Praxistest: Citroen C4 Picasso 2.0i:Shuttle für Picard

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Citroëns C4 Picasso ist wie eine rollende Wundertüte mit Dauer-Abo: Ständig gibt es Neues zu entdecken. Wer mit weniger Pioniergeist fahren will, dem bleibt nur das Studium der Bedienungsanleitung.

Von Jürgen Wolff

Es gibt zwei Möglichkeiten, C4 Picasso zu fahren: Mit und ohne Handbuch. Die zweite ist die lustvollere, weil sie immer wieder für - in der Regel durchweg angenehme - Überraschungen sorgt und so für etwas weniger Langeweile im tristen Alltag. Die erste ist die sichere. Obwohl: Man muss sich dann schon ein paar Mal durch den dicken Schmöker kämpfen, bis man halbwegs alles im Kopf hat.

Anschließend erlebt man zwar nicht mehr den Hormonschub heißer Entdeckerfreude, wenn man zum Beispiel ein neues und bisher unbekanntes Staufach im Armaturenbrett entdeckt - aber man weiß wenigstens von Anfang an, wo man seine Tic Tacs am besten unterbringt.

Picasso fahren ist - sorry, Bayern - Freude am Fahren. Wenn man investiert und sich in das Designstück noch ein paar Extras packen lässt. Die Panoramafrontscheibe zum Beispiel. Die Blende weit zurück ins Dach - und man weiß, wie sich Jean-Luc Picard beim Landeanflug mit dem Shuttle fühlt.

Man kann das natürlich auch nüchterner beschreiben: Gegenüber einem herkömmlichen Van ist der vertikale Blickwinkel von 35º auf 70º erweitert, da der Dachquerträger um mehr als 30 Zentimeter zurück verlegt worden ist. Aber wie klingt das als Beschreibung für ein Gefühl wie in der Hubschrauberkanzel?

Taschenlampe im Kofferraum

Der Citroën C4 steckt voll von solchen Design-Schnittchen, die jede Fahrt zu einem Ausflug in einem kleinen Erlebnispark machen - und nur manchmal nerven. Ein weiteres Beispiel? Bitte: 32 mögliche Lichtquellen sorgen nachts innen für ein warmes Ambiente. Zu der Lightshow gehören zum Beispiel Leselampen in den Rücklehnen der Vordersitze - praktisch nicht nur für die kleinen Bücherwürmer im Heck. Oder Lampen für die Türablagen, die dann angehen, wenn man sich ihnen mit der Hand nähert. Oder die Kofferraumleuchte, die man herausnehmen und als Taschenlampe benutzen kann. Oder die Farbe des informativen Displays, die sich individuell einstellen lässt. Oder der Tankdeckel, der gleichzeitig als Tankverschluss dient.

Wer mehr als zwei Rundinstrumente und sechs Kippschalter als versuchte Körperverletzung betrachtet, weil er einfach nur von A nach B will, der ist mit einem Skoda Roomster sicher sehr viel besser bedient. Wer außer viel Platz und Stauraum aber auch noch Wert auf angenehmes Ambiente sucht, ein Augenmensch ist und lieber angenehm als sportlich rasant unterwegs ist - der findet im C4 Picasso ein absolut passendes Auto.

Platz bietet der in Spanien gebaute C4 Picasso reichlich - wie es sich für einen ordentlichen Van gehört, ist er auch sehr variabel nutzbar. Je nach Ausstattung finden in bis zu drei Sitzreihen maximal sieben Passagiere Platz. Das sollte man auf längeren Strecken aber nur ausprobieren, wenn man gegenseitig auf Tuchfühlung gehen will. Ideal besetzt ist der 4,5 Meter lange Picasso mit vier Passagieren: Die weit nach hinten verschiebbaren Sitze sind bequem und bieten guten Seitenhalt, dazu kommt viel Kopf-, Knie- und Schulterfreiheit plus reichlich Platz fürs Reisegepäck.

"Grande" Picasso mit mehr Länge

Durch die breite und hoch aufschwingende Heckklappe ist der Picasso gut zu beladen. Je nach Klappzustand der Sitze, die schnell und einfach komplett im Wagenboden verschwinden und so für eine ebene Ladefläche sorgen, lassen sich zwischen 500 und 1734 Liter Laderaum schaffen. Als "Grand C4 Picasso" mit gleichem Radstand aber knapp 12 Zentimeter mehr Länge sind es sogar bis zu 1951 Liter. Dann kommt der Franzose sogar fast an das Fassungsvermögen seines Konkurrenten Ford S-Max heran, der es auf bis zu 2000 Liter bringt. Die ebenfalls noch vergleichbare B-Klasse von Mercedes ist 20 Zentimeter kürzer als der normale C4 Picasso und bringt es auf maximal 1645 Liter Stauraum.

Die reine Fahrtechnik ist denn auch nicht das hauptsächliche Kaufargument für den C4 Picasso. Sie ist da, ohne dass man sie sonderlich präsent wahrnimmt und guter Klassen-Durchschnitt. Der sehr leise und laufruhige 2-Liter-Benziner bietet mit 103 kW/140 PS und einem Drehmoment von 200 Nm (bei 4000 U/min) eine völlig ausreichende Leistung, um den beladen bis zu gut zwei Tonnen schweren und aerodynamisch optimal gestylten Van flott genug voran zu treiben. Die Beschleunigung von 0 auf 100 km/h in 12,1 Sekunden ist klassenüblich und reicht auch für stressfreie Überholmanöver. Den Verbrauch von offiziell 8,0 Liter Super haben wir wie üblich um knapp zwei Liter übertroffen - dennoch bleibt er im Rahmen.

Für die Kraftübertragung an die Vorderräder sorgt am besten die elektronisch gesteuerte Sechs-Gang-Automatik (1350 Euro Aufpreis). Sie wird über einen ausladenden Hebel an der Lenksäule gesteuert - oder über zwei große und griffige Schaltwippen. Die drehen sich leider nicht mit dem Lenkrad selbst, so dass in Kurven das Schalten damit ziemlich unbequem wird. Auf langen Autobahnstrecken ist die Automatik entspannender, da sie zum Teil aber etwas träge und unmotiviert schaltet, kommt man auf Landstraßen und in der Stadt mit den Wippen besser klar.

Über die Federung muss man hier auch wenig sagen: Citroën-typisch komfortabel. Wer es noch bequemer haben will, kann sich gegen Aufpreis optional die Luftfederung an der Hinterachse ordern. Die handliche Lenkung spricht schnell und präzise an, vermittelt aber kaum ein Gefühl für die Fahrbahn. In Kurven reagiert das ESP schnell und zuverlässig, die Neigung des C4 zum Untersteuern macht sich deshalb nur wenig bemerkbar.

Gelegentlich nervt der Drang der Citroën-Ingenieure zum designerischen Avantgardismus aber auch gewaltig. Wenn sie die zentrale Anzeige mit Tacho, Drehzahlmesser & Co. in die Mitte des Armaturenbrettes packen zum Beispiel. OK - Zentrierung ist ein wichtiges Konzept im Design. Aber die wichtigsten Anzeigen gehören vor den Fahrer und in sein direktes Sichtfeld. Und wenn es schon um den Fahrer geht: Ein paar Tasten weniger am Lenkrad täten es auch. Und wären weniger schnell zu verwechseln.

Wenn schon Picasso, dann mit Extras

Mit einem Basispreis von 23.500 Euro wird der Citroën C4 Picasso auch hier seinem Premium-Anspruch durchaus gerecht - zumal er zur Kategorie der "Wenn schon, denn schon"-Autos gehört: Wenn schon Picasso, dann mit Rahmen, sprich: Extras. und dann ist man auch bei ihm schnell über der 30.000-Euro-Grenze. Nur: Dafür fährt man deutlich komfortabler und mindestens ebenso gediegen wie in einer C-Klasse mit Stern. Und an die braucht man unter 30.000 Euro nicht einmal zu denken.

Wer im Van-Segment bleiben will, für den gibt es als sportlichere Alternative den rund 2000 Euro teureren Ford S-Max. Oder, für Preisbewusste, denen ein deutlicher aber noch akzeptabler Komfort- und Designabschlag nichts ausmacht, den Kia Carens ab knapp 19.000 Euro.

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