Süddeutsche Zeitung

Porsche: Wiedeking und der Panamera:Wenn der Chef fehlt

Lesezeit: 3 min

Porsche präsentiert in Shanghai sein wichtigstes Auto der nächsten Jahre - und der erste Mann der Firma ist nicht dabei. Ein Signal, das irritiert.

Günther Fischer und Melanie Ahlemeier

"Keine Angst: Porsche hebt jetzt nicht ab", verspricht der Kommunikationschef. Christin Dau schaut zu, wie auf der höchsten Veranstaltungsplattform der Welt die neue Hoffung des Stuttgarter Sportwagenbauers anrollt: der "Panamera".

Im 94. Stock des Financial Towers von Shanghai hat das Auto, das Porsche retten soll, Premiere. Im 19-Grad-Winkel war der knapp fünf Meter lange Viertürer quer in den Lift gepackt worden. Unbeschadet kam er mehr als 400 Meter über dem Erdboden an.

"Dieser Gran Turismo ist für Porsche von ganz entscheidender, strategischer Bedeutung", sagt Klaus Berning, Vertriebschef der Marke. Dieser ganz entscheidende Panarema ist der erste offizielle Viertürer von Porsche. Er soll unter anderem Maserati Quattroporte, Aston Martin Rapide und Mercedes CLS Konkurrenz machen.

Porsche-Fans werden sich diesen Gran Turismo genau anschauen: Vier Türen gibt es immer, vier bequem-sportliche Sitzplätze ebenso. Bleibt nur die Entscheidung, ob 400 oder 500 PS, ob Hinterrad- oder Allradantrieb.

Der Sportwagen-Spezialist will pro Jahr immerhin 20.000 Panamera zum Stückpreis von rund 100.000 Euro verkaufen - und der chinesische Markt soll's richten. Deshalb die Premiere in Shanghai. Im Volkskapitalismus à la China hat die Autokrise, anders als sonst auf der Welt, nicht mit voller Wucht zugeschlagen.

Der Panamera ist also tatsächlich der große, vielleicht letzte Trumpf des Vorstandschefs Wendelin Wiedeking, der einen sagenhaften Aufstieg hinter sich hat. Immer besser verdiente Porsche und sein Vorsitzender in den vergangenen Jahren, und die Geschäfte liefen so rund, dass der flotte Autobauer im Familienclan der Porsches und Piëchs einfach den großen Volkswagen-Konzern in Wolfsburg kaufen konnte.

In Spekulantenmanier jonglierte Porsche-Finanzchefchef Holger Härter mit den VW-Aktien. Er schaffte dank der üppigen Kapitalgewinne 2008 das Kunststück, dass seine Firma mehr Gewinn als Umsatz auswies.

Nun aber erweist sich in der Wirtschaftskrise die Last der kecken VW-Übernahme doch als sehr groß. Die Riesengewinne gingen beim Kauf vom teuren VW-Aktien drauf, der zusätzlich aufgenommene Kredit in Höhe von zehn Milliarden Euro muss bedient werden - und das vor dem Hintergrund einbrechender Autoverkäufe. Das Magazin Der Spiegel sieht Porsche deswegen schon in der Schuldenfalle sitzen - und stellt die berechtigte Frage, ob sich Porsche wohl verhoben habe. Der Lack ist ab bei Wendelin Wiedeking.

Finanziell verdankt Porsche den Höhenflug der letzten Jahre vor allem dem Ende 2002 eingeführten Cayenne, einem Sport Utility Vehicle (SUV), wie die übergroßen Karossen heißen. Mit diesem Modell verdienten die Zuffenhausener erst das Geld für den Angriff auf VW.

Im Zuge der weltweiten Krise haben aber gerade diese SUV-Modelle rapide an Attraktivität verloren. Mit dem Cayenne ist also nicht viel Staat mehr zu machen.

Porsche muss also mehr denn je auf seinen neuen Hoffnungsträger Panamera setzen - und darauf, dass er wirklich "abhebt", nicht nur in einem chinesischen Wolkenkratzer.

Als das Modell jetzt auf der Automesse Shanghai Auto 2009 seine Weltpremiere feierte, wurden in der Reihe der Ehrengäste aber nur VW-Vorstandschef Martin Winterkorn und Aufsichtsratschef Wolfgang Porsche gesichtet.

Porsche präsentiert sein wichtigstes Auto der nächsten Jahre - und der Chef der Marke ist nicht dabei? Ein Schelm, wem das nicht zu denken gibt. Offiziell fehlte Wiedeking wegen einer akuten Verdauungsstörung. Handelt es sich aber um das erste Zeichen verschobener Machtverhältnisse im Konzern? Ein Signal dafür, dass ein Bauernopfer gebraucht wird? Immerhin wird für die Misere wohl jemand büßen müssen. Und wer, wenn nicht Wiedeking?

"Herr Wiedeking wäre gerne nach Shanghai geflogen", sagte ein Porsche-Sprecher am Dienstag auf Anfrage von sueddeutsche.de und verwies auf die angeschlagene Gesundheit des Chefs. Spekulationen, Wiedeking solle entmachtet werden, wies der Konzern zurück. "Da ist nichts dran, das ist völliger Quatsch."

Doch ein Rückblick auf die Geschichte zeigt: Schon einmal wurde ein bei dem Patriarchen Ferdinand Piëch in Ungnade gefallener Autochef entmachtet. 2006 hatte Piëch in seiner Funktion als Aufsichtsratsvorsitzender von VW in einem Interview gesagt, die anstehende Vertragsverländerung von Konzernchef Bernd Pischetsrieder könnte am Veto der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat scheitern. Ein öffentlicher Demontageversuch? Erst am Abend vor der VW-Hauptversammlung wurde der Pischetsrieder-Vertrag dann in letzter Minute verlängert - und nur wenige Monate später musste der Konzernchef dann doch seinen Stuhl räumen. Das Ausichtsratspräsidium erzwang den Rücktritt, weil die Druckkulisse Piëchs einfach zu groß war.

Dennoch: Die Familien Piëch und Porsche sind wie die Konzernfirmen VW, Seat, Audi und Porsche über die Porsche-Holding eng miteinander verwoben. Und da Piëch nichts Wichtiger ist als das Wohlergehen der eigenen Firmen, fällt er mitunter unpopuläre Entscheidungen.

Der Wirtschaftswelt jedenfalls wird Wiedeking als formulierungsstarker Manager in Erinnerung bleiben. Ein kräftiges Bonmot hatte er immer parat, zum Beispiel: "Mitleid bekommt man geschenkt, Neid muss man sich hart erarbeiten."

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