Porsche 804:Comeback des vergessenen Porsche-Rennwagens

Der Porsche 804 beim historischen Formel-1-Grand Prix in Monaco

Der Porsche 804 beim historischen Formel-1-Grand Prix in Monaco am vergangenen Wochenende.

(Foto: Daniel Reinhard / Porsche)

Die Karriere war erfolgreich, aber sie währte nur eine Saison. Nun kehrt der 804, der einzige echte Formel-1-Porsche, zurück - nach einer extrem aufwändigen Restauration.

Von Jörg Reichle

Der Chef war dagegen, ganz ent-schieden sogar. Aber was soll man machen, wenn man einen ehrgeizigen Rennleiter namens Huschke von Hanstein im Haus hat und dazu einen ganzen Stall von erfolgshungrigen Ingenieuren wie Entwicklungschef Helmuth Bott oder den jungen Motorenmann Hans Mezger. Also ließ sich Firmenpatriarch Ferry Porsche am Ende doch breitschlagen, wenn auch widerwillig.

1958 gab er sein Jawort - zu einem eigenen Formel-2-Projekt und mit der Option einer Weiterentwicklung in die Formel 1. Die Voraussetzungen waren ja tatsächlich nicht schlecht, erinnert Dieter Landenberger, Leiter des historischen Archivs bei Porsche. 1961 soll das neue 1,5-Liter-Reglement in der Formel 1 gelten. Das heißt, dass die bisherige Formel 2 zur Königsklasse im Motorsport erhoben wird. "Und dafür", so Landenberger, "hat Porsche schon etwas Passendes im Regal: einen Vierzylinder-Boxer, luftgekühlt, mit um die 150 PS, standfest und siegfähig." In den minimalistischen Spydern 550 und 718 RSK hat er bis dahin so gut wie alles gewonnen, was zu gewinnen war. Jetzt ist die Zeit reif für neue Ziele.

Optisch eher ein VW Käfer als ein Rennwagen

Und die Sache klappt nicht schlecht, anfangs zumindest. Zwar sieht der Formel 2 mit Namen 718/2 noch ziemlich pummelig aus mit seiner hohen Heckverkleidung und dem bauchigen Lüftergehäuse darunter. Auch die klassische Kurbellenkervorderachse mit Drehstabfederung erinnert optisch eher an den VW Käfer als an moderne Rennwagen, wie sie vor allem die englische Konkurrenz einsetzt. Trotzdem wird der Formel 2 ein Erfolg. Nach ein paar weiteren Entwicklungsschritten holt man 1960 sechs Siege in zwölf Rennen und teilt sich am Ende den Konstrukteurstitel mit Cooper.

Im Jahr darauf wendet sich allerdings das Blatt. Zwar schafft man in der Endabrechnung noch Platz drei hinter Ferrari und Lotus. Trotzdem ist nicht zu übersehen, dass die Autos, der 718/2 und seine Weiterentwicklung 787, immer weniger konkurrenzfähig sind. Der Achtzylinder muss her, und zwar dringend.

Als in der Formel 1 noch 200 PS reichten, um zu gewinnen

Szenenwechsel. Die Museumswerkstatt in Zuffenhausen, Porscheplatz 1. Draußen im Foyer, vor den riesigen Glasscheiben, wuselt der Besucherstrom, hier drin im Allerheiligsten führt Walter Layer bescheiden Regie. Der ehemalige Rennmechaniker ist verantwortlich für die Restauration des 804 mit der Chassisnummer 01. Gefliester Boden, von dem man essen könnte, schwäbisch penibel sind Teile aufgereiht, Werkzeug ruht akkurat sortiert in Rollschränken. Und mittendrin Nummer 01 - schlank und zierlich wie aus Balsaholz, silbern glänzend.

Der elegante Joakim Bonnier saß 1962 am Steuer, jetzt ist die Cockpitverkleidung aus hauchdünnem Aluminium abgenommen und gibt den Blick frei auf einen schwarz lackierten Gitterrohrrahmen. Ins Auge fallen die voluminösen Tanks links und rechts neben dem Fahrer und über seinen Knien. Und im Heck kauert der flache, etwas breit bauende Achtzylinder mit dem charakteristischen Lüfterrad in der Mitte. Auch er: eine Augenweide. Am Ende seiner Entwicklungszeit leistete er an die 200 PS. Notabene: Das reichte seinerzeit, um in der Formel 1 zu gewinnen.

Die Restauration, eine sechsmonatige Mammutaufgabe

Walter Layer sieht die Sache nüchterner. "Der 804 war ein Albtraum für die Mechaniker", erinnert er sich - nicht nur, weil der Achtzylinder-Boxer mit seinen vier Nockenwellen eine so komplizierte Konstruktion war. "Wenn wir an irgendein wichtiges Teil wollten, mussten wir alles andere vorher demontieren", stöhnt der Restaurator noch im Nachhinein. Also musste der schlanke Einbaum am Ende komplett zerlegt werden, bevor man sich an die Erneuerung machte. Eine sechsmonatige Mammutaufgabe.

Restaurator Layer zählt auf: "Der Rahmen, eine Zelle aus gezogenen Stahlrohren, die nur knapp 30 Kilogramm wiegt, war gebrochen und musste nachgeschweißt werden. Die Kolben der Bremsen waren festkorrodiert und weil wir Metallspäne im Ölfilter gefunden hatten, musste der Motor komplett überholt werden. Das allein hat vier Monate gedauert." Die Karosserie, teilweise gerissen, musste man vor dem Lackieren verstärken, weil sich das alte Aluminium nicht mehr schweißen lässt, ohne zu zerbröseln. Auch einer der Tanks hatte ein Loch. Und neue Stoßdämpfer mussten extra nachgefertigt werden.

Fahrwerks-Hightech, die sich Porsche nicht patentieren ließ

Überhaupt die Radaufhängungen mit ihren Querlenkerachsen mit den doppelten Längsstreben, den Teleskopstoßdämpfern und der Drehstabfederung: "Wenn man das mit späteren Lotus-Konstruktionen vergleicht", sagt Archivar Landenberger, "sieht man eine große Ähnlichkeit." Kein Wunder. Porsche-Konstrukteur Wolfgang Eyb hatte versäumt, sich seine Entwicklung patentieren zu lassen. Landenberger: "Ferry Porsche fand das überhaupt nicht gut."

So wurde in den vergangenen Monaten vieles am 804 mühsam nachgefertigt, ausgebessert, akribisch erneuert, denn das Formel-1-Auto ist auch für Porsche eine Wertsache besonderer Art. "Es gibt nur drei Exemplare", zählt Dieter Landenberger auf, "der zweite steht in unserem Museum, der dritte ist in Privatbesitz in den USA." Der ist zugleich der Berühmteste: Er gewann 1962 den Grand Prix von Frankreich in Rouen. Am Steuer der Amerikaner Dan Gurney, zusammmen mit dem Schweden Bonnier ein Vertreter jener unerschrockenen Fahrergeneration, die Tod und Teufel nicht fürchtete. Bonnier starb 1972 in Le Mans, Gurney überlebte seinen Sport mit Glück. Der 85-Jährige ist in der US-Rennszene heute noch eine angesehene Größe.

Die Karriere währt nur eine Saison

Und der 804? Nach dem Sieg in Rouen gehen Gurney und Bonnier auf der Solitude bei Stuttgart hintereinander als erste durchs Ziel. Leider zählt das Rennen nicht zur Weltmeisterschaft. Beim Großen Preis von Deutschland auf dem Nürburgring liegt der Amerikaner vom Start weg vorn, bis sich die Batterie, die neben den Pedalen angebracht ist, löst und nur noch am Polkabel hängt. Gurney muss sie in voller Fahrt mit dem Fuß halten und wird noch Dritter. In Monza ist ein sechster Platz für Bonnier drin, in Watkins Glen fährt Gurney auf den fünften.

Da ist aber schon klar, dass der 804 in der nächsten Saison nicht mehr dabei sein wird. Am Ende hat Ferry Porsche dann doch den Daumen über dem Formel-1-Projekt gesenkt. Zu teuer, zu weit weg von der Serie. Außerdem steht der 911 vor dem Start, da müssen alle Kräfte gebündelt werden. Der 804 verabschiedet sich ins Museum. Und dort lebt er weiter.

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