Testfahrt mit dem Porsche Taycan:Und dann haut es dich in den Sitz

Der erste Elektro-Porsche ist nicht nur unfassbar schnell, sondern auch alltagstauglich. Dennoch bleibt die Frage, wozu diese irrsinnige E-Power gut sein soll.

Von Christina Kunkel

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Porsche Taycan

Quelle: Christina Kunkel

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Es fällt schwer, sich bei all diesen Superlativen, die sich um die teuren Elektrowagen von Tesla, Rimac oder jetzt dem Porsche Taycan ranken, auf das Wesentliche zu konzentrieren. Ja, die Beschleunigung dieser Stromer ist bombastisch. Die Launch Control im Taycan katapultiert das Fahrzeug in 2,8 Sekunden von null auf hundert. Man wird so dermaßen in den Sitz gepresst, dass man das Gefühl hat, alle Organe sortieren sich neu. Zu viel gegessen haben sollte man vor diesem Raketenstart nicht. Anders als seine Konkurrenten kann der Taycan diesen Schub mindestens zehn Mal abrufen. Aber ganz ehrlich: Wer tut das schon? Was dagegen viel wichtiger sein sollte: Wie lässt sich der Porsche im ganz normalen Verkehr bewegen? Hat er irgendwelche Nachteile im Vergleich zu seinen spritschluckenden Kollegen?

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Eine Ausfahrt über österreichische Bergstraßen und Autobahnen zeigt zunächst einmal: Ein Problem, das viele Einheimische hier haben, wird mit Autos wie dem Taycan zumindest deutlich kleiner. An vielen Orten stehen Schilder mit der Aufforderung "bitte leise fahren." Darunter abgebildet ist ein Motorrad. Doch nicht nur die röhrenden Zweiradmotoren rauben vielen Anwohnern den letzten Nerv. Bei der Fahrt durch Tirol und den Voralberg begegnen einem auch zahlreiche Acht- oder gar Zwölfzylinder, die bei jeder Beschleunigung aufheulen. Der Taycan ist elektroautotypisch so leise, dass manch ein Fahrradfahrer nicht einmal merkt, wenn man sich von hinten nähert.

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Von den rund 2,3 Tonnen, die der Taycan im Topmodell "Turbo S" auf die Waage bringt, merkt man erstaunlich wenig. Obwohl der Stromer rund 800 Kilo schwerer ist als ein 911er, lässt er sich fast genauso leichtfüßig um jede Kurve zirkeln. Die 93,4-kWh-Batterie ist in einer "Skateboard-Architektur" im Boden verbaut, was dem Auto einen sehr tiefen Schwerpunkt gibt. Dementsprechend klebt der Taycan auf der Straße. Grundleistung sind 680 PS, im "Overboost-Modus" bringen die beiden Motoren zusammen 560 kW auf die Straße, das entspricht 761 PS. Doch dieses Übermaß an Leistung muss man im normalen Straßenverkehr eigentlich nie abrufen.

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Als zusätzlichen Fahrmodus gibt es im Taycan die Variante "Range". Damit reduziert sich die Höchstgeschwindigkeit von 260 auf 150 km/h. Wenn es mit der Reichweite bis zum eingegebenen Ziel knapp wird, kann der Top Speed sogar auf bis zu 90 km/h abgeriegelt werden. Auch wenn in diesem "Öko-Programm" ein bisschen Schubkraft zurückgenommen wird, reicht es für den normalen Alltagsverkehr locker aus. Wer dagegen ein bisschen Verbrenner-Feeling haben möchte, muss in den "Sport Plus"-Modus schalten. Dann schaltet sich ein Soundgenerator zu, der irgendwo zwischen Raumschiff und einem V8 in Watte einzuordnen ist. Das mag nach der fast schon gespenstischen Stille, in der man sonst im Taycan dahingleitet, ab und zu ganz schön sein. Wirklich nötig hat es der Porsche nicht.

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Die Wahrheit bei einem Elektroauto liegt an der Ladesäule. Wie bei einem Benzin- oder Dieselfahrzeug hängt es natürlich auch bei einem Stromer davon ab, wie sehr man das Auto fordert. Porsche gibt die Reichweite für den Turbo S nach WLTP mit 412 Kilometern an, für das Turbo-Modell (ohne Overboost-Funktion) sollen es 450 Kilometer sein. Die Testfahrten in Österreich, wo auf der Autobahn Höchsttempo 130 gilt, stellen dem Taycan beim Realitätscheck richtig gute Noten aus. Trotz einiger schneller Antritte auf den Bergstraßen und Schnellstarts per Launch Control stand bei der Ankunft an der Ladesäule ein Durchschnittsverbrauch von 22 kWh im Display. Porsche selbst gibt für den "Turbo S" 26,9 kWh im Schnitt an - viel sparsamer lässt sich ein Elektro-SUV wie der Audi e-tron auch nicht fahren. Wer mit dem Taycan ganz normal im Stadt- und Landstraßenverkehr unterwegs ist, kann im Range-Modus durchaus auf einen Verbrauch von um die 20 kWh kommen - mit dennoch ausreichend großem Fahrspaß. Dass bei dauerhafter Autobahnfahrt mit über 150 Stundenkilometern auch Verbräuche um die 40 kWh möglich sind, steht außer Frage. Je nach Preis für den Strom kommt man so im Schnitt auf Energiekosten von unter zehn Euro pro hundert Kilometern. Bei einem Verbrenner mit gleicher Leistung wären solche Werte utopisch.

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Wie schnell der Taycan-Akku sich an der Ladesäule wieder füllt, ist von der vorhandenen Infrastruktur abhängig. Gibt die Säule genügend Power her, kann man dank der 800-Volt-Batterie in 22,5 Minuten von fünf auf 80 Prozent laden. Wer schnell hundert Kilometer Reichweite nachlegen möchte, schafft es kaum, einen Kaffee zu trinken und auf die Toilette zu gehen, so schnell geht das. Die dafür nötigen Schnellladenetze werden gerade entlang der Fernstraßen in Europa aufgebaut.

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Wo man sich in anderen Autos einen Chaffeur wünscht, so bekommt man im Porsche Taycan eher das Verlangen nach einem Beifahrer. Der Wagen ist dermaßen mit Touchdisplays vollgepackt, dass es unmöglich ist, aus der Fahrerperspektive alle Funktionen zu bedienen. Zumindest nicht, während man sich eigentlich auf den Verkehr konzentrieren sollte. Die Frage, wie viel touchen und swipen überhaupt sinnvoll ist, stellt sich nicht erst seit Teslas Model 3, in dem quasi alles nur noch über ein einziges Display gesteuert wird.

Im Taycan kann man zum Beispiel die Lüftung nicht mehr direkt an den Luftauslässen verstellen - stattdessen muss man sich in ein Untermenü touchen, um darin dann die Stärke und die Ausrichtung des Gebläses zu verändern. Wer sich auf den Beifahrersitz setzt, dem wird auch aus einem anderen Grund nicht langweilig. Dort gibt es ebenfalls ein Display, über das man wahlweise DJ spielen oder sich das virtuelle Kombiinstrument des Fahrers anzeigen lassen kann. Wenn man die Beschleunigung schon nicht mehr hört, kann man die Geschwindigkeit wenigstens in Zahlen ablesen.

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Platzmäßig kann man dem Taycan, der größenmäßig leicht unter dem Panamera positioniert ist, nicht viel vorwerfen. Auf dem Rücksitz finden Menschen unter 1,90m bequem Platz, auch der Kofferraum reicht durchaus für mittelgroße Einkäufe oder ein bisschen Gepäck. Wer mit Kinderwagen und Co. unterwegs ist, für den dürfte das Platzangebot zu spärlich sein. Auf jeden Fall ist der Taycan mehr als eine wahnwitzige Spaßmaschine, die eigentlich kein Mensch braucht.

Er ist die umweltfreundlichere Alternative zu sämtlichen dröhnenden, spritfressenden Wagen, die derzeit fast alle anderen Sportwagenhersteller oder Haustuner der Premiummarken anbieten. Natürlich gilt auch da: Diesen Luxus muss man sich erst einmal leisten können. Zu kaufen gibt es zunächst nur die Varianten "Turbo" (ab 152 136 Euro) und "Turbo S" ab (185 456 Euro). Die ersten dieser Fahrzeuge sollen Anfang 2020 an die Kunden gehen. In naher Zukunft sind unterhalb dieser Modellvarianten günstigere Taycan-Modelle geplant. Fast sechstellig wird es aber vermutlich auch beim Einstiegsmodell bleiben.

Technische Daten Porsche Taycan Turbo S:

Motor: Zwei Elektromotoren

Getriebe: Zweigang-Automatik

Antrieb: Allrad

Leistung (E-Motor): 761 PS (560 kW)

Drehmoment (E-Motor): 1050 Nm

Von 0 auf 100: 2,8 s

Höchstgeschwindigkeit: 260 km/h

Kofferraum: 447 Liter

Gewicht: 2305 kg

Maße: 4963 / 1966 / 1381

Preis: 185 456 Euro

Der Wagen wurde der Redaktion zu Testzwecken vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/reek
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