Süddeutsche Zeitung

Porsche mit Elektroantrieb:Der Ruf eilt seiner Zeit voraus

Der Allgäuer Unternehmer Alois Ruf über seinen Elektroporsche, den Einfluss der Ölkrise von 1974 und die Mobilität von morgen.

Joachim Becker

Alois Ruf leitet die kleinste Automobilmanufaktur Deutschlands. 65 Mitarbeiter veredeln jedes Jahr 25 bis 30 Porsche-Modelle. Der Vollgas-Spezialist hat auch das Thema Elektrofahrzeuge emotional gehörig aufgeladen. Mit einer Kleinserie von batteriegetriebenen Sportwagen gehört die schwäbische Ruf Automobile GmbH zu den wenigen, die emissionsfreie Autos schon heute anbieten können.

SZ: Herr Ruf, wie kommt ein Hersteller von Supersportwagen auf die Idee, emissionsfreie Antriebe zu bauen?

Ruf: Eigentlich liebe ich Hochleistungsmotoren, ich bin ein echter "Petrol Head", wie man in der Tuning-Szene sagt. Auch ich habe mich anfangs gefragt, ob ein Antrieb ohne röhrenden Auspuff wohl langweilig ist. Aber der Einstieg in die Elektromobilität war wie der Wechsel vom Propellerflugzeug zum Düsenjet. Die Beschleunigungswerte sind ähnlich, nur die Emotionen sind andere. 124 Jahre nach Erfindung des Automobils könnten wir mit alternativen Antrieben eigentlich viel weiter sein. Langfristig sollten wir das Öl für Wichtigeres verwenden, als es zu verbrennen.

SZ: Sind Sie ein Weltverbesserer?

Ruf: Ich habe die erste Ölkrise von 1974 deutlich in Erinnerung. Wir sind fast pleitegegangen. Von einem Tag auf den anderen hat sich keiner mehr für unsere Autos interessiert. "Junge, wir machen mit Holzvergasern weiter", hat mein Vater gesagt. Ich habe damals gelernt, dass man sich aus Projekten nicht zurückziehen sollte, wenn es Schwierigkeiten gibt. Diese Erfahrungen haben sich bei meinen Wasserkraftwerken und dem Elektroantrieb bestätigt.

SZ: Wie kommt man als Porsche-Spezialist und Automobilmanufaktur zu drei Wasserkraftwerken?

Ruf: Das war ein Lebenstraum meines Vaters, der neben einer Mühle aufgewachsen war. Schon 1960 hat er darüber nachgedacht - Jahre bevor der erste Porsche im Haus stand. Damals wollte niemand etwas von dieser altmodischen Methode zur Energiegewinnung wissen, weil Atomstrom scheinbar viel billiger war. Das Genehmigungsverfahren für das erste Wasserkraftwerk hat 31 Jahre gedauert. Tschernobyl musste erst in die Luft fliegen, bevor nachhaltige Energie überhaupt ein Thema wurde. Jetzt speisen wir pro Jahr 35 Millionen Kilowattstunden umweltfreundliche Elektrizität in das deutsche Netz ein.

SZ: Was gab den konkreten Anstoß für das Ruf-Elektroprojekt?

Ruf: Ich habe schon vor zehn Jahren überlegt, wie sich unser Strom für den Autoantrieb verwenden ließe. Aber das war bei den großen Automobilherstellern und Zulieferern damals noch kein Thema. Anfang 2007 hat uns ein Freund aus Kalifornien besucht und von den Plänen für den Tesla Roadster berichtet. Bei dem Elektro-Sportwagen kam es wegen technischer Probleme immer wieder zu Verzögerungen. Das lag aber weniger an dem Batterieantrieb, sondern an dem neu entwickelten Getriebe, das die hohen Drehzahlen des Elektromotors an die Räder bringen muss. Im Laufe des Nachmittags fing der befreundete Elektronikspezialist jedenfalls an zu rechnen und erklärte uns, dass wir mit einem Elektro-Porsche auf eine Reichweite von mehr als 350Kilometer kommen würden. Vorausgesetzt, wir könnten 500Kilo Batterien im Fahrzeug unterbringen.

SZ: Passt das hohe Gewicht zum sportlichen Markenimage?

Ruf: Der eRUF 1 auf Basis des Porsche 911 beschleunigt in fünf Sekunden von null auf 100 km/h. Wenn Sie 950 Newtonmeter Drehmoment vom Start weg erleben, können Sie das wirklich nur mit einem startenden Düsenjet vergleichen. Auch die Leistung von 370 PS und die Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h sind durchaus standesgemäß. Bei einem Autobahntempo von 120 km/h kommt der eRUF 1 rund 200 Kilometer weit. Je mehr gebremst wird, desto größer wird übrigens die Reichweite, weil der Elektromotor als Generator die Bewegungsenergie in Strom umwandeln kann.

SZ: Wie war die Resonanz auf das erste Elektromodell?

Ruf: Anfangs dachte ich, alle würden mich für verrückt halten - und tatsächlich haben viele den ersten Prototypen belächelt. Den haben wir im Frühjahr 2008 zuerst der Politik vorgestellt, aber niemand interessierte sich damals dafür. Auch bei Porsche in Zuffenhausen waren die jüngsten Reaktionen positiv, während der erste eRUF noch auf Unverständnis gestoßen ist. Erst das riesige Medienecho auf den Tesla Roadster hat gezeigt, dass die Öffentlichkeit nachhaltige und zugleich sportliche Mobilitätslösungen erwartet.

SZ: Und wie reagieren die Kunden?

Ruf: Unsere Kunden erwarten Mobilität auf höchstem Niveau. Das große Interesse war für uns eine sehr positive Überraschung. Die meisten wollen ihre Liebe zu den Formen des Porsche 911 mit einem nachhaltigen Antrieb verbinden.

SZ: Die Preise für ein E-getriebenes Ruf-Coupé beginnen bei rund 180.000 Euro, die Targa-Version ist ab 230.000 Euro zu haben. Warum sind Stromer so teuer?

Ruf: Allein die Batterien kosten rund 80.000 Euro. Die werden bei dem deutschen Hersteller LiTec noch großteils von Hand gefertigt. Natürlich hoffen wir, dass die Preise mit steigenden Stückzahlen sinken werden. Die Partnerschaft zwischen LiTec und Daimler wird in den nächsten Jahren viel bewegen, aber wir sind auch mit anderen Batterieherstellern im Gespräch.

SZ: Wie entstehen die Elektromodelle?

Ruf: Wir kaufen normale Porsche-Fahrzeuge, nehmen den konventionellen Antriebsstrang heraus und pflanzen das Elektroherz ein. Das meiste entsteht in Handarbeit. Selbst die Bordelektronik muss umprogrammiert werden.

SZ: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Siemens?

Ruf: Anfang 2009 hat sich ein Repräsentant von Siemens unser ganzes Unternehmen angeschaut. Die Präzisionsarbeit aller Mitarbeiter hat offensichtlich überzeugt. Für die Roadstervariante eRUF2 hat eine Forschergruppe des Konzerns dann ein integriertes System aus Motor und Generator, Leistungselektronik und Schnittstelle mit Batterieanbindung entwickelt. Mit Siemens werden wir im Rahmen eines Förderprojekts auch eine Testflotte aufbauen.

SZ: Beim Stormster, den Sie zusammen mit Siemens präsentiert haben, liegt das Gesamtgewicht bei 2670 Kilo. Ist ein so schwerer Cayenne das ideale E-Auto?

Ruf: Natürlich ist ein Batteriefahrzeug, das mit Passagieren drei Tonnen wiegt, viel zu schwer. Außerdem nehmen die Batterien hinter den Vordersitzen des eRUF 1 zu viel Platz weg. Beim Stormster verschwindet der Batteriepack immerhin unterm Fahrzeugboden, sodass vier Sitzplätze zur Verfügung stehen. Für ein ideales Batterieauto müsste die gesamte Fahrzeugarchitektur an den neuartigen Antrieb angepasst werden. Das Fahrzeuggewicht würden wir gerne durch Leichtbau mit Aluminium- und Karbonteile reduzieren. Aber dafür bräuchten wir einen Investor, das können wir als kleines mittelständisches Unternehmen nicht ganz alleine stemmen.

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Quelle:
SZ vom 14.06.2010/gf
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