Paris 2008: Elektromobile:Eine Branche unter Strom

Auf dem Pariser Automobilsalon scheiden sich die Geister über den idealen alternativen Antrieb.

Joachim Becker

Das Ende scheint nahe, zumindest das Ende der Autos, wie wir sie kennen. Glaubt man den Auguren auf dem Pariser Automobilsalon 2008, dann steht der Epochenwandel unmittelbar bevor: "Das ist ein neues Jahrhundert in der Automobil-Entwicklung, die Industrie wird sich in den kommenden Jahren schneller ändern als zu unseren bisherigen Lebzeiten", sagt Simon Thomas, Leiter Vertrieb und Marketing von Nissan Europa. Frank Weber, bei General Motors zuständig für den Chevrolet Volt, stimmt ihm zu: "Der Elektroantrieb ist eine Revolution, weil wir die Leute unabhängig vom Öl machen." Selbst Dieter Zetsche propagiert die ökologische Kehrtwende: "Wir haben das Automobil erfunden, jetzt erfinden wir es neu", sagte er bei der Vorstellung des Projekts e-mobility Berlin. Die Zukunft der Mobilität sei grün, so das Fazit des Daimler-Chefs.

Paris 2008: Elektromobile: Eine Branche am Scheideweg: Die Elektro-Pläne reichen von Assistenzantrieben für die bestehende Modellpalette bis zu neu entwickelten Batterieautos wie Nissans dreisitziger Nuvu-Studie.

Eine Branche am Scheideweg: Die Elektro-Pläne reichen von Assistenzantrieben für die bestehende Modellpalette bis zu neu entwickelten Batterieautos wie Nissans dreisitziger Nuvu-Studie.

(Foto: Foto: Nissan)

Grün gilt als Farbe der Hoffnung, doch zunächst sehen die Automobilbosse schwarz. Zweistellige Absatzrückgänge bringen die Fließbänder aus dem Takt, schon ist von Werksschließungen in Europa die Rede. Die hohen Erwartungen an Hybrid- und Elektrofahrzeuge machen den Verkauf der klassischen Benziner- oder Dieselmodelle nicht leichter und neue Antriebsformen bergen hohe technische und finanzielle Risiken: "Die Investitionen in die Fertigung von zehn Millionen Batterien und zehn Millionen Elektroautos sind kolossal", sagt Carlos Ghosn, "alle Hersteller geben derzeit Erklärungen zu allen Technologien ab, über die sie verfügen. Jetzt müssen wir uns entscheiden, worauf wir setzen", betont der Vorstands-Chef von Renault-Nissan.

Die Automobilbranche am Scheideweg: Die Elektro-Pläne reichen von mehr oder minder starken Assistenzantrieben für die bestehende Modellpalette bis zu neu entwickelten Batterieautos wie Nissans dreisitziger NuVu-Studie oder Renaults 3,95 Meter langem Z.E. Concept mit einem 70 kW starken Elektroantrieb. "Die Karosserie entsteht nach dem Prinzip einer Thermoskanne", erklärt Renault, "den Innenraum eines Fahrzeugs herunterzukühlen verbraucht viel Energie."

Läuft die knapp fünf PS starke Klimaanlage auf vollen Touren, dann dürfte sich die geplante Reichweite von mehr als 120 Kilometern halbieren. Carlos Tavares gibt sich dennoch optimistisch: "Wir werden 2011 ein vollständiges Elektro-Portfolio präsentieren." Nissans oberster Produktplaner verweist auf eine Prognose des Massachusetts Institute of Technology, die ab 2020 jährlich zehn Millionen verkaufte E-Autos vorhersagt, die Hälfte davon in USA.

Eine Branche unter Strom

Aber woher kommt die Energie für Elektroautos? Noch klebt der blaue Umweltengel auf den City-Stromern, weil sie lokal abgasfrei fahren. Doch im Fall des e-mobility-Partners RWE sieht die Öko-Bilanz eher düster aus. Im vergangenen Jahr hat der Konzern nur 2,4 Prozent seines gesamten Stromes aus regenerativen Quellen wie Windkraft erzeugt. Mehr als ein Drittel stammte hingegen aus besonders klimaschädlicher Braunkohle. Entsprechend kommt ein RWE-Elektro-Smart nicht auf einen Kohlendioxid-Ausstoß von 78, sondern von 113 Gramm pro Kilometer, errechnete Greenpeace. Der Werbeslogan "CO2-Champion" passt besser zum Smart cdi, weil der kleine Diesel nur 88 g/km ausstößt.

Noch ist es zu früh für einen Nachruf auf fossile Brennstoffe. Auch deshalb, weil die Energiedichte modernster Lithium-Ionen-Batterien hundertmal geringer ist als die von Dieselkraftstoff. Trotz eines Batteriegewichts von 180 Kilo kann der Chevrolet Volt nur 60 Kilometer weit fahren. Immerhin kostet eine Tankfüllung Strom bei einer Speicherkapazität von 16 Kilowattstunden nur rund zwei Euro, also knapp die Hälfte der sonstigen Benzinkosten. Die Vorderräder werden vom drehmomentstarken E-Motor angetrieben, der Benziner an Bord dient auch bei Kaltstarts im Winter nur als Notstromaggregat. Da der Vierzylinder konstant im Bestpunkt läuft, bleibt der Verbrauch gering - die Reichweite wächst im Benzin-Modus um 500 Kilometer. Der Haken an der Sache ist, dass die Kraft der zwei Herzen vierhundert Kilo extra wiegt und mehr als doppelt so teuer ist: Werden europäische Kunden ab 2012 wirklich bereit sein, 40000 Euro für ein 1700 Kilo schweres Kompaktauto zu bezahlen?

Batterieautos drohen zum Spielzeug der Besserverdienenden zu werden. Carl-Peter Forster, Präsident von GM Europa, ruft bereits nach Subventionen und erteilt allzu hohen Absatzerwartungen für Europa eine Absage: "Ob das 10.000 oder 20.000 Autos pro Jahr sind, hängt unter anderem von den Fördermaßnahmen in den einzelnen Märkten ab." Auch Daimler und Renault-Nissan setzen bei der Elektro-Revolution auf die Schützenhilfe der Politik: Nicht nur wegen der Fördergelder, sondern auch, um eine öffentliche Infrastruktur zum Stromtanken aufzubauen oder Busspuren in den Mega-Citys für Elektromobile zu öffnen.

Dabei planen Renault-Nissan eine völlig andere Vertriebsstrategie als General Motors. Ihre E-Mobile sollen so wenig wie gängige Kleinwagen kosten. Die Akkus gehen dabei nicht wie beim Volt in Kundenbesitz über, sondern bleiben Eigentum des Herstellers, der sie lediglich vermietet. Der Charme dieses Leasingmodells liegt auch im fest eingeplanten Batteriewechsel nach drei bis vier Jahren: Der Kunde hat immer die neueste E-Chemie an Bord und kann die Akkus stärker auspowern, weil sie kein Autoleben lang halten müssen. "Diese Elektrostrategie ist eine Wette auf weitere Fortschritte bei der Batterietechnik", kommentiert ein Brancheninsider.

Eine Branche unter Strom

Die Elektro-Trendsetter Toyota und Honda scheuen dagegen das unkalkulierbare Risiko und verlassen sich lieber auf eine Evolution ihrer bewährten Hybrid-Strategie. Bis 2020 will Toyota alle Fahrzeuge mit einem elektrischen Assistenzantrieb ausstatten, bis 2010 entsteht eine weitere Batteriefabrik mit Kooperationspartner Panasonic - zur Produktion der altbekannten Nickel-Metallhydrid-Akkus wohlgemerkt, die bei gleichem Gewicht nur ein Drittel so viel Energie speichern können wie Lithium-Ionen-Batterien. Toyota ist extrem vorsichtig im Umgang mit den leicht brennbaren Superspeichern: Für 2010 planen die Japaner lediglich eine Kleinserie des Prius als Plug-in-Hybrid, die E-Reichweite ist auf 13 Kilometer beschränkt.

Auch Honda gibt sich vorsichtig. "Die Batterien sind nicht so wichtig, die können wir auch bei den jeweils besten Zulieferern kaufen", sagt Takeo Fukui, "jeder denkt über eine elektrische Reichweite von 150 Kilometer nach, aber zur Zeit schafft das noch niemand zu einem erschwinglichen Preis." Auf dem Pariser Salon zeigen die Japaner eine seriennahe Studie des Honda Insight, der 2009 für weniger als 19.000 Euro nach Deutschland kommen soll. Das Zusammenspiel des knapp 100 PS starken Vierzylinders mit einem 20 PS starken Elektromotor drückt die CO2-Emissionen auf rund 100 g/km. Auch der Normverbrauch von rund vier Litern klingt viel versprechend, zumal das geräumige Öko-Auto nur rund 1300 Kilo wiegt.

Fahren wir in Zukunft zumindest (teil-)elektrisch? Einer Prognose des Center Automotive Research zufolge sollen im Jahr 2025 in Europa alle neu zugelassenen Autos per Hybrid angetrieben werden. Doch BMW-Produktionsvorstand Frank-Peter Arndt warnt: "Es wird keine homogene Hybrid-Welt geben. Wir sind auch im Sinne unserer Kunden gut beraten, nicht allein auf Hybrid-Fahrzeuge zu setzen, sondern weiterhin auch andere Wege zur Verbrauchsreduzierung zu gehen."

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