Porsche 911 und 356:Wer ist der Urheber der "Porsche-DNA"?

Hat Designer Erwin Komenda das typische Aussehen des Porsche geprägt, oder waren es die Mitglieder der Familiendynastie? Über diese Frage hat nun ein Gericht entschieden.

Von Thomas Harloff

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Quelle: Archiv Porsche AG

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"Ich achtete nicht nur seine großen Kenntnisse und Erfahrungen auf den konstruktiven und fertigungstechnischen Gebieten im Automobilbau, sondern ich liebte den Menschen Komenda." Große Worte, die Ferry Porsche (rechts) da äußerte. Er sprach sie im Sommer 1966, bei einer Grabrede für Erwin Komenda (Mitte), nur wenige Jahre, nachdem dieses Foto entstand. Komenda war einer der engsten Mitarbeiter und Vertrauten sowohl Ferry Porsches als auch von dessen Vater Ferdinand, den berühmten Autokonstrukteuren aus Österreich. Es waren Worte der Wertschätzung für den Oberingenieur, der lange Jahre Chefkonstrukteur der Karosserieabteilung war.

Adolf Hitler und Ferdinand Porsche, 1938

Quelle: Süddeutsche Zeitung Photo

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Komenda war an Porsches wichtigsten Entwicklungen der Vor- und Nachkriegszeit beteiligt. Er arbeitete von 1931 an federführend am Design des KdF-Wagens (Foto) mit - Hitlers Auftragsarbeit für Ferdinand Porsche (rechts). Als Teil der "Kraft durch Freude"-Bewegung sollte das Auto die Massen mobilisieren. Doch das Vorhaben scheiterte. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg kam das Auto offiziell als Volkswagen auf den Markt und startete eine Weltkarriere. Für Porsche hatte die Zusammenarbeit mit dem Nazi-Regime einen Wendepunkt in der Firmengeschichte bedeutet. Hoch verschuldet, erhielt das Unternehmen Staatssubventionen, die Technik des späteren Käfer landete unter anderem in Schwimm- und Kübelwagen der Wehrmacht.

Erst nach dem Zweiten Weltkrieg begann der Aufstieg Porsches als Sportwagenhersteller. Die Karosserie des 356 wurde dabei unbestritten von Komenda entworfen. Auch die ikonische Silhouette des Porsche 911, der knapp zwei Jahre vor seinem Tod auf den Markt kam, geht maßgeblich auf Komendas Arbeit zurück.

Porsche auf der Frankfurter Automobilausstellung 1951

Quelle: Sueddeutsche Zeitung Photo

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Wie groß Komendas Anteil am Elfer-Design wirklich ist, ist die Ausgangsfrage einer juristischen Auseinandersetzung. Der Tochter und Enkelin Komendas zufolge, Ingrid und Iris Steineck, ist er größer als bislang von Porsche zugegeben. Sie fordern in einer Klage vor dem Landgericht Stuttgart (Aktenzeichen 17 O 1324/17), Komenda das Urheberrecht an den Porsche-Modellen 356 (Foto) und 911 zuzusprechen. Der Streit entzündet sich vor allem am Elfer, da Porsche dessen Design offiziell einem weiteren Mitglied der Familien-Dynastie zuschreibt, nämlich Ferdinand Alexander, dem ältesten Sohn von Ferry Porsche.

Eine Werbung für einen Porsche 911, dahinter sind drei Porsche 356 platziert.

Quelle: AFP

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Es geht dabei nicht nur um Symbolik. Es geht den Nachkommen um die Würdigung der Verdienste eines Autokonstrukteurs und -designers. Es geht ihnen auch um einen Fairnessausgleich gemäß Paragraf 32a Urheberrechtsgesetz für die Familie Steineck, der bis zu 20 Millionen Euro wert sein könnte. Viel Geld, das Porsche nicht bereit ist, zu zahlen. Vor Gericht argumentieren die Anwälte des Autoherstellers, dass die ersten Entwürfe für den 911 nicht von Erwin Komenda stammen würden. Außerdem seien die gestalterischen Überschneidungen zwischen dem 356 (im Hintergrund) und dem 911er nicht so groß wie in der Klage angeführt. Deshalb lehnt Porsche auch einen Vergleich ab.

Porsche 911 S 2.0 Coupé

Quelle: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Der Anwalt von Ingrid und Iris Steineck führt dagegen erste Entwürfe Komendas für den 356 an. Eine geometrische Analyse würde zeigen, dass dieses Modell "in allen drei Raumdimensionen und Ansichten die Regeln des Goldenen Schnittes berücksichtigt". Das sei auch beim 911 so. Außerdem stimmten dessen Proportionen und andere Designelemente mit denen des Vorgängermodells überein. Ein vom Rechtsbeistand in Auftrag gegebenes Gutachten stelle fest, dass es sich um eine Design-Leistung handele, "die das rein Handwerkliche deutlich übersteigt" und sich in vielen späteren Porsche-Modellen wiederfinde, insbesondere im 911. Komenda sei somit der Schöpfer der sogenannten Porsche-DNA. Selbst Ferry Porsche habe das so gesehen, erklärt der Anwalt.

Erwin Komenda (links), Ferry Porsche (Mitte), Ferdinand Porsche (rechts) mit dem 356 No. 1

Quelle: Archiv Porsche AG/oh

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Das Verhältnis zwischen den Steinecks und der Firma Porsche war schon einmal besser. Als Wendepunkt in der Beziehung gilt das Jahr 2001. Bei einem Besuch im Porsche-Museum entdecken Ingrid und Iris Steineck dieses Bild, das in der damaligen Version nur Ferry und Ferdinand Porsche zeigte. Einer fehlte: Auf dem ursprünglichen Bild war auch Erwin Komenda ganz links zu sehen (siehe oben). Es wurde beschnitten, von Komenda war nur noch am linken Bildrand eine Falte seines Mantels und seine linke Fußspitze zu sehen. Viele Jahre lang veröffentlichte Porsche das Foto nur in der beschnittenen Version, was Komendas Nachfahren als Affront sehen. Für sie ein Hinweis, dass die Schwaben die Verdienste rund um die frühen Modelle des Autobauers allein den Mitgliedern des Familienclans zuschreiben wollen. Es folgten viele böse Worte, Hausverbote für Ingrid und Iris Steineck und die Klage vor dem Stuttgarter Landgericht. Inzwischen stellt das Porsche-Archiv das Foto nach eigenen Angaben grundsätzlich unbeschnitten zur Verfügung.

Ingrid Steineck

Quelle: picture alliance / Fabian Albrec

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Dabei entspannte sich das Verhältnis zwischen Ingrid Steineck (Foto) und Porsche zwischendurch zeitweilig. 2004 porträtierte sie das Kundenmagazin Christophorus. Anlass war ein Geschenk, dass Ehemann Karl ihr zum 60. Geburtstag machte: ein Boxster. Ob Erwin Komenda das goutiert hätte, darf bezweifelt werden. "Mein Vater war immer sehr besorgt und meinte, dass ein Porsche viel zu rasant für mich wäre", ließ sie sich damals zitieren. Angeblich musste Karl Steineck fast den vollen Preis für den Boxster bezahlen - die Niederlassung Salzburg gewährte nur acht Prozent Rabatt.

Porsche 911 Carrera S Typ 991

Quelle: Daniel Wollstein; Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG

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Nun hat das Landgericht Stuttgart die Klage jedoch abgewiesen. Die Rechtsanwälte der Klägerin wollen das schriftliche Urteil abwarten, um zu entscheiden, ob sie gegen die Entscheidung Rechtsmittel einlegen.

Käme es doch noch zur Verhandlung, wären folgende Fragen klären: Stellen die beiden Porsche-Modelle eine überdurchschnittliche Design-Leistung dar? Nur dann käme das Urheberrecht überhaupt zur Anwendung. Wie viel Porsche 356 steckt tatsächlich im 911? Und ist der Ur-Elfer noch in den heutigen Modellen wie dem aktuellen 911 Carrera S erkennbar? Daran würde sich die Höhe der Nachzahlung bemessen. Die Entscheidung könnte zudem grundsätzliche Auswirkungen haben und regeln, ob Auto-Designer einen Urheberrechtsanspruch auf die von ihnen geschaffenen Modelle haben. Die Klage könnte deshalb am Ende vor dem Bundesgerichtshof landen - wenngleich es danach im Moment nicht aussieht.

© SZ.de/harl/dd/reek/rus
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