Wie kommen die Planungen zu den Radschnellwegen in Nordrhein-Westfalen voran? Kurz vor Weihnachten hatte die "Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte in Nordrhein-Westfalen" (AGFS) dazu in ihrem Verbandsblatt Nahmobil eine Übersicht veröffentlicht. Das Ergebnis lässt sich kurz zusammenfassen: Es läuft eher schleppend. Bei vielen Projekten wurden zwar Planungsvereinbarungen zwischen einzelnen Kommunen und dem Land geschlossen, Gutachten zur Umweltverträglichkeit wurden auf den Weg gebracht, die Beteiligung der Bürger angeschoben. Wirklich gebaut allerdings wurde bislang eher wenig. Bei den meisten Radschnellweg-Projekten in den anderen Bundesländern sieht es ähnlich aus.
Dabei wären die Fahrräder, die auf solchen Radschnellwegen dann irgendwann mal unterwegs sein sollen, durchaus vorhanden. Der Direktversender Canyon aus Koblenz zum Beispiel hat für diese Saison gleich zwei interessante Pedelecs , also Fahrräder mit elektrischem Hilfsmotor, auf die Räder gestellt, die sich vor allem an (Berufs-)Pendler richten.
Und genau für diese Zielgruppe sind ja auch die meisten Radschnellwege gedacht: breite, gut asphaltierte Trassen, auf denen man gefahrlos langsamere Radler überholen kann, wenn möglich kreuzungsfrei geführt und mit einer Beleuchtung ausgestattet. Um eben schnell und bequem von einer Kommune in die andere zu pendeln, vom Wohnort zum Arbeits- oder Ausbildungsplatz. Und nach getaner Arbeit wieder zurück.
Die Linien sind klar, die Übergänge geschmeidig
Mit dem Canyon Precede:ON CF 9, das lässt sich nach einem ausführlichen Test sagen, machen selbst längere Fahrtstrecken ins Büro oder die Werkshalle einen Riesenspaß. Und zwar nicht nur, weil das Rad schon von der Gestaltung her gefällt: Die Linien des Carbonrahmen sind klar, die Übergänge geschmeidig gestaltet, auch die Lenker-Vorbau-Kombination besteht aus einem einzigen, formschön gestalteten Carbon-Bauteil.
In diesem haben die Koblenzer auch noch eine kleine Aussparung frei gelassen, in der das Kiox-Display von Bosch passgenau sitzt. Über dieses wiederum wird der Performance-Line-CX-Mittelmotor von Bosch gesteuert. Auch die Bremshebel sind schick in das Lenkerrohr integriert, der Scheinwerfer sitzt direkt unter dem Display. Das sieht alles sehr aufgeräumt und stylish aus. Als "urbane Augenweide" betitelte neulich das Fachmagazin MyBike das Precede:ON.
Flexibilität? Fehlanzeige!
Die hohe Kunst der (Voll-)Integration hat allerdings auch einen entscheidenden Nachteil: Die Flexibilität fehlt. Wer seine Sitzposition verändern möchte, der tauscht bei einem klassischen Rad den Vorbau aus oder schiebt Abstandsringe, "Spacer" genannt, über den Gabelschaft, um zum Beispiel aufrechter sitzen zu können. Das ist bei einer vollintegrierten Lenker-Vorbau-Kombination wie der des Canyon nicht möglich. Auch stellte sich im Alltagstest der SZ heraus, dass selbst für Menschen mit mittlerer Körpergröße für eine bequeme Handhabung die (relativ kurzen) Bremsgriffe etwas zu weit Innen montiert sind. Nachträglich verändern lässt sich das schon, ist aber eine etwas fummelige Angelegenheit.
Dennoch zaubert das Precede:ON bei fast jeder Ausfahrt dem Fahrer ein Lächeln auf die Lippen - selbst bei einer Tour durch strömenden Regen. Die breiten Schutzbleche sind nämlich so weit nach unten gezogen, dass sie das Spritzwasser weitgehend fernhalten. Auch erlauben der steife Rahmen und die genau ins Steuerrohr eingefügte Carbongabel eine direkte und präzise Steuerung. Der Motor unterstützt angenehm sanft und laufruhig. Und der 500 Wattstunden fassende, schick ins Unterrohr integrierte Akku ist entnehmbar; er kann aber ebenso im Rahmen belassen und über eine vorhandene Buchse geladen werden.
Als etwas gewöhnungsbedürftig, zumindest auf den ersten Runden, stellte sich allerdings die Enviolo-Automatikschaltung heraus. Dazu wählt man zunächst über das Display seine Wohlfühl-Trittfrequenz aus; die Automatik sorgt anschließend dafür, dass in steileren Abschnitten die kleineren Gänge zum Einsatz kommen. Im flachen Gelände schaltet sie entsprechend rauf. Das funktionierte im Test dann auch gut und flüssig - zunächst aber musste man sich durch längeres Ausprobieren an die passende Kadenz herantasten.
Ganz anders läuft es beim zweiten Pendler-Pedelec der Koblenzer. Langes Herumprobieren mit der Trittfrequenz entfällt beim Commuter:ON 7, eine Eingewöhnungsphase auf den ersten Runden ebenso. Hier heißt es nur: Aufsteigen, losfahren. Und sich dabei von Anfang an richtig wohlfühlen.
Wenn man so will, dann ist das Commuter:ON mit seinem Aluminium-Rahmen der etwas simpler gestrickte (vor allem aber auch preislich attraktivere) Bruder des Precede. Optisch ähneln sich zwar beide Räder, vor allem auch wegen der Farbgebung; doch in vielen Details unterscheiden sich die beiden Pendler-Bikes erheblich.
Als erstes zu nennen ist da der Motor: Statt eines Antriebs von Bosch schiebt beim Commuter:ON ein Fazua-Mittelmotor den Pedaleur an. Die Unterstützung fällt zwar selbst in der höchsten Unterstützungsstufe weniger stark aus als beim Precede, dafür arbeitet der Fazua-Antrieb aber noch einmal ein ganzes Stück leiser als der von Bosch. Wer im Flachen dahinrollt, der wird den Motor eigentlich gar nicht mehr hören. Zudem ist das Rad mit 17,6 Kilogramm (gegenüber den 22,2 Kilogramm des Precede) gehörig leichter als sein großer Bruder - und beschert dem Fahrer ein Fahrgefühl, das deutlich näher dran ist am unmotorisierten Pedalieren als auf dem Precede. Und es lässt sich mit solchen Gewichtswerten auch mal eine Treppe hoch- oder runtertragen.
Ein unprätentiöses Wohlfühl-Rad für den Alltag
Die Shimano-Deore-XT-Kettenschaltung mit zwölf Gängen passt da gut ins Gesamtbild eines unprätentiösen Wohlfühl-Rads für den Alltag. Die Gänge sind gut abgestuft, die Übersetzung ist so ausgelegt, dass man auch mal eine steilere Passage meistern kann, ohne gleich die höchste Unterstützungsstufe zuschalten zu müssen.
Dies sollte man ohnehin nicht allzu oft machen. Denn zum einen empfiehlt es sich, angesichts des nur 250 Wattstunden fassenden Akkus nur geringere Unterstützungsleistungen abzurufen - andernfalls ist der Energiespeicher rasch leergezuzelt. Und zum zweiten ist das kleine Steuerdisplay für den Fazua-Antrieb so ungünstig an der Oberseite des Unterrohrs angebracht, dass man sich erst umständlich nach unten beugen und um das Oberrohr herumgreifen muss, um es zu erreichen. Zumindest bei schnellerer Fahrt ist das nicht zu empfehlen - und wurde bei anderen Herstellern, beispielsweise bei Scott, die ebenfalls auf Fazua-Motoren setzen, besser gelöst.
Auch zwei weitere Punkte fielen im Alltagstest negativ auf. Zum einen kommt das Commuter:ON serienmäßig ohne einen Ständer, was für ein Stadt- und Pendlerrad wenig zweckdienlich ist. Zum anderen lässt sich der im Unterrohr verbaute Akku nur aufladen, indem man ihn mit einem Schlüssel aus der Halterung fummelt und dann ans Ladekabel stöpselt. Eine Ladebuchse im Rahmen fehlt. Und umgekehrt muss man den geladenen Akku vor einer Fahrt umständlich wieder einfügen, um mit Elektrounterstützung loszufahren. Bei einem E-Bike, mit dem man auch mal eben schnell zur Apotheke um die Ecke flitzen möchte, ist das eher unpraktikabel.
Preislich liegt eines der beiden Bikes klar vorn
Beim Preis allerdings kann das Commuter:ON punkten. 3299 Euro ruft Canyon für das Pendler-Bike auf, das schicke Precede:ON mit Enviolo-Automatik kostet 4999 Euro. Wer sich die Automatik sparen möchte und stattdessen ebenfalls die Hebel einer Shimano-Zwölfgang-Schaltung bedienen möchte, muss 700 Euro weniger aufwenden. Egal aber, was der Geldbeutel erlaubt - für beide Räder gilt: Sollten die geplanten Radschnellwege in Nordrhein-Westfalen und anderswo mal fertig werden, sind diese Bikes wie dafür gemacht.