Opel Zafira:Ein Lichtblick am wolkenverhangenen Himmel

Zu Preisen von 34 750 Mark an aufwärts tritt der Zafira im Segment der kompakten Vans gegen den Renault Mégane Scénic an

(SZ vom 27.03.1999) Einziger Lichtblick am derzeit eher wolkenverhangenen Himmel der Autokonjunktur sind kompakte Vans. Dem noch jungen Marktsegment trauen Experten in den nächsten fünf Jahren ein fulminantes Wachstum zu. Der Anteil könnte sich in diesem Zeitraum verfünffachen - so zumindest die Prognosen. Damit wäre jeder zehnte neu zugelassene Pkw in Europa ein Kompakt-Van. Schon heute profitiert Renault von diesem Aufwärtstrend. Jeder zweite in Deutschland verkaufte Renault ist ein Mégane Scénic. Er ist damit unumstrittener Marktführer. Ob dies so bleibt, wird sich nach den 16. April herausstellen, wenn der Zafira auf den Markt kommt. Endlich mal wieder ein Auto, hoffen die Händler, das Interessenten anlockt, die Opel sonst eher nicht auf der Rechnung haben.

Die Hoffnung könnte sich erfüllen. Bei einer ersten Fahrt mit dem Zafira zeigte der neue Opel-Van eine erstaunliche Variabilität und Fahreigenschaften, die dem Komfort und der Agilität vergleichbarer Limousinen oder Kombis sehr nahe kommen. Herzstück des Vans ist ein neuartiges Sitzsystem, das Opel FLEX7 nennt. Sieben Sitze angeordnet in drei Reihen erlauben einer Familie den gemeinsamen Wochenendausflug, selbst wenn die Großeltern zu Besuch sind. Dann allerdings passen in den 150 Liter großen Kofferraum bestenfalls noch Picknick-Korb und Reisetasche. Werden weniger Sitze benötigt, verschwinden die beiden Einzelsitze einfach in einer Mulde im Fahrzeugboden. Das funktioniert erstaunlich einfach mit wenigen Handgriffen. Die auf Schienen gelagerte Bank in der zweiten Reihe wird danach so positioniert, wie es die Insassen wünschen. Entweder gönnen sie sich eine Beinfreiheit, wie sie nicht mal Lufthansa-Passagiere der Business-Class genießen, und haben immer noch 490 Liter Kofferraumvolumen übrig. Oder sie begnügen sich mit weniger und vergrößern damit den Kofferraum auf bis zu 640 Liter. Die Bank kann aber auch zusammengeklappt hinter die Vordersitze geschoben werden. Dann vergrößert sich das Transport-Volumen auf 1700 Liter. Wirklich neu an dieser Verwandlungskunst ist, daß kein einziger Sitz ausgebaut werden muß, um die insgesamt 49 unterschiedlichen Konfigurationen zu nutzen.

Daß der Sitzkomfort nicht auf allen Plätzen gleich sein kann, war bei einem Van, der kaum länger ist als ein Astra Caravan, nicht anders zu erwarten. Insgesamt findet eine Familie im Zafira aber ein praxisgerechteres Raumangebot vor als in einem Kombi, bei dem schon die Befestigung von mehr als zwei Kindersitzen ein kaum lösbares Problem darstellt.

Optisch folgt der Zafira nahtlos den Stilvorgaben der Astra-Baureihe, zu der er gehört. Seine Linienführung ist untadelig, aber auch frei von frischen, überraschenden Momenten. Technisch unterscheidet er sich in einigen wesentlichen Punkten von der Astra-Plattform: Ein längerer Radstand ermöglichte erst die Montage der dritten Sitzreihe und die Bodengruppe mußte aufwendig umgearbeitet werden, damit eine Mulde die Sitze aufnehmen kann. Das Fahrwerk wurde an die geänderten Gewichtsverhältnisse angepaßt und gefällt mit dem von Opel gewohnt ausgewogenen Kompromiß zwischen Komfort und Stabilität. Dank direkt ansprechender Lenkung und kurzer Schaltwege ist eine sportliche Fahrweise möglich.

Bei den Motoren setzt Opel zunächst auf zwei bewährte Vierzylinder. Zur Wahl stehen der 1,6 16V mit 74 kW (100 PS) und der 1,8 16V mit 85 kW (115 PS). Wer beabsichtigt, die Transportkapazitäten des Zafira häufiger auszunutzen, sollte sich für den stärkeren Antrieb entscheiden. Er bietet deutlich mehr Drehmoment und damit auch mehr Fahrkomfort - und er erfüllt in Verbindung mit dem Fünfgang-Getriebe die strenge Abgasnorm D4. Beim Verbrauch (8,3 beziehungsweise 8,5 Liter Super nach EU-Norm) liegen beide nahezu gleichauf. Die Fahrwerte: Null auf 100 km/h in 13,5 Sekunden und 176 km/h für den Zafira 1,6 16V und 12,0 Sekunden und 184 km/h für 1,8 16V.

In der mit vier Airbags, ABS und fernbedienbarer Zentralverriegelung ausgestatteten Basisversion kostet der Zafira 34 750 Mark. Auch für elektrisch einstellbare Außenspiegel und Wärmedämmglas verlangt Opel keinen Aufpreis. Mit dem stärkeren Motor ist der Zafira 1830 Mark teurer. Die Comfort-Version mit Dachreling, Fensterhebern und elektrischem Schiebedach kostet 2750 Mark mehr. Wer sich für die Elegance-Ausstattung mit Klima, CD-Radio und Alufelgen entscheidet, addiert zum Basispreis weitere 6150 Mark.

Der Turbodiesel kommt im Herbst

Mit der Markteinführung nimmt Opel ein Modell aus dem Programm, das der Marke wenig Glück gebracht hat. Der Sintra fiel gleich nach seiner Premiere vor zwei Jahren bei einem Crashtest unangenehm auf. Das hat dem Opel-Image spürbar geschadet. Der neue, entschlußfreudige Opel-Chef Robert W. Hendry wollte dies nicht länger hinnehmen und trennte sich ohne zu zögern von der Altlast. Anstatt das Fahrzeug komplett zu überarbeiten, steckt Hendry die dazu notwendigen Investitionen lieber in andere Projekte. Beispielsweise in den auf dem Genfer Salon gezeigten Opel Speedster, den er, soviel ist jedenfalls an seinen leuchtenden Augen abzulesen, rasch zur Serienreife bringen will.

Mit zusätzlichem Aufwand soll es aber auch vom Zafira schneller als ursprünglich geplant weitere Modellvarianten geben. Schon im Herbst rückt ein Turbodiesel mit Direkteinspritzung (60 kW oder 82 PS) ins Programm. Stärkere Diesel und Benziner werden folgen. Sicherheitstechnisch haben die Ingenieure wohl alles darangesetzt, damit sich das Debakel vom Sintra beim Zafira nicht wiederholt. Die hohe Festigkeit der Karosserie ist auf schlechten Straßen deutlich spürbar. So sollte es Opel gelingen, vom Zafira bis zum nächsten Jahr europaweit 200 000 Einheiten zu verkaufen. Kein leichtes Spiel: Mittlerweile haben fast alle Hersteller begriffen, daß im Marktsegment der kompakten Vans Geld zu verdienen ist.

Von Hans-Joachim Rehg

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