Pilotprojekte im Nahverkehr:Straßenbahn ohne Fahrer

In Potsdam und Karlsruhe sind autonom fahrende Trambahnen unterwegs. Und Frankfurt will Pakete per Straßenbahn ausliefern.

Mit einem lauten Klingeln schlossen sich vor gut einer Woche zum letzten Mal die Türen: Der öffentliche Test mit einer fahrerlosen Straßenbahn ist in Potsdam zu Ende gegangen. Auf einem sechs Kilometer langen Teilstück des Netzes war in der Stadt seit Dienstag eine autonom fahrende Tram unterwegs. Haltestellen wurden angefahren, Fahrgäste durften jedoch im Testbetrieb nicht zusteigen. "Die Resonanz war ganz unterschiedlich", sagt Oliver Glaser, Geschäftsführer der Verkehrsbetriebe Potsdam. Niemand habe das Projekt komplett abgelehnt, aber auch nicht euphorisch begrüßt. Bis die Bahn zur Serienreife gelange, dauere es noch mindestens 20 Jahre, schätzt Glaser.

Siemens hatte die autonom fahrende Straßenbahn zur gerade zu Ende gegangenen Bahntechnikmesse Innotrans in Berlin vorgestellt. Die Kosten für den Testlauf in Potsdam trägt das Unternehmen. In der Bahn saß bei allen Testfahrten ein Fahrer, der sofort hätte eingreifen und notfalls eine Notbremsung auslösen können. Um die Praxistauglichkeit zu testen, mussten wie im realen Alltag vorbereitete Widrigkeiten entlang der realen Strecke gemeistert werden: So standen Personen aus dem Testteam - erkennbar an den signalfarbenen Westen - auf einem Fußweg oder eine Frau blieb auf dem Überweg mit einem präparierten Kinderwagen stecken. In allen Fällen reagierten die Sensoren des Systems prompt, die Bahn stoppte. "Indem wir Züge und Infrastruktur intelligent machen, können wir Verfügbarkeiten garantieren und die Sicherheit im Nah- und Fernverkehr erhöhen", sagt die Chefin von Siemens Mobility, Sabrina Soussan.

Selbstfahrende Straßenbahn

Ausgestattet mit unzähligen Sensoren: Die autonom fahrende Straßenbahn in Potsdam durfte noch keine Passagiere transportieren.

(Foto: Ralf Hirschberger/dpa)

Siemens ist nicht der einzige Technologiekonzern, der an einer Trambahn ohne Fahrer arbeitet. So kündigte der französische Konkurrent Thales auf der Innotrans an, zusammen mit der in Karlsruhe ansässigen Albtal-Verkehrs-Gesellschaft (AVG) eine autonom fahrende Stadtbahn entwickeln zu wollen. Bis Ende des Jahres sollen nun Testfahrten auf dem Betriebshof der Verkehrsbetriebe Karlsruhe geben, später dann außerhalb des Depots. Mittelfristig werde die Serienreife und eine Zulassung angestrebt. Mit einer fahrerlosen Bahn könnten Strecken im ländlichen Raum besser bedient werden, erklärt AVG-Chef Ascan Egerer. "Es geht jedoch nicht darum, unser gut ausgebildetes Fahrpersonal zu ersetzen."

Im Schienennahverkehr gibt es in Deutschland bisher erst in Nürnberg zwei vollautomatisierte U-Bahn-Linien. Im Juni feierte die Verkehrsgesellschaft VAG das zehnjährige Jubiläum und zog Bilanz: "Wir mussten nicht nur beweisen, dass die Aufgabe technisch lösbar war, wir mussten insbesondere auch die breite Öffentlichkeit mitnehmen und überzeugen", sagt VAG-Chef Josef Hasler.

Trambahnen für den Güterverkehr

Eine ganz andere Anwendung für Straßenbahnen strebt unterdessen die Verkehrsgesellschaft Frankfurt an. Dort sollen Trambahnen nicht nur Menschen, sondern auch Pakete befördern. Damit soll die Innenstadt vom Autoverkehr entlastet werden. Die Idee, per Straßenbahn Pakete an Privathaushalte auszuliefern, ist laut Verkehrsgesellschaft neu. Man spricht von einem Pilotprojekt. Vergleichbare wäre sie aber mit der Dresdener "CarGoTram", die eine Automobilfabrik von VW mit Bauteilen beliefert.

Hinweis der Redaktion

Ein Teil der im "Mobilen Leben" vorgestellten Produkte wurde der Redaktion von den Herstellern zu Testzwecken zur Verfügung gestellt und/oder auf Reisen präsentiert, zu denen Journalisten eingeladen wurden.

In Frankfurt wird die Tram mit sogenannten Mikrodepots beladen, Kisten voller Paketsendungen. Die Depots werden an Umschlagplätze in der Innenstadt gebracht. Von dort aus legen Radkuriere mit den Kisten die letzten Meter bis an die Haustüren zurück. So lasse sich eine "nahezu emissionsfreie Citylogistik" realisieren, heißt es bei der Stadt Frankfurt.

Güterverkehr per Tram gab es allerdings auch schon in den Sechzigerjahren in Deutschland, sagt Frankfurts Verkehrsdezernent Klaus Oesterling (SPD) bei der Vorstellung des Projekts. "Das ist alles ein bisschen retro hier." Nun sei dies erneut nötig, weil der Versandhandel übers Internet boome, aber auch wegen der Umweltsituation in den Innenstädten. "Vor zehn Jahren war noch kein Markt dafür da, jetzt aber schon", glaubt Frankfurts Umweltdezernentin Rosemarie Heilig (Grüne). Ein Grund sei nicht zuletzt das drohende Dieselfahrverbot in Frankfurt. Nun ist ein größerer Probebetrieb vorgesehen. Verläuft er gut, könnte das System in Frankfurt bald herkömmliche Transporter ersetzen.

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