Puma do Brasil:Raubkatze auf Samtpfoten

Puma GTE 1600 und GTS 1600

Diese beiden Pumas sind zwei von nur knapp 50 in Deutschland existierenden Modellen.

(Foto: Thomas Harloff)

Ein Alfa Romeo? Ein Ferrari? Nein, ein Puma! In Deutschland kennt kaum jemand den brasilianischen Sportwagen. Schade: Eine Ausfahrt begeistert - und weckt Erinnerungen an den Käfer.

Von Thomas Harloff

Agil, geschmeidig, manchmal aggressiv und meist wunderschön anzuschauen: Die Attribute von Raubkatzen verwenden Autobauer gerne für die Beschreibung ihrer Produkte. Einige suchen auch mit ihrem Firmennamen oder Modellbezeichnungen die Nähe zur Welt der wilden Katzen. Am besten passt die Analogie wohl bei Jaguar, auch der legendäre italienische Sportwagen De Tomaso Pantera trägt seinen Namen durchaus zurecht.

Es gibt aber Beispiele, bei denen Namen aus der Tierwelt eher unpassend erscheinen. Beim Mercury Cougar zum Beispiel, der als typisch amerikanisches Muscle Car von der Wendigkeit seines Namensgebers, des Pumas, weit entfernt ist. Überhaupt, Mercury: Selbst brave Kompaktwagen bezeichnete die Ford-Tochter als "Lynx" und "Bobcat", die zwei nicht gerade friedliche Luchsarten bezeichnen. Der französische Mittelmotor-Sportwagen Matra Bagheera, benannt nach dem schwarzen Panther aus dem "Dschungelbuch", kam der Sache schon näher, war mit maximal 90 PS aber auch nicht gerade das, was man einen Supersportwagen nennt. Anders der Sunbeam Tiger aus den späten Sechzigerjahren, der mit geringem Gewicht und 200 PS starkem 4,7-Liter-V8 von seinem Fahrer mit strenger Hand gezähmt werden wollte.

Brasilianer mit italienischen Genen

Manche automobile Raubkatze kommt also auf Samtpfoten daher, andere sind allzeit zur Jagd bereit. Ein Vertreter dieser Gattung fehlt noch in der Aufzählung: der Puma. Optisch ist der Zweisitzer eine echte Rassekatze, könnte mit seinem flachen und gestreckten Erscheinungsbild auch als ein Alfa-Romeo- oder Ferrari-Modell aus den Sechzigerjahren durchgehen. So weit weg von der Wahrheit ist das nicht, denn der Gründer der einzigen brasilianischen Automarke, Genaro "Rino" Malzoni, ein in der Nähe von São Paulo ansässiger Rechtsanwalt und Hobby-Rennfahrer, war ein Einwanderer aus Italien, dem Mutterland der Sportwagen-Schönheiten.

Doch der Puma ist nur dem Aussehen nach ein echtes Raubtier. Schon sein Motorklang gibt einen Hinweis, dass er für gemütliches Krabbeln statt für temporeiche Jagdstreifzüge prädestiniert ist. Unter der schnittigen Kunststoff-Karosserie ist der Puma je nach Baujahr ein braver VW Käfer oder Karmann Ghia.

Der Motor des Puma GTS 1600

Der 1,6-Liter-Vierzylinder-Boxermotor des Pumas stammt vom VW Käfer und leistet etwa 50 PS.

(Foto: Thomas Harloff)

Als sich Malzoni in der frühen Phase seines automobilen Schaffens nach einer technischen Basis für seinen Sportwagen, den er auch in Autorennen einsetzen wollte, umsah, schienen ihm die zuverlässigen deutschen Konstruktionen am besten geeignet zu sein. Zuerst nutzte er das Chassis eines in Brasilien in Lizenz gebauten DKW-Modells. Mitte der Sechzigerjahre, als die zur Auto Union gehörende Marke im VW-Konzern aufging, brauchte Malzoni einen Ersatz - und fand ihn im Volkswagen-Portfolio. Brasiliens VW-Ableger fertigte bereits seit den frühen Fünfzigerjahren mehrere Modelle und half dem ambitionierten Geschäftsmann nur allzu gerne mit brandneuen Fahrgestellen aus.

Sportwagen mit 50 PS

Der Innenraum des Puma GTE 1600.

Im Interieur des Puma GTE 1600 geht es eng zu - vor allem im Fußraum.

(Foto: Thomas Harloff)

Die Anpassungsarbeiten bei der Verwandlung des Karmann Ghia und später des Käfers in den brasilianischen Puma hielten sich in Grenzen. Das Chassis musste vor der Hinterachse lediglich um 25 Zentimeter gekürzt und wieder verschweißt werden. Alle anderen Komponenten blieben weitgehend unangetastet. Lenkung, Fahrwerk, Antrieb - alles klingt, riecht und fühlt sich nach Käfer an. Besonders natürlich der knatternde und im Heck installierte Vierzylinder-Boxermotor in der 1,6-Liter-Ausbaustufe, der im Käfer wie auch im Puma etwa 50 PS leistet.

Das ist wahrlich kein Wert, der aus einem Auto einen ernstzunehmenden Sportwagen macht. Tatsächlich geht dem Boxer an Steigungen - besonders bei warmem Wetter - schnell die Puste aus. Doch das geringe Leergewicht von nur gut 800 Kilogramm relativiert die bescheidene Leistung. Bei ebener Strecke gleitet der Brasilianer geschmeidig im Landstraßentempo durch die Landschaft und lässt sich selbst von deutlich moderneren und leistungsstärkeren Autos nicht so leicht abschütteln. Zwischen 2000 und gut 4000 Umdrehungen fühlt sich das Triebwerk am wohlsten, und fällt die Drehzahl einmal aus der Komfortzone des Motors heraus, findet der erstaunlich exakt geführte Schalthebel im Viergang-Getriebe schnell den richtigen Anschluss. Sogar auf der Autobahn hält der Puma lange mit, wenn er die anderen auch ab 130 km/h ziehen lassen muss.

Fahrspaß ohne viel Leistung

Seine wahre Faszination entfacht der Südamerikaner jedoch in Kurven. Keine Spur von der Trägheit des Käfers, der mit einem unvermittelt auskeilenden Heck das fahrerische Talent seines Piloten auf die Probe stellte. Der Puma nimmt Kurven flott und sicher, vermittelt mit seiner satten Straßenlage ein souveränes Fahrgefühl. Hat man das Spiel um die Mittellage der Lenkung erst einmal überwunden und die eigenen Beine im engen Fußraum und unter dem flach stehenden Volant sortiert, lenkt er willig und exakt ein und vermittelt jene Wendigkeit, die seine namensgebende Raubkatze auszeichnet.

Der interessierten Blicke der Passanten kann man sich während einer Ausfahrt im Puma sicher sein. In ihnen zeigt sich Anerkennung, doch selbst Kenner rätseln, welches Auto da gerade ums Eck gebogen kommt. Der geringe Bekanntheitsgrad des Puma hierzulande ist nicht verwunderlich, schließlich kamen zwischen 1971 und 1980 nur etwa 80 Autos nach Deutschland. Von den insgesamt knapp 22 000 gebauten Exemplaren blieben die meisten in Brasilien. "Und selbst dort habe ich noch nie einen gesehen, obwohl ich schon sehr oft dort war", sagt Wolfgang Wessner, der die beiden hier vorgestellten Exemplare besitzt.

Wolfgang Wessner in seinem Puma GTS 1600.

Wolfgang Wessner hat lange gesucht, bis er seine Traumautos gefunden hat.

(Foto: Thomas Harloff)

Wessner ist ein pensionierter Flugbegleiter und nutzt seinen Ruhestand, um sich seiner Autoleidenschaft zu widmen. Sein Herz für den Puma hat der Hesse erst vor wenigen Jahren entdeckt. "Auf einem Oldtimertreffen bin ich auf das Auto aufmerksam geworden", sagt Wessner. "Je mehr ich mich damit beschäftigt habe, umso interessanter fand ich es." Die Suche nach dem richtigen Exemplar hat ihn sogar nach Südafrika gebracht, wo der Puma zeitweise in Lizenz gefertigt wurde. Dieses Vorhaben scheiterte aber an verschiedenen Formalitäten. "Einige Zeit später habe ich dann per Zufall meine beiden Raubkatzen in Deutschland gefunden", so Wessner.

Vom Marder heimgesucht

Puma GTS 1600

Eine echte Schönheit: Seine bescheidene Leistung sieht man dem Puma nicht an.

(Foto: Thomas Harloff)

Seine Sportwagen, das Coupé GTE 1600 und der Roadster GTS 1600, sind zwei von nur noch knapp 50 in Deutschland existierenden Pumas. Sie befanden sich seit ihrer Auslieferung in den späten Siebzigerjahren knapp 35 Jahre im Erstbesitz. Die vergangenen Jahre ihres Autolebens verbrachten sie ungenutzt in einer Scheune, bis sie Wessner befreite.

Besonders beim Coupé war viel Arbeit nötig, um es wieder in den Ursprungszustand zu versetzen. Neben dem Motor, den Wessner nach und nach überholen ließ, hat vor allem das Interieur gelitten. "Während der jahrelangen Standzeit hat es sich ein Marder im Innenraum gemütlich gemacht und dort Spuren verschiedenster Art hinterlassen", sagt der Oldtimer-Enthusiast, der das Interieur penibel wieder herrichten ließ. Auch die in der Szene begehrten Originalsitze, die er allerdings daheim eingelagert hat. "Darauf findet man keine angenehme Sitzposition, weshalb ich Sitze aus dem Porsche 911 G-Modell eingebaut habe", sagt Wessner. "Die haben wenigstens Kopfstützen und lassen sich vernünftig verstellen."

Das Investment lohnt sich bald

Von den Sitzen abgesehen, befinden sich Wessners Pumas im Originalzustand. Und gewinnen, auch aufgrund ihrer Exklusivität, kontinuierlich an Wert. Allein im vergangenen Jahr legte der offene GTS 1600 im guten Zustand 2 von 22 500 auf 25 000 Euro zu - Tendenz steigend. Das GTE Coupé liegt inzwischen bei 18 500 Euro. Damit wird es für Wolfgang Wessner allmählich rentabel. Inklusive Kaufpreis hat er in beide Autos über 40 000 Euro investiert. Doch die Wertsteigerung sei dem End-Fünfziger derzeit egal, sagt er. Er wolle nur auf die bisher wenig bekannten Raritäten aufmerksam machen. "Und ich will Spaß mit meinen Pumas haben", sagt Wessner, setzt seine eigens für seine Autos mit dem Markenlogo verzierte Baseballkappe auf und knattert mit seinem Oldtimer davon.

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