Menschen darauf reagieren. "Wenn man die neue Situation mal erfahren hat, will man es vielleicht gar nicht mehr anders."

Wo liegen die Probleme? Bis vor Kurzem erstickten zahlreiche Vorschriften in der StVO solch eine "Ausprobierkultur". Nach einer Änderung der entsprechenden Verordnung, die der Bundesrat vor Kurzem beschlossen hat, ist das nun nicht mehr gegeben - nun seien die Kommunen gefordert, die Möglichkeiten zu nutzen, findet Gómez. Wichtig sei dabei eine umfangreiche Bürgerbeteiligung vor und während der Umgestaltungs- und Ausprobierphase, um etwa Vorbehalte bei Anwohnern und Gewerbetreibenden auszuräumen.

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