Politik und Autobranche:Finanzspritzen für Elektroautos sind der falsche Weg

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Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) in einem autonom fahrenden Audi. (Foto: Audi)

Politik und Autoindustrie kämpfen gemeinsam, als Seilschaft. Doch die Unterstützung hält nicht nur den Absturz auf, sondern auch die dringend nötige Erneuerung der Branche.

Kommentar von Markus Balser

Wie man als Branche eine ganze Gesellschaft zum Narren hält? Die Autoindustrie macht in diesen Tagen vor, wie Schwindel und Tricksereien im großen Stil ungestraft funktionieren. Gesetzliche Abgasgrenzwerte, erlassen zum Schutz von Menschen und Umwelt, hielten die Autos von fast zwei Dutzend großen Herstellern im Straßenverkehr nicht ein. Und so rollen Hunderttausende Autos derzeit mit ungesund hohen Abgaswerten über deutsche Straßen.

Davon, dass ihre eigenen Autos Grenzwerte um bis zu 1000 Prozent überschreiten, ahnten die Kunden bis Freitag nichts. Seit die Bundesregierung Ende der Woche die Messergebnisse ihrer Abgaskontrollen veröffentlich hat, schlittert das Land in einen der größten Umwelt-, Verbraucher- und Industrieskandale seit vielen Jahren. Die großen Töne der Industrie entpuppen sich als lautstarke Irreführung. "Das Beste oder nichts", verspricht Mercedes per Hochglanzwerbung, "Vertrauen erfahren" sollen die Kunden von VW.

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Hunderttausende Kunden müssen sich getäuscht fühlen

Die Wahrheit spricht eine ganz andere Sprache. Das Beste? War der Autoindustrie für Kunden und Umwelt in vielen Modellen wohl schlicht zu teuer. Vertrauen? Stattdessen erfahren die Kunden von Rückrufen. Statt Grenzwerte mit der durchaus vorhandenen Technik dafür einzuhalten, wurde bei der Autoentwicklung getrickst, was das Zeug hält, um die Kosten weitestmöglich zu drücken. Daran gibt es kaum noch Zweifel. Hunderttausende Kunden müssen sich getäuscht fühlen.

Angesichts hoher Abgaswerte in deutschen Städten und Gesundheitsrisiken durch Stickoxide müsste die Bundesregierung eigentlich durchgreifen. Doch sie tut es nicht. Sie müsste den Managern eindringliche Fragen stellen. Doch es fragt niemand. Die Bundesregierung bleibt erstaunlich zahm. Man freue sich über den freiwilligen Rückruf von 630 000 Autos, sagte etwa Verkehrsminister Alexander Dobrindt am Freitag. Die Botschaft: Die Branche bringt das schon wieder in Ordnung. Strafen? Klärung vor Gerichten, ob die Tricks illegal waren? Entschädigung? Fehlanzeige.

Neue Finanzhilfen für die Autoindustrie

Damit wird deutlich: Der Schutz der Autoindustrie ist nach wie vor Staatsräson. Selbst die jüngsten Enthüllungen in der Abgasaffäre können die enge Bindung zwischen Branche und Politik nicht erschüttern. Im Gegenteil: Als Seilschaft kämpfen sie gemeinsam gegen den Absturz. Denn es geht um eine systemrelevante Branche. Wenn mit der Autoindustrie der größte Arbeitgeber taumelt, taumelt auch das ganze Land.

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Erfolgreich mahnten Spitzenmanager wie BMW-Chef Harald Krüger nun ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Abgasaffäre auch noch neue Finanzhilfen für die Industrie an. Nun ist die Bundesregierung den Bitten gefolgt und hat ein Milliardenpaket auf den Weg gebracht, das den Umstieg der Deutschen auf Elektroautos fördert. Steuerzahler sollen eine Branche päppeln, die den Staat und seine Bürger für dumm verkauft hat.

Parallelen zur Finanzkrise

Es war wohl gerade diese Nähe zwischen Macht und Managern, die den Abgasskandal ermöglichte. Wie schon die Banker in der Finanzkrise hielten sich auch die Führungskräfte der Autobranche für unangreifbar. Scheinheiligkeit und Doppelmoral beim Umweltschutz müssen in der Politik nun endgültig ein Ende haben. Das dürfte den Wandel der Autobranche stärker fördern als jede Finanzspritze.

Die Branche steht vor einem radikalen Umbau. Das Drehbuch dafür wurde auf dem Klimagipfel in Paris geschrieben. Die Staatengemeinschaft hat den schrittweisen Abschied von fossilen Energieträgern beschlossen. Der Wettbewerb um saubere Autos lässt sich nicht mehr mit Tricks gewinnen, sondern mit dem Druck zu Innovationen. Wer eine Industrie im Umbruch zu sehr schützt, hält nicht nur ihren Absturz auf. Sondern auch ihre Erneuerung.

© SZ vom 27.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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