Porsche 911 GT3 RS im Test:Ein Schönwetterauto, das Charakter verlangt

Der Porsche 911 GT3 RS will auf die Rennstrecke und gehört dort auch hin. Trotzdem ist er für öffentliche Straßen zugelassen - vom Fahrer fordert er vor allem Selbstdisziplin.

Test von Thomas Harloff

Ach ja, der deutsche Sommer. Wenn man auf sein schönstes Lächeln hofft, sich an seine warme Hand nehmen lassen möchte, zeigt er ungeniert den Mittelfinger - und grinst auch noch hämisch dabei. Sonnenschein wäre nett gewesen an diesem Testfahrt-Wochenende, wenigstens Trockenheit. Stattdessen gibt es einen Samstag voller Regen, tiefer Pfützen und tückischer Rinnsale. Es ist ein scheußlicher Tag, um ein Auto zu testen.

Besonders fies ist das deshalb, weil kein durchschnittlicher Kompaktwagen zur Proberunde bereitsteht. Auch kein Van oder SUV. Erst recht kein Allradler, bei dem der Regen zusätzliche Erkenntnisse gebracht hätte. Hier geht es um den Porsche 911 GT3 RS. Den extremsten Sportwagen, den Porsche seit Einstellung des 918 Spyder anbietet. Riesige Kühlöffnungen in der Frontstoßstange und den hinteren Seitenteilen, Luftauslasskiemen in den vorderen Kotflügeln und der monströse Heckflügel machen jedem klar, dass das hier kein bloßes Fortbewegungsmittel ist. 500 PS leistet der Vierliter-Sechszylinder-Boxer im Heck, auf maximal 310 km/h beschleunigt der RS, in 3,3 Sekunden geht es von null auf hundert - wenn es trocken ist.

Unbeholfen von Kurve zu Kurve

Ist es aber nicht, und Nässe mag der radikale Elfer gar nicht. Das liegt vor allem an seinen Reifen. Die sind einerseits sehr breit, vorne 265 und hinten 325 Millimeter - bekanntermaßen ein Nachteil bei nasser Straße. Und sie sind außerordentlich inselbegabt: Es handelt sich um Supersport-Pneus, auch Cup-Reifen oder Semi-Slicks genannt. Die sind dafür gebaut, dem Fahrer dieses Autos auf der Rennstrecke oder kurvenreichen Landstraßen Stunden voller Spaß zu bereiten - wenn es trocken ist.

Die Qualitäten solcher Reifen kehren sich bei Nässe jedoch um. Es gibt zu wenig Profil, um genug Wasser zu verdrängen. Vorne funktioniert es leidlich, die Pneus der Vorderachse vermitteln einigermaßen Vertrauen, bremsen mit der gebotenen Vehemenz und folgen der Richtung, die das Lenkrad vorgibt. Aber die hinteren Walzen, die vor allem beim Beschleunigen am Kurvenausgang gefragt sind, haben Mühe mit der Feuchtigkeit. Immer wieder will das Porsche-Heck ausbrechen, nur vorsichtiges Gasgeben hält es ohne schnelles Gegenlenken oder Hilfe der elektronischen Assistenten in Balance. Es muss für die anderen Verkehrsteilnehmer lustig aussehen, wie dieser Supersportwagen unbeholfen von Kurve zu Kurve rutscht.

Das Fahrwerk ist hart oder knallhart

Wie viel des fahrdynamischen Potenzials an diesem verregneten Samstag brachliegt, zeigt sich am freundlichen Sonntag. Nun zeigt der Porsche, warum er als einer der besten Sportwagen überhaupt gilt. Er verzögert mit Macht, lenkt unmittelbar und auf den Punkt genau ein und krallt sich an der Ideallinie fest - auf Wunsch in einem Tempo, das auf öffentlichen Straßen nicht zu verantworten ist. Ausgeklügelte Technologien wie eine mitlenkende Hinterachse, Torque Vectoring, das das Drehmoment so verteilt, dass es optimal auf die Straße übertragen werden kann, und eine Differenzialsperre unterstützen ihn bei seiner Kurvenkunst. Dass das Fahrwerk unverzüglich und intensiv über jede Unwucht im Asphalt informiert, müssen die maximal zwei Insassen aber in Kauf nehmen. Per Tastendruck lässt sich immerhin zwischen "hart" und "knallhart" wählen.

Dafür ist es im Interieur des RS erstaunlich komfortabel. Die engen Schalensitze suggerieren zwar etwas anderes, aber Rückenschmerzen bleiben auch nach langen Touren aus. Gut, ihre hohen Seitenwangen erschweren den Ein- und Ausstieg, aber wer sich darüber beschwert, soll Cayenne fahren. Im Cockpit kennt sich jeder Porsche-Fahrer auf Anhieb aus, neben dem zentralen Drehzahlmesser informieren Instrumente und Displays über Tempo, Temperaturen und Wohlbefinden des Autos. Zudem hat Porsche ein Ärgernis früherer RS-Generationen beseitigt: Der fest installierte Überrollkäfig quietschte gerne und laut. Der im aktuellen Über-Elfer lässt das sein. Ob er im Zweifelsfall hält, will man lieber nicht ausprobieren.

Kein Spaß im Stadtverkehr

Ob nass oder trocken: Der GT3 RS lässt seinen Fahrer jederzeit spüren, was er macht und wie es ihm geht. Und er treibt ihn stets an, ihm möglichst viel abzuverlangen. Langsam fahren ist kein Spaß mit ihm. Dann wirkt das Fahrwerk noch unkomfortabler, schaltet das Getriebe in den unteren Gängen mit einem spürbaren Ruck, hört man nicht nur die reibenden und rasselnden Geräusche aus dem Antriebsstrang, sondern auch jeden Kieselstein, der zwischen Reifen und Radhaus hin und her geschleudert wird. Dass der Verbrauch im Stadtverkehr nur schwer unter die 20-Liter-Marke zu bekommen ist, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass sich dieses Auto hier nicht wohlfühlt. Es drängt auf die Rennstrecke, oder zumindest auf eine kurvenreiche öffentliche Piste.

Dort fühlt sich der GT3 RS heimisch, dort spielt er seine Stärken aus. Dort beeindruckt der auf jegliche Aufladung verzichtende Boxer mit einer Drehfreude, die die Nadel des Drehzahlmessers nur zu gerne in Richtung 9000er-Marke schleudert. Und einer Gasannahme, die so nur ein perfekt auf Athletik getrimmter Saugmotor bietet. Das siebenstufige Doppelkupplungsgetriebe findet die Gänge im schnellen Modus nicht nur in Rekordzeit, sondern trifft auch stets den richtigen. Wer selbst schalten möchte, kann dies per Lenkradwippen ohne elektronische Bevormundung tun.

Lauter als so mancher Rennwagen

Bleibt der Motorsound, der bei entsprechenden Drehzahlen in die Umgebung kreischt. Es gibt Rennwagen, die deutlich leiser sind. Dabei ist es fast unerheblich, ob der Fahrer per Knopfdruck die Auspuffklappen manuell öffnet oder nicht. Laut ist der RS unter Last immer, und es ist erstaunlich, dass ein derartiges Dezibel-Gewitter bei einem straßenzugelassenen Auto möglich ist.

Der König aller Elfer ist ein Auto, das bei den richtigen Bedingungen alles kann, solange es um schnelles Fahren und eine optimale Kurvenperformance geht. Er hat einen anderen Charakter als ein normaler Elfer, der seinen Chauffeur in der aktuellen Ausprägung wegen seiner perfektionistischen Art nicht mehr die Sinnlichkeit des Autofahrens spüren lässt, wie das frühere 911-Generationen vermochten. Der GT3 RS vermittelt mehr, will leidenschaftlich sein, treibt den Fahrer an, es noch schneller zu versuchen als zuvor, noch mehr aus der Technik herauszuholen.

Es gehört Selbstdisziplin dazu, mit dem 911 GT3 RS nicht alle Erdölreserven auf einmal aufzubrauchen und auf öffentlichen Straßen nicht gesundheits- oder zumindest führerscheingefährdenden Blödsinn anzustellen. Viel Selbstdisziplin - und zwar sowohl bei Sonnenschein als auch bei Regen.

Technische Daten Porsche 911 GT3 RS:

B6-Benzinmotor mit 4,0 Litern Hubraum; Leistung 368 kW (500 PS); max. Drehmoment: 460 Nm bei 6250/min; Leergewicht: 1495 kg; Kofferraum: 125 l; 0 - 100 km/h: 3,3 s; Vmax: 310 km/h; Testverbrauch: 15,9 l / 100 km (lt. Werk: 12,7; CO -Ausstoß: 296 g/km); Euro 6; Grundpreis: 181 690 Euro

Das Testfahrzeug wurde vom Hersteller zur Verfügung gestellt.

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