Radarkontrollen:Freund und Helfer

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Berliner Polizisten sollen private Internetseiten mit genauen Informationen über Radarfallen versorgt haben.

Dominik Stawski

Die Internetseite ist wertvoll, zumindest für alle Autofahrer, die verhindern möchten, in ihrem Wagen geblitzt zu werden: Auf www.blitzberlin.de gibt es detaillierte Informationen zu Radarfallen in der Hauptstadt und im Umland, und auf den ersten Blick scheint das völlig legitim zu sein, schließlich werden auch im Radio regelmäßig die aktuellen Blitzer gemeldet. Doch in der Hauptstadt hat sich um das Portal ein handfester Streit entwickelt, die Polizei hält die Informationen der Seite nämlich für viel zu detailliert. Der Verdacht: In den Reihen der Beamten sitzen Verräter, die den Betreiber informieren.

Warnungen vor Geschwindigkeitskontrollen sind umstritten - nicht nur in Berlin. (Foto: Foto: AP)

Denn die Website steckt voll mit ungewöhnlichen Einzelheiten über Radarkontrollen: Zahlreiche zivile Messautos der Berliner Polizei sind auf Fotos abgebildet, dazu die aktuellen Kennzeichen der insgesamt 36 Fahrzeuge sowie ihre Standorte. Bei einigen Autos gibt es sogar Aufnahmen, die erkennbar aus dem Wageninneren gemacht wurden. Die Betreiber protzen mit nützlichem Fachwissen über Messgeräte und Radartechnik; außerdem hält die Website wertvolle Tipps parat: Die Top Ten der beliebtesten Blitz-Standorte in den Polizeidirektionen zum Beispiel. An anderer Stelle der Hinweis: "Messungen in der Nacht - mit Ausnahme der Videomethode - bedürfen wegen der höheren Kosten (Nachtschichtzulagen) einer Sondergenehmigung und werden daher seltener durchgeführt."

Der Berliner Polizeipräsident Dieter Glietsch ärgert sich darüber, dass die Informationen an die Internetseite gelangt sind: Dem Berliner Tagesspiegel sagte er, es sei "völlig unmöglich", wie die Polizisten "die eigene Arbeit sabotieren". Die Berliner Polizei hat nach eigenen Angaben gegen vier Kollegen Disziplinarverfahren angestrengt. Zudem haben die Zivilstreifen neue Kennzeichen bekommen. Erfolg hatte die Maßnahmen kaum: Die neuen Kennzeichen landeten prompt wieder auf blitzberlin.de. Die Ermittlungen gegen drei Beamte wurden bereits wieder eingestellt, weil die Kollegen ihnen nichts nachweisen konnten; zumindest in einem Fall konnte man einem Polizisten nachweisen, dass er Informationen weitergab. Gegen ihn wurde eine Disziplinarmaßnahme ausgesprochen.

Besitzer der weiter aktuellen Domain ist eine Werbeagentur in Giebelstadt bei Würzburg. Ein Bekannter aus Berlin betreibe die Website, sagt der Chef der Agentur. "Ich unterstütze aber das Vorhaben und finde das sehr gut." Dass die Polizei Verräter in den eigenen Reihen vermute, bezeichnet er "als völligen Quatsch". Sein Freund laufe eben gern mit der Handykamera rum. Und woher die genauen Beschreibungen und die Nahaufnahmen der Geräte? "Ich sage nur: Tag der offenen Tür. Da zeigen das die Polizisten gern." Die Seite laufe gut, vor allem unter Berliner Taxifahrern sei sie sehr beliebt.

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Die Berliner Polizei beschäftigt sich indessen weiter mit dem Fall, auch wenn es bislang keine weiteren Personen gibt, gegen die ermittelt wird. Überhaupt ist Berlin in Sachen Radarkontrollen streng: Die Polizei in der Hauptstadt versucht alles, um die Informationen über die Kontrollen geheim zu halten. Während Beamte anderswo die Positionen der Kontrollen an Radiosender weitergeben, passiert das in Berlin seit 2007 nicht mehr.

Die Bekanntgabe habe dazu beigetragen, die Geldbörse von Schnellfahrern zu schonen, aber vor allem führe sie zu einer Verschlechterung der Verkehrssicherheit, sagt die Berliner Polizeiführung. Auch die Politiker kämpften oft gegen die Warnungen im Radio. Die Bundesregierung teilte aber zuletzt 2003 mit, dass ein Verbot der Blitzermeldungen nicht beabsichtigt sei, weil dadurch "in die vom Grundgesetz geschützte Rundfunkfreiheit eingegriffen würde".

Für den deutschen Verkehrssicherheitsrat sind die Blitzerwarnungen im Radio sogar ein Beitrag zu mehr Sicherheit. Untersuchungen hätten ergeben, dass die Autofahrer durch sie langfristig sensibilisiert würden, so eine Sprecherin. "Das ist Prävention." Was indes nicht zur Sicherheit beitrage, seien illegale Radarwarngeräte und Navigationssysteme mit Warnfunktion, weil sie dazu führten, dass kurzzeitig abgebremst werde. Und die Berliner Website? "Das ist eine Anleitung zum Rasen."

© SZ vom 05.01.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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