Nicht erst seit der Corona-Krise ist der Lieferverkehr in den Städten massiv angewachsen. Paketunternehmen wie die Deutsche Post, DPD oder UPS haben ihre Lieferfahrzeugflotten massiv erweitert. Immer mehr Transporter drängen in die Städte - vor allem, weil die Kunden immer mehr im Internet bestellen. Laut dem Branchenverband BIEK wurden 2018 bundesweit 3,5 Milliarden Pakete verschickt. Bis 2023 rechnet er mit einem jährlichen Wachstum von 4,7 Prozent.
Wie also lässt sich diese Flut von Paketen zustellen, ohne die Umwelt zu stark zu belasten? Dieser Frage gehen Forscher der University of Applied Sciences (UAS) in Frankfurt nach. Sie wollten in einer Studie klären, inwieweit man Güterstraßenbahnen nutzen könnte, um die Pakete vom Stadtrand in die Wohnviertel zu bringen. Dort sollten sie dann von Zustellern auf Lastenrädern weiterverteilt werden.
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Wie lässt sich die Logistik umweltfreundlicher abwickeln?
Die Forscher um Logistik-Professor Kai-Oliver Schocke entwickelten einen speziellen Transportbehälter, der in einer normalen Straßenbahn der Verkehrgesellschaft Frankfurt (VGF) verzurrt und anschließend auf einem "gängigen Lastenfahrrad", so Schocke, verstaut werden konnte. Ein Elektro-Lkw brachte die Container vom Depot des Versenders Hermes in den Betriebshof der VGF, dort wurden sie in die Tram verladen und auf der Schiene in die Innenstadt gefahren, wo Radkuriere die Boxen übernahmen und die darin verstauten Pakete zu den Kunden brachten. Das Ganze fand außerhalb der Hauptverkehrszeit statt, "um das Einfädeln in den Regelbetrieb zu erleichtern", sagt Schocke. Zudem fuhren keine Passagiere mit der Logistiktram mit - "das ist rechtlich auch nicht erlaubt".
Das Ergebnis: "Technisch gesehen war der Pilotversuch ein Erfolg", sagt Schocke. Über eigens eingebaute Rampen konnte die Tram einwandfrei be- und entladen werden, auch das Zusammenspiel mit den Radkurieren klappte gut. Auch wirtschaftlich betrachtet habe sich die Sache bewährt: Bei der dreistufigen Zustellung per E-Transporter, Straßenbahn und Lastenrad kamen die Forscher auf Kosten von durchschnittlich 1,93 Euro pro Paket. Zum Vergleich: Die Belieferung mit einem herkömmlichen Transporter vom Depot bis zur Haustür kostet im Schnitt 1,65 Euro. "Allerdings sind hier externe Kosten, etwa durch Umweltverschmutzung und Staus, nicht eingerechnet", sagt Schocke. Sollten die CO2-Emissionen künftig entsprechend bepreist werden oder die rechtlichen Rahmenbedingungen es den Städten erlauben, eine Art City-Maut zu erheben, könnte sich die Zustellung per Tram und Lastenrad durchaus rechnen für die Logistikunternehmen, so der Wissenschaftler.
Ohnehin bereitet sich die Branche schon seit Jahren auf solche Szenarien vor. In mehreren Städten experimentieren die Firmen unter anderem mit Elektrofahrzeugen in der Zustellung, die Deutsche Post übernahm vor einigen Jahren sogar die Firma Streetscooter, einen kleinen Hersteller von Elektrolieferfahrzeugen, weil die etablierten Hersteller nicht in der Lage waren, genügend Elektrotransporter zu liefern. Mittlerweile sind auch VW, Daimler, Opel und andere auf dem Markt aktiv, die Post wiederum hat angekündigt, die defizitäre E-Auto-Tochter abzuwickeln.
Bei Lastenrädern gibt es noch Probleme
Aber die gesamte Entwicklung zeigt: Die Branche stellt sich auf Veränderungen ein. Zudem experimentieren die Logistiker mit Lastenrädern - wenngleich auch dort oft Probleme auftauchen. So verkraften unter anderem die bisher gelieferten Fahrräder die Dauerbelastung im Paketgeschäft nur schwer; auch ist es für die Firmen knifflig, genügend Lager- und Umladeflächen (sogenannte Mikrodepots) in den dicht bebauten Innenstädten zu finden.
UAS-Forscher Schocke hingegen glaubt weiter an seine Idee der Lastentram. Zusammen mit der VGF will er in Zukunft eine ausschließlich für den Pakettransport bestimmte Bahn entwickeln - und diese dann in einem weiteren Feldversuch testen.