Porsche Panamera im Fahrbericht:Der neue Panamera ist ein getarnter Rennwagen

Der neue Porsche Panamera Turbo

Buckelwal war einmal: Optisch ist der neue Panamera rundum gelungen.

(Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Dieser Porsche wandelt sich binnen Sekunden vom Sportgerät zum Langstrecken-Gleiter. Inzwischen ist er sogar nett anzusehen. Doch Kleinigkeiten fehlen.

Test von Georg Kacher

Buckelwal hat man ihn geschimpft, Glöckner von Notre-Dame auf Rädern. Schuld am schlechten Ruf des Porsche Panamera ist der damalige Hüter von Zuffenhausen, der nicht eben kleinwüchsige Wendelin Wiedeking, der im Design Platz für vier XXL-Koffer und sein hohes Haupt im Fond eingefordert hatte. Das beeinflusste den Wuchs des Fünftürers entscheidend.

Aufgrund des klobigen Hecks war der erste Panamera selbst für so manchen Porsche-Fan bestenfalls Liebe auf den zweiten Blick. Man musste der Marke schon treu ergeben gewesen sein, um sich mit der Extraportion Leistung und Fahrspaß zu trösten, die auch bei diesem Porsche aufpreisfrei von Beginn an mitgeliefert wurde.

Der knorrige Handschalter ist passé

Das neue Modell hat sich nun vom Entlein zum Schwan gemausert: wohl proportioniert, mit Feinschliff bis ins Detail, innen aufgeräumt und rundherum noch einen Touch nobler. Die Palette besteht zum Anlauf aus nur drei Varianten: einem von Audi entwickelten 2,9-Liter-V6-Biturbo-Benziner mit strammen 440 PS, dem in Weissach konstruierten 4,0-Liter-V8 mit souveränen 550 PS und einem 4,0-Liter-V8-Diesel mit sämigen 422 PS. Allradantrieb und Achtgang-PDK (Porsche Doppel-Kupplungs-Getriebe) sind nun serienmäßig, der knorrige Handschalter ruht in Frieden. Anfang 2017 startet der Panamera als Plug-in-Hybrid mit V6-Benziner und 136 PS starkem E-Motor.

Die ersten Eindrücke an Bord: Die Fahrertür liegt schwer in der Hand und schließt mit sattem Klang. Aus der Cockpitperspektive dominieren das verwirrend multifunktionale Lenkrad und die neu arrangierte Instrumentenkombination. In deren stolzer Mitte thront der große analoge Drehzahlmesser, flankiert von zwei frei programmierbaren Displays. Der Bildschirm in der Mittelkonsole verlangt eine ruhige Hand und einen zielsicheren Zeigefinger. Die Liste der Menüs und Untermenüs ist ungefähr so lang wie die Speisekarte eines Dreisternerestaurants - da freut man sich über Redundanz in Form von Lenkradtasten und der Schaltergruppe rund um den Wählhebel.

Drei Antriebe, drei Charaktere

In Verbindung mit dem Sport-Chrono-Paket lässt sich die Grundeinstellung des Fahrzeugs in vier Stufen von entspannt bis aggressiv verändern. Sollte der Tritt ins Kreuz selbst bei Vollgas in Stellung Sport Plus nicht nachhaltig genug ausfallen, gibt's auf Knopfdruck 20 Sekunden lang extra Zunder. Der Individualmodus erlaubt es, das Ansprechverhalten von Motor, Getriebe und Fahrwerk ganz nach dem persönlichen Geschmack zu kombinieren. Nur die Lenkungskennung ändert sich nicht - das ist auch die beste Lösung für einen möglichst intuitiven Sportwagen, selbst wenn er bis zu fünf Sitze hat und von Bugschürze bis Heckspoiler mehr als fünf Meter misst.

Die drei Panamera-Varianten sind erstaunlich unterschiedliche Charaktere. Der Turbo (ab 153 011 Euro) ist ein klassischer GT; bullig, drehfreudig und auf der Autobahn bis zu 306 km/h schnell. Dank Allradantrieb schafft der breite Zweitonner den Sprint von 0 auf 100 km/h in 3,6 Sekunden - da muss selbst so mancher 911 die linke Spur freimachen. Weil Drehmoment durch nichts zu ersetzen ist außer durch noch mehr Drehmoment, macht der V8-Diesel (ab 116 954 Euro) mit bis zu 850 Nm seine eigene Rechnung auf. Die Schubkraft erinnert schon bei Halbgas an eine Gasturbine, der Sound mischt ein Zehntel Selbstzünder mit neun Zehntel Achtzylinder, beim lässigen Hochschalten wird gerne mal ein Gang übersprungen.

Der kernige V6-Motor hängt gierig am Gas

Wir haben allem Leistungshunger zum Trotz den Panamera 4S (ab 113 027 Euro) besonders ins Herz geschlossen. Der kernige V6-Motor hängt so gierig am Gas wie der Wachhund am Bein des Postboten, die betont sportliche Grundabstimmung erinnert an die GTS-Version des Vorgängers, die niedrigere Vorderachslast schärft das Handling, der Grundpreis liegt auf Augenhöhe mit dem BMW Sechser Grand Coupé, Mercedes CLS und Audi A7.

Obwohl sich Porsche mit der neuen MSB-Architektur von der Transaxle-Bauweise verabschiedet, steht die Hinterachse nach wie vor im Fokus. Die Luftfederung hat jetzt drei Kammern für mehr Geschmeidigkeit, die Hinterräder sind auf Wunsch lenkbar, noch breitere Reifen verbessern Straßenlage und Traktion.

Es fehlen einige Kleinigkeiten

Obwohl schon die Stahlbremse die Besatzung angesichts gefährlicher Fahrsituationen mit Vehemenz in die Gurte presst, sollten sich ausgesprochene Fahrdynamiker die vier Karbon-Keramik-Scheiben gönnen, die bei voller Verzögerung den Reifen schier das Gummifell über die Ohren ziehen. Zu viel Hektik? Dann sollte man vielleicht das Inno-Drive-Programm aufrufen, das mit GPS-Unterstützung drei Kilometer vorausschauen kann und dabei fast so spritsparend unterwegs ist wie ein Prius auf Fastenkur.

Die Porsche-SUVs Cayenne und Macan mögen hier und dort als Luxus-Schulbus oder Goldkarten-Einkaufswagen zweckentfremdet werden, doch der Panamera ist trotz seiner vier Türen samt Heckklappe im Kern ein getarnter Racer, eine nette Geste an die notwendigerweise Tempo-affine Familie, ein Gran Turismo mit Mehrkämpfer-Talenten. Seine Schwächen? Es fehlen Kleinigkeiten wie ein Head-Up Display, die neue Bedienphilosophie ist keine Offenbarung für zerstreute Fettfinger, die Preisliste dürfte so manchen Interessenten in tiefe Verzweiflung oder finanzielle Not stürzen. Ein Aston-Martin Rapide mag exklusiver sein, der Mercedes CLS 63 AMG ist sicherlich noch brachialer, der viertürige BMW M6 hat sich längst als unbelehrbarer Quertreiber geoutet.

Doch nur der Panamera der zweiten Generation schlägt von einer Sekunde auf die andere die Brücke vom puristischen Sportgerät zum feinen Langstrecken-Gleiter. Nein, autonom fahren kann er noch nicht, aber das geht in Ordnung.

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