Paketdienste:Leiser Lieferant

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Klaus Heidinger liefert seine Pakete mit einem Elektro-Transporter aus. (Foto: Marco Völklein)

Das Geschäft mit Paketen boomt, immer mehr Zusteller drängen mit immer mehr Fahrzeugen in die Städte. Die Anbieter müssen darauf reagieren - und setzen unter anderem auf Transporter mit Elektroantrieb. Immer mehr Hersteller erkennen den Trend.

Von Marco Völklein

Karlsruhe ist eine Stadt mit etwas mehr als 300 000 Einwohnern - aber für Klaus Heidinger ist sie ein Dorf. Wer mit ihm auf Tour geht durch die Innenstadt, der erlebt einen Kurierfahrer, der nur dabei ist, anderen Menschen zuzuwinken und sie zu grüßen. "Die schafft da vorne in der Parfümerie", sagt Heidinger dann, wenn er einer Verkäuferin auf dem Weg zur Arbeit zuwinkt. "Dem gehört die Zahnarztpraxis am Eck." Klaus Heidinger kennt jeden, so scheint es. Und alle kennen ihn. Wenn der Zusteller in ein paar Jahren in Rente geht, sagt sein Chef, dann habe die Firma ein Problem in der Karlsruher Innenstadt.

Heidinger gehörte vor einigen Jahren zu den ersten Kurierfahrern, die sein Arbeitgeber, der Paketdienst UPS, mit einem elektrischen Lieferfahrzeug auf Tour schickte. Seither stromert der 60-Jährige durch die Karlsruher Innenstadt. Das Auffälligste an dem 7,5 Tonnen schweren Fahrzeug ist, dass es - zumindest akustisch - kaum auffällt: Nahezu lautlos fährt der Kleinlaster an, ebenso lautlos kommt er zum Stehen. "Die Leute hören einen nicht", sagt Heidinger. Deshalb müsse er als Fahrer besonders vorsichtig fahren.

Seit 2009 hat das Unternehmen nach eigenen Angaben weltweit über 750 Millionen Dollar in die Entwicklung alternativer Antriebe investiert. Tatsächlich gab es bis vor Kurzem nur sehr wenige Lieferfahrzeuge mit E-Antrieb auf dem Markt, dazu einige mit Gasmotor. Das stellte viele Lieferdienste vor ein Problem: Ihr Geschäft boomt, das Paketaufkommen wächst stetig. Allein die Deutsche Post rechnet bis zum Jahr 2020 mit einer Zunahme um jährlich etwa fünf bis sieben Prozent. In einem Zustellgebiet, das er vor Jahren noch allein abdeckte, erzählt Heidinger, seien heutzutage fünf Kollegen unterwegs. Alle natürlich mit einem eigenen Fahrzeug.

Viele Städte beobachten den zunehmenden Lieferverkehr daher kritisch. Und so manche Paketfirma fürchtet, irgendwann mit herkömmlich angetriebenen Fahrzeugen nicht mehr reingelassen zu werden. UPS schickt daher Leute wie Heidinger in ihren "rollenden Laboren" los, wie die Firma die elektrifizierten 7,5-Tonner nennt. Auch andere Zustellfirmen setzen auf alternative Antriebe, die dann zumindest lokal keine Schadstoffe emittieren (vollständig emissionsfrei sind E-Autos nur, wenn der Strom zu 100 Prozent aus regenerativen Quellen stammt). Zudem können die Firmen die Akkus in der Regel über Nacht aufladen und die zu fahrenden Strecken sind überschaubar - eigentlich ideale Bedingungen für einen Einsatz von E-Transportern, sagt Stefan Bratzel von der Hochschule der Wirtschaft in Bergisch Gladbach. Die Post lässt mittlerweile sogar bei einer Tochterfirma den Streetscooter bauen, einen elektrisch angetriebenen Kleinlaster, der auch an Handwerker, Kommunen und andere Interessierte verkauft wird.

Zudem haben nun auch immer mehr etablierte Hersteller solche Lieferfahrzeuge im Angebot. Mercedes will 2019 mit einem elektrifizierten Sprinter starten. Mit den Batterien im Wagenboden soll der Transporter weiterhin 10,5 Kubikmeter Ladevolumen bieten und je nach Batteriegröße 115 bis 150 Kilometer weit kommen. VW kontert mit dem e-Crafter und dessen Schwestermodell, dem eTGE von MAN, mit je knapp elf Kubikmeter Ladevolumen und bis zu 160 Kilometer Reichweite. Hinzu kommen der Master ZE von Renault mit einem bis zu 12,4 Kubikmeter großen Laderaum und maximal 120 Kilometer Reichweite sowie der Daily Electric des italienischen Herstellers Iveco mit bis zu 200 Kilometer Reichweite. Auch bei Nutzlast und Kosten nähern sich die Stromer den konventionell angetriebenen Transportern mehr und mehr an.

In der Klasse darunter, in der es bislang nur Renault Kangoo ZE und Nissan e-NV 200 gab, will künftig Mercedes mit dem elektrifizierten Vito mitmischen. Limitiert auf 120 km/h, kommt der Gewerbe-Van laut Hersteller auf eine Reichweite von 150 Kilometer. Und selbst der Urvater aller Transporter soll künftig elektrisch werden: VW will den elektrischen Retro-Bulli ID Buzz auch in einer gewerblichen Variante bringen und hatte dazu vor ein paar Wochen die entsprechende Studie enthüllt, die bis 2021 in Serie gehen wird.

Mancher Hersteller entwickelt zudem Komplettangebote für gewerbliche Kunden - die beinhalten neben dem Fahrzeug auch Software zum Flotten- und Lade-Management sowie die nötige Ladeinfrastruktur. Auch wenn es etwas gedauert habe, die Entwicklung zu mehr E-Transportern sei nicht mehr aufzuhalten, glaubt Ferdinand Dudenhöffer von der Uni Duisburg-Essen: "Grüne City-Logistik ist das große Thema. Was die Post mit dem Streetscooter begonnen hat, lässt sich nicht mehr zurückdrehen."

© SZ vom 12.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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