Süddeutsche Zeitung

Porsches Modellpolitik:Alles bleibt anders

Nach der Übernahme von Porsche durch Volkswagen steht die Zuffenhausener Modellpolitik auf dem Prüfstand.

Georg Kacher

Die Kämpen sind müde vom aufreibenden Zwei-Fronten-Krieg - auf der einen Seite galt es, das von der Krise geschüttelte Tagesgeschäft zu meistern, auf der anderen Seite zehrte die fast neun Monate dauernde Übernahmeschlacht an der Substanz. Am Ende haben Ferdinand Piëch und Martin Winterkorn das Ding noch gedreht und Porsche unter das VW-Dach heimgeholt. Doch das hat Zeit gekostet und Kraft, da sind bei allen Marken viele Dinge unerledigt geblieben, da stand die personell ebenso bewusst wie fahrlässig schwach unterfütterte Doppelspitze extrem unter Druck. In solch einer Ausnahmesituation sagt man schon mal was, das weh tut - so wie Porsche damals gegen den überflüssigen Phaeton oder das Bugatti-Abenteuer polemisiert hat, so bekrittelt VW jetzt den unzeitgemäßen Cayenne und den verkorksten Panamera.

Doch nach den ersten verbalen Befreiungsschlägen haben sich die Wolfsburger Chefstrategen schnell wieder eingebremst - und das aus guten Gründen. Denn zum einen wären sie schlecht beraten, wenn sie ihre rund 16 Milliarden Euro teure Neuerwerbung schon in der Kennenlernphase beschädigen würden. Und zum anderen hat VW noch gar keinen Durchgriff auf die Porsche Holding SE, deren neuer Chef Martin Winterkorn heißen soll. Das Erstellen des Integrationsvertrags dürfte sich nämlich noch bis in den Spätherbst hinziehen.

Aber obwohl sich während des Interregnums keiner der VW-Granden in offizieller Mission nach Stuttgart begeben würde, sind die Herren gedanklich bereits rund um die Uhr dort. So bekennt Chefdesigner Walter de'Silva, insgeheim immer wieder mal Porsche zu skizzieren. Der Aufsichtsratsvorsitzende soll bereits Erkundigungen über den Nachfolger des 911 eingezogen haben, der Konzernchef durfte über höhere Stückzahlen und neue Produkte philosophieren.

Miteinander reden tun beide Seiten allerdings bestenfalls unter vier Augen; entsprechend groß ist die Verunsicherung vor allem in Zuffenhausen. Welche Produkte haben Bestand, welche Markenwerte stehen künftig im Vordergrund, was bedeuten Integration und Synergieeffekte in Höhe von 700 Millionen Euro pro Jahr für Mannschaft und Strukturen?

"Der Zusammenschluss mit Porsche ist für VW eine Mammutaufgabe", weiß ein Top-Manager, "das gilt für alle Bereiche." Denn, so die Einschätzung, bei den Sportwagen müsse endlich Schluss sein mit der Politik der kleinen Sparschritte. Stattdessen gehe es in Zukunft darum, "wieder deutliche Zeichen zu setzen, in Kernbereichen die Vorreiterrolle zu übernehmen, neue Markenwerte zu definieren und alte zu schärfen".

Bei den Geländewagen sei selbst die zweite Generation von Porsche Cayenne, VW Touareg und Audi Q7 zu schwer, zu durstig und zu wenig zeitgemäß - "an diesem Dilemma lässt sich jetzt zwar nichts mehr ändern, doch für die Nachfolger sind ganz andere Parameter gefragt als Off-Road-Kompetenz oder 275 km/h Spitze", heißt es hinter vorgehaltener Hand.

Und obwohl der Panamera-Verkauf gerade erst begonnen hat, stelle sich schon heute die Frage, ob Größe, Gewicht und Verbrauch vereinbar sind mit der notwendigen Nachhaltigkeit. Natürlich habe Dynamik für jeden Porsche auch langfristig höchste Priorität - doch die Relation zu den eingesetzten Ressourcen müsse stimmen, "sonst haben wir schnell ein Akzeptanzproblem". Deshalb sei es wichtig, "die Marke durch eine differenziert-progressive grüne Komponente abzusichern".

Porsche hatte sich in der Vergangenheit vor allem aus Imagegründen vehement gegen einen Sportwagen unterhalb des Boxster und gegen den kleinen Bruder des Cayenne gewehrt - zu billig, zu hohe Stückzahlen, zu gefährlich für das direkt darüber positionierte Modell. Bei VW sieht man das ganz anders. Auf Basis des BlueSport soll daher die Reinkarnation des Porsche 356 entstehen, auf Basis des nächsten Audi Q5 ein kompakter Softroader mit Namen Rockster. Gemeinsam könnten beide den aktuell schwächelnden Porsche-Gesamtabsatz von aktuell 75.000 auf dann rund 150.000 Fahrzeuge glatt verdoppeln.

Im Gegensatz zum Cayenne, der im Schwabenland entwickelt wurde, stammen der Polo Roadster und der Q5 freilich von VW beziehungsweise Audi. Doch die Konzernstrategen stört das nicht. Für sie zählt das Endprodukt - und da soll Porsche nach Herzenslust differenzieren, investieren, sich profilieren. Während die 120 PS schwache VW-Variante des Mittelmotorsportwagens etwa 25.000 Euro kosten dürfte, können für den 300 PS starken Doppelturbo-356 gerne 40.000 Euro und mehr aufgerufen werden.

Natürlich muss gleichzeitig über die Positionierung der nächsten Boxster/Cayman-Familie nachgedacht werden, natürlich betreffen die Skaleneffekte in letzter Konsequenz auch den 911er. Trotzdem gelten künftig drei statt zwei Porsche-Sportwagenbaureihen unter VW-Ägide als gesetzt; und auch der Carrera-GT-Nachfolger in Form eines Überfliegers mit puristischen Rennsportgenen ist wohl nur eine Frage der Zeit.

Und wie geht es mit Cayenne und Panamera weiter? 2010 startet der leichtere und schlankere Cayenne II, erst 2017 werden die Karten wieder komplett neu gemischt. Möglicherweise gibt es dann eine Personalunion aus Audi Q5 und Cayenne mit einem zweitürigen, betont sportlichen Cayenne Coupé und einem viertürigen Cayenne Tourer mit verlängertem Radstand. Cayenne und Panamera, die aktuell nur die Motoren gemeinsam haben, könnten langfristig von der gleichen Architektur abgeleitet werden.

Ob der Panamera auf alle Ewigkeit ein viertüriges Coupé bleiben muss, ist aus heutiger Sicht ebenso offen wie das Potential einer zweiten Karosserievariante nach Art des einst eher ungeliebten 928. Auch als Genspender für den aufsehenerregenden, aber im Alleingang nicht finanzierbaren Lamborghini Estoque gilt der Panamera als möglicher Kandidat. Für die Zeit nach 2018 wollen Insider sogar von einer Querverbindung zwischen dem Panamera und dem nächsten Audi A7 wissen, was auf einen besonders engen Schulterschluss zwischen Stuttgart und Ingolstadt hindeutet.

Motorisch bleibt es zunächst für Porsche bei Sechszylinder-Boxer und V8-Benziner; doch mittelfristig wird über eine breiter gefächerte gemeinsame Marschrichtung nachgedacht. Während die Diesel und der Vierzylinder wohl in jedem Fall zunächst von Audi kommen, könnten VW und Porsche gemeinsam einem neuen Boxeraggregat das Laufen lehren, der perfekt zum 356 und zum übernächsten New Beetle passen würde - als Verbeugung vor der gemeinsamen Vergangenheit, als Versprechen für eine gemeinsame Zukunft.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.50520
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 28.9.2009/gf
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.